Debatte über Chemie-ExplosionLehren aus der Leverkusener Katastrophe? Kaum zu erkennen

Lesezeit 4 Minuten
Eine riesige Rauchwolke erhebt sich am 27. Juli 2021 über der Bürriger Sondermüllverbrennung

Was hat Currenta aus der Explosion seiner Sondermüllverbrennung gelernt? Darüber wurde im „Scala“ diskutiert.

Löst Currenta sein Versprechen ein, die Explosion in Bürrig so transparent wie möglich aufzuklären? Dazu fehlt noch sehr viel, zeigt sich bei einer Podiumsdiskussion im Opladener „Scala“.

„Dennoch-Katastrophe“ – womöglich ist das der Begriff, der den 27. Juli 2021 eines Tages am besten beschreiben wird. Horst Büther benutzte ihn am Donnerstagabend, als noch einmal über die Explosion an Currentas Müllofen diskutiert wurde. Der Leiter der Abteilung Umwelt- und Arbeitsschutz bei der Kölner Bezirksregierung stand beinahe ebenso oft im Fokus wie der Mann, der bei Currenta den Verantwortungshut auf hat: Hans Gennen, der technische Geschäftsführer.

Der Fokus auf Büther resultiert aus verbreiteten Zweifeln daran, dass die Kölner Aufseher beim Betreiber des Ofens für Sonderabfälle aus ganz Europa die Zügel fest genug in der Hand hatten vor der Katastrophe. Mehr noch: dass sie auch die Schritt-für-Schritt-Wiederinbetriebnahme zu locker sehen. Was bedenklich ist, weil sich Störfälle an einer solchen Anlage „nicht ausschließen lassen“.

Ein Satz, um den sich Gennen und Büther herum wanden, den indes Manfred Santen recht gelassen aussprach. Dem Chemiker in Diensten von Greenpeace fiel im Opladener Scala die Rolle des Kritikers und Anwalts der Bürger zu. Die durften natürlich mitreden bei dieser Diskussion, die vom WDR-Hörfunk organisiert worden war und live über den Sender ging.

Unwort „Ereigniswasser“

Gleich zu Beginn hatte Manfred Hölzer einen anderen Begriff in den Raum geworfen, der für ihn die ganze Verharmlosungsmasche symbolisiert, mit der Currenta auf die Katastrophe reagiert: „Ereigniswasser“ heißt im Sprech des Chempark-Betreibers jenes kontaminierte Gemisch, das monatelang ohne jede Kenntnis der Öffentlichkeit und – was die Leckage in einem Auffangtank der Kläranlage angeht – auch ohne Kenntnis von Currenta über die Bürriger Kläranlage in den Rhein gelangte.

Hans Gennen, Technikchef von Currenta, Manfred Santen, Chemiker bei Greenpeace, und Horst Büther von der Bezirksregierung Köln sitzen auf einem Podium im Opladener Scala

Hans Gennen, Technikchef von Currenta, Manfred Santen, Chemiker bei Greenpeace, Horst Büther, Bezirksregierung Köln (von links)

Kommuniziert Currenta inzwischen besser? Die Frage stand für Moderator Ralph Erdenberger im Mittelpunkt. Denn das wäre eine der Lehren, die man bei der ehemaligen Bayer-Tochter aus dem Drama zu ziehen hätte. „Ja“, findet Hans Gennen mit Blick auf die viele Wochen nach der Katastrophe ins Netz gebrachte eigene Internetseite zum Thema. Vor allem aber bezieht sich der Geschäftsführer auf den „Begleitkreis“ unter der Leitung von Christian Jochum, einem in der Tat renommierten Experten für die Sicherheit von Chemie-Anlagen. Dieses Gremium trifft sich bisher in Zoom-Konferenzen.

Man hat sieben Kollegen verloren. Das ist dramatisch.
Manfred Santen, Chemiker bei Greenpeace

Wirklich öffentlich sind die nicht: So dauerte es viele Monate und bedurfte expliziten Drängens, bis der „Leverkusener Anzeiger“ es auch auf die offizielle Einladungsliste schaffte. Anfangs wurde auch nicht jeder Bürger einfach so zugelassen. Erst nach und nach wurde Jochum klar, dass die Türpolitik seines Auftraggebers Currenta nicht zu seinem immer wieder formulierten Anspruch passt, dass jeder im Begleitkreis mitreden kann.

Handzettel einen Tag zuvor

Auch nicht der immer wieder propagierten Transparenz entspricht es weiterhin, dass Currenta genau einen Tag, bevor der erste Sondermüllofen wieder angefahren wurde, einen Handzettel in der Bürriger Nachbarschaft verteilte. Derartige Kurzfristigkeit verstärkt bei den Anrainern den Eindruck, dem Schalten und Walten des Chempark-Betreibers und der Aufsichtsbehörden nur zugucken zu dürfen. Und das mit der an diesem Abend immerhin klar von Hans Gennen formulierten Aussicht, dass die Bürriger Anlage irgendwann wieder komplett ans Netz gehen sollte. Die bisher verbrannten Chemie-Abfälle ließen einen wirtschaftlichen Betrieb der riesigen Einheit nämlich nicht zu.

Mit Blick auf das erste Wiederanfahren räumte Gennen ein: „Das kann man besser kommunizieren.“ Dabei war das vorigen Juni – bis dahin hatte Currenta also schon zehn Monate Zeit gehabt, seinen Kommunikationsstil den immer wieder artikulierten Bedürfnissen der Bürger anzupassen.

Es war wieder Manfred Santen, der den Finger in die Wunde legte: Wer so agiere, schaffe „Unruhe“. Weil es von den anderen Diskussionsteilnehmern nicht so klar rübergekommen war, nannte der Greenpeace-Mann noch mal die Folgen der Explosion im Abfalltank: „Man hat sieben Kollegen verloren. Das ist dramatisch. Man hat einen Stadtteil verunreinigt“ – und unter anderem große Angst vor Dioxin verursacht.

Auch davon sei beim Chempark-Betreiber tagelang nicht die Rede gewesen, so Manfred Hölzer. Mit klaren Worten hat es Currenta nicht, wenn es um die Explosion in Bürrig geht.

KStA abonnieren