Chemie in LeverkusenNoch verkraftet Lanxess die hohen Energiepreise

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Leverkusen – Mit teurer Energie kann Lanxess bis jetzt noch leben, obwohl Matthias Zachert die Steigerung „dramatisch“ nennt und bis heute kein Ende in Sicht ist. In sehr viele Verträge habe man zuletzt eine Energiepreis-Automatik eingebaut, berichtete der Vorstandschef am Mittwoch den Aktionären.

Das bedeutet: Höhere Kosten werden durchgereicht. Aber mit einem Gas-Embargo komme der Spezialchemie-Konzern nicht klar. Nach und nach müssten dann die Anlagen in Leverkusen, Dormagen und Uerdingen abgeschaltet werden, die besonders viel Energie brauchen. Das würde – aufs Jahr gerechnet – 80 bis bis 120 Millionen Euro Vorsteuer-Ergebnis kosten. Acht bis zwölf Prozent also, wenn man das Geschäftsjahr 2021 zum Maßstab nimmt.

Ex-Vorstand ist jetzt im Aufsichtsrat

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Ex-Vorstand Rainier van Roessel (links) wird nun Aufseher seiner Ex-Kollegen bei Lanxess

Ein alter Bekannter ist neu im Aufsichtsrat von Lanxess: Rainier van Roessel ersetzt Theo Walthie, der aus Altersgründen kein weiteres Mandat angestrebt  hatte. Van Roessel wechselte mit der Ausgründung von Bayer zu Lanxess, übernahm dort den Geschäftsbereich Gummi-Chemikalien und die Leitung des Standorts Antwerpen, bevor er 2007 in den Vorstand berufen wurde, dem er bis Ende 2019 angehörte. Dort war der gebürtige und heute 64 Jahre alte Niederländer Arbeitsdirektor und Chef vierer Geschäftsbereiche und der  Rheinchemie. (tk)

Dass es gut gelaufen ist, erwähnte Zachert auf dem erneut nur virtuell abgehaltenen Aktionärstreffen auch. Sonst wäre die frühere Bayer-Chemie auch gar nicht in der Lage, die höchste Dividende seit der Ausgründung im Jahr 2004 auszuschütten: 1,05 Euro.

Erneuerbare Energien sind die Zukunft

Auf erneuerbare Energien könne Lanxess „leider auf absehbare Zeit noch nicht“ setzen. „Sie stehen nach wie vor weder in ausreichenden Mengen noch zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung“. Natürlich sei es „großartig, wie sich die deutsche Politik derzeit um neue Energiequellen bemüht“. Aber das sei auch bitter nötig, wenn man die Industrie nicht in Not bringen will. Auch an die Landesregierung – und Zachert hofft, dass sie schnell steht – erging ein Appell: „Handeln Sie schnell, handeln Sie beherzt.“ Damit meinte der Konzernchef zum Beispiel, dass Windräder und Stromtrassen schneller genehmigt werden müssen.

Dessen ungeachtet befinde sich das Unternehmen im selbstgesteckten Klima-Zeitplan. Der sieht vor, dass der Ausstoß von Kohlendioxid bis 2024 im Vergleich zum Gründungsjahr 2004 um 60 Prozent verringert sein soll. Das entspreche 2,6 Millionen Tonnen per anno. Bis das energieintensive Unternehmen CO2-neutral produzieren kann, wird es laut Plan allerdings 2040.

Weniger Lachgas ist gut für das Klima

Aber man gehe Schritt für Schritt voran: Zachert erwähnte die neue Lachgasreduktionsanlage in Antwerpen, mit deren Bau im Herbst begonnen werden soll. Sie werde jährlich „300.000 Tonnen CO2-Äquivalente eliminieren und uns auf unserem Weg zur Klimaneutralität ein gutes Stück voranbringen“.

Kritik am PWC-Mandat

Wer prüft und wie lange? Das Thema provoziert regelmäßig kritische Fragen von Aktionärsvertretern. Dass Pricewaterhouse Coopers noch immer die Bücher von Lanxess prüft,  hielten am Mittwoch auf der Hauptversammlung 87,4 Prozent der Aktionäre für gut. Das war der geringste Zusprich des Tages. (tk) 

Auch bei Kunststoffen, die nicht Öl als Basis haben, gebe es vielversprechende Ansätze. Das erste Produkt aus der „Scope-Blue“-Reihe, die Lanxess voriges Jahr aufgelegt habe, bestehe zu 92 Prozent aus nachhaltigen Rohstoffen. Und im sauerländischen Brilon sei die Produktion einer neuen Variante des Verbundwerkstoffs Tepex angelaufen, die komplett aus Flachs und Polymilchsäure besteht. Das Material ist für die Automobil- und Elektronikindustrie gedacht, sei voll recyclingfähig, könne problemlos geschreddert und zu neuem Kunststoff verarbeitet werden.

Russland-Geschäft ausgesetzt

Zur Putin-Aggression fand Zachert erneut deutliche Worte. Sie waren Teil der Antwort auf die von mehreren Aktionärsvertretern gestellte Frage, wie es Lanxess denn nach dem Angriff auf die Ukraine mit seinem Russland-Geschäft halte. „Jegliche Investition“ sei ausgesetzt „und – soweit vertraglich möglich – die Geschäftstätigkeit mit russischen Kunden eingestellt“. Dafür muss der Konzern indes keine großen Opfer bringen: Mit russischen Partnern mache Lanxess weniger als ein Prozent seines Umsatzes, hieß es.

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Auch deshalb sind Zachert und seine Vorstandskollegen noch optimistisch für den Rest des Jahres. Das zweite Quartal habe sich gut angelassen, das Vorsteuerergebnis könne mit 280 bis 350 Millionen Euro leicht bis deutlich über dem Vorjahreszeitraum liegen. Insgesamt will Lanxess deutlich mehr Geld verdienen als 2021, als unterm Strich nur 218 Millionen Euro herauskamen. Das sah freilich auch deshalb nicht gut aus, weil im Jahr davor die 40 Prozent des Chempark-Betreibers Currenta abgestoßen wurden und viel Geld in die Kasse spülten. 908 Millionen Euro Ergebnis standen 2020 in den Büchern. Von diesen Sphären war am Mittwoch allerdings nicht die Rede. Dafür ist die Weltlage dann doch zu volatil.

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