Grüner Spitzenkandidat für EuropaSven Giegold ist sehr besorgt um Bayer

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Sven Giegold sieht die Grünen auch in Europa im Aufwind. Der Spitzenkandidat besuchte am Montag die Redaktion des „Leverkusener Anzeiger“.

Sven Giegold sieht die Grünen auch in Europa im Aufwind. Der Spitzenkandidat besuchte am Montag die Redaktion des „Leverkusener Anzeiger“.

  • Der Spitzenkandidat der Grünen für Europa hat die Krise bei Bayer kommen sehen
  • Glyphosat sollte aus seiner Sicht vom Markt genommen werden
  • Die Chemische Industrie müsse weg vom Öl
  • Bei der Urheberrechtsnovelle seien handwerkliche Fehler gemacht worden

Leverkusen – Es macht nicht immer Freude, Recht zu behalten. Auch Sven Giegold nicht. Der Mann, der an der Seite von Ska Keller die Grünen in den Europa-Wahlkampf führt, ist „hoch besorgt“ über die Lage des Bayer-Konzerns. Giegold und seine Parteifreunde hatten von Beginn an Bedenken gegen die Übernahme von Monsanto; die Grünen wollten die Bundesregierung dazu bringen, den Deal nicht nur wirtschaftlich zu bewerten, sondern auch die ökologischen Folgen abschätzen zu lassen: Was bedeutet es für Natur und Landwirtschaft, wenn der größte Agrochemiekonzern der Welt entsteht?

Das wäre ein Job für die Wettbewerbshüter in Brüssel gewesen. Aber für diese Prüfung gab es am Ende keinen Auftrag. Mit Blick auf die Bayer-Krise sagt Giegold heute: „Wir waren gegen die Fusion. Und wir hatten wirtschaftlich leider Recht.“ Dem Konzern geht es nicht gut, Giegold sorgt sich sogar, „dass Bayer zu einem neuen RWE wird“. Eine Firma also, die unter geänderten ökologischen Rahmenbedingungen nicht mehr klar kommt.

Landwirtschaft „mit viel weniger Gift“

Das fände auch ein Grüner schlecht, weil „wir für die ökologische Transformation leistungsfähige Chemieunternehmen brauchen“. Diese Transformation besteht für Giegold darin, „Landwirtschaft mit viel weniger Gift zu betreiben“. Auf dem Weg dorthin „sollte Glyphosat vom Markt genommen werden“, sagt er am Montag, als er die Redaktion des „Leverkusener Anzeiger“ besuchte. Der Unkrautvernichter sei schrecklich effektiv – ein großes Problem. Für die Artenvielfalt auf den Feldern habe das überaus schlimme Folgen, die jeder sehen könne.

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Sven Giegold macht Europa-Wahlkampf mit Bahn und Elektroauto.

Giegold, der fast mal Chemiker geworden wäre, aber dann doch Wirtschaftswissenschaften studierte, kann ziemlich viel sagen zur prägenden Branche in Leverkusen. Er findet es auch gut, dass Bayers Kunststoff-Ausgründung Covestro Anstrengungen unternimmt, Öl durch andere Grundstoffe zu ersetzen, etwa Kohlendioxid zu verwenden. „Die chemische Industrie muss weg vom Öl und auf nachwachsende Rohstoffe umsteigen“, da sei jede Initiative willkommen.

Im Elektroauto auf Wahlkampftour

Weg vom Öl – das beherzigt der Politiker auch im Wahlkampf. Nach Leverkusen ist er mit der Bahn gekommen, geht es weiter aufs Land, benutzt er ein Elektroauto. Das macht den 49-Jährigen recht zufrieden. Mit Blick auf die vorige Kampagne sagt er: „Das wäre vor fünf Jahren noch nicht möglich gewesen.“ Natürlich gebe es Kinderkrankheiten, wie die Stromtankstelle, an die man abends nicht mehr heran komme. Grundsätzlich sei Elektromobilität aber eine lebbare Alternative – auch für einen Wahlkampf in der Fläche.

Den erlebt der Kandidat deutlich lebhafter als zuvor. Der Brexit habe die Wähler keineswegs ermüdet, sondern ihnen verdeutlicht, dass Europa wichtig ist und man sich engagieren muss. Man „will nicht in einem anderen Land aufwachen“, wie die Briten nach ihrem Votum.

„Europa muss sich verändern“

Auf die inhaltlichen Aspekte des Austritts müsse man in Brüssel reagieren. „Europa muss sich verändern“, so die Grünen. Zumal auch nicht alles gut laufe in Brüssel. Die Reform des Urheberrechts sei ein Beispiel. Axel Voss, der auch Leverkusen im EU-Parlament vertritt, habe den richtigen Grundgedanken „handwerklich und politisch schlecht umgesetzt und Europa so einen Bärendienst erwiesen“, so Giegold. Die sehr kritisierten Upload-Filter „hätte man ohne weiteres ausschließen können“.

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Genauso schlecht sei es, die Größe der Ausschnitte, zum Beispiel aus Zeitungsartikeln, nicht festgelegt zu haben. Das müssten Gerichte nachholen – Folge: „jahrelanger Rechtsunsicherheit“. So mache sich Europapolitik bei jüngeren Menschen unbeliebt, und das völlig unnötig.

Wer macht was im Netz?

Viel wichtiger ist es aus Giegolds Sicht, dass im Netz mehr Klarheit herrscht, von wem Inhalte kommen und wer sie bezahlt hat. Gerade die Video-Plattform YouTube sei in dieser Hinsicht völlig intransparent. „Da muss der Staat eingreifen“, findet der Grüne mit Blick auf die Algorithmen, die viele Nutzer in eine Filterblase steckten, in der sie keine anderen Meinungen mehr zur Kenntnis nehmen müssen. „Wir brauchen eine europäische Digitalaufsicht“, die aber keine inhaltlichen Bewertungen vornehmen dürfe. „Das soll keine Wahrheitskommission sein.“

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