Hauptversammlung ohne Aktionäre„Mister Bayer“ macht Platz für einen Fremden

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Infektionsschutz: Das Pult wird abgewischt, Mikro-Aufsätze werden getauscht.

Infektionsschutz: Das Pult wird abgewischt, Mikro-Aufsätze werden getauscht.

Leverkusen – „Mister Bayer“ hat einen ganz besonderen letzten Termin. Doch richtig glücklich scheint Werner Wenning nicht zu sein damit, dass seine letzte Hauptversammlung die erste ist, auf der es keinerlei Publikum gibt. Ein Rednerpult und sechs Schreibtische sind am Dienstag im Bay-Komm aufgebaut. Dort sitzen nur die Leute, die unbedingt da sein müssen.

Das sind Vorstandschef Werner Baumann, Bayers Finanzchef Wolfgang Nickl, der Notar, der Stimmrechtsvertreter der Aktionäre, außerdem neben Wenning zwei weitere Männer aus dem Aufsichtsrat: Betriebsrat Oliver Zühlke, der als Wennings Vize im Aufsichtsrat ein bisschen was sagen will zum Abschied, und Norbert Winkeljohann. Der ist an diesem Tag wichtig, weil er Wenning als Chefaufseher beerben soll und sich den reichlich 5000 Aktionären vorstellen muss, die gegen 11 Uhr der Übertragung im Netz zusehen. Später werden es deutlich weniger.

Ein Gegenentwurf als Nachfolger

Winkelmann ist ja der komplette Gegenentwurf zu Wenning. Keinen Tag hat der ehemalige Europa- und Deutschland-Chef von Pricewaterhouse Coopers bei Bayer gearbeitet, „Mister Bayer“ 54 Jahre. Als Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater soll Winkeljohann „den frischen Blick von außen“ haben, den sehr viele gefordert haben angesichts des Monsanto-Problems. Winkeljohann ist zwar seit zwei Jahren Mitglied des Bayer-Aufsichtsrats. Aber als er kam, war der Monsanto-Deal schon durch – damit hat der 62-Jährige mit der Sache nichts zu schaffen. Nach Lage der Dinge ist das gut.

Um Monsanto und Glyphosat drehen sich auch die meisten der 245 Fragen, die Vorstand und Aufsichtsrat in rund vier Stunden beantworten. Eine Auswahl habe es entgegen der Vermutung von Kritikern nicht gegeben, betont Werner Baumann. Und das Frageaufkommen entspreche dem Durchschnitt normaler, echter Hauptversammlungen.

Wie steht Bayer da in der Corona-Krise?

Alles in Ordnung also? Nein, sagt Baumann den Aktionären: „Uns fehlt der Austausch mit Ihnen.“ Und „gewisse Beschränkungen der Rechte der Aktionäre“ sieht auch der Bayer-Chef in einer Hauptversammlung nach dem Covid-19-Gesetz. Sie sollte ein Einzelfall bleiben.

Neben Glyphosat bewegt die herrschende Pandemie die Anteilseigner. Den Vorwurf, Bayer habe sich vom wenig lukrativen Infektionsschutz abgewandt und mache nun eine schlechte Figur, lässt Baumann nicht gelten. Der Konzern habe andere Prioritäten gesetzt – und helfe, wo er kann: Labor- und Beatmungsgeräte wurden verliehen, Masken verschenkt – zum Beispiel in Leverkusen –, das alte Malaria-Mittel Chloroquin in großen Mengen verteilt, sobald die Vermutung bestand, dass es gegen Covid-19-Infektionen helfen könnte. Träfe das zu, „würden wir das Mittel auch in Zukunft kostenlos an Regierungen abgeben“, sagt Baumann zu.

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