Klinikum LeverkusenAmbulante Patientenversorgung ist untersagt

Lesezeit 4 Minuten
Angestellte vor dem Klinikum im Park. Pflegerin, Arzt, Ärztin

Dem Klinikum Leverkusen sind Kompetenzen entzogen worden.

Die Kassenärztliche Vereinigung sortiert Behandlungen auf Arztpraxen in der Stadt um.

Eigentlich sollte Gabriele Schenk sich an diesem Donnerstag zu ihrer regelmäßigen Versorgung im Klinikum Leverkusen einfinden. Seit einer schweren Darmoperation im Jahr 2006 ist ihr dort alle drei Monate in der gastroenterologischen Klinik von Professor Henning Adamek ein starkes Medikament verabreicht worden, das unter fachlicher Aufsicht vergeben werden muss. Doch der Termin wurde diesmal kurzfristig abgesagt, weil die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) dem Klinikum die dafür erforderliche rechtliche Ermächtigung entzogen hat.

Gabriele Schenk war ziemlich entsetzt, dass sie sich nun eine neue fachärztliche Betreuung suchen soll, und wandte sich an die Redaktion des „Leverkusener Anzeiger“: „Seit 16 Jahren bin ich alle drei Monate im Klinikum, alle Ärztinnen und Ärzte dort kennen meine Krankheit. Sie haben mir mit der Operation das Leben gerettet und ich habe viel Vertrauen in dieses sehr gute Team. Jetzt nimmt man mir diese Sicherheit.“

Per E-Mail erhielt sie die Terminabsage vom Ambulanzteam der Medizinischen Klinik 2. „Wir bedauern diese Entwicklung, die auch uns unvorbereitet getroffen hat“, heißt es in der Nachricht. Auf Nachfrage der Redaktion zeigte sich das sonst sehr auskunftsfreudige und in der Öffentlichkeitsarbeit aktive städtische Klinikum zugeknöpft: „Dazu wollen wir nichts sagen“, lautete die knappe Auskunft. Es handele sich um ein laufendes Verfahren.

Juristische Schritte erwogen

Etwas deutlicher heißt es in der Mail an Patientin Schenk: „Die Kassenärztliche Vereinigung hat uns überraschend – nachdem sie unsere Ermächtigung erst im September 2022 für zwei Jahre verlängert hatte – die Ermächtigung mit sofortiger Wirkung entzogen. Wir überlegen juristische Schritte, klar ist aber auch, dass wir ab sofort CED-Patienten nicht mehr behandeln dürfen und auch keine Rezepte mehr ausstellen dürfen.“ CED steht für chronisch entzündliche Darmerkrankungen.

Auf Hinweis der Kassenärztlichen Vereinigung wird auf zwei Facharztpraxen in Schlebusch und in Quettingen verwiesen, die Kapazitäten zur kurzfristigen Übernahme der Patienten hätten, damit kein Versorgungsengpass entstehe. Beide Praxen werden von einem Team mit jeweils fünf Ärztinnen und Ärzten betrieben. 

Professor Henning Adamek in Un­ter­su­chungs­raum des Kli­ni­kums

Chefarzt Professor Henning Adamek in einem Un­ter­su­chungs­raum des Kli­ni­kums

Auch die Pressestelle der Kassenärztlichen Vereinigung äußert sich sehr zurückhaltend: „Nach Auskunft unserer Fachabteilungen ist über die beschriebene Konstellation in Leverkusen derzeit noch nicht abschließend entschieden. Es handelt sich aktuell also noch um ein laufendes Verfahren, dessen Ergebnisse momentan noch abzuwarten bleiben. Wir rechnen aber für die nächsten Wochen mit einem neuen Sachstand zum Thema.“

Ambulant vor stationär

Zur Erklärung wird ausgeführt: „Hintergrund ist eine im Herbst 2022 turnusmäßig ausgelaufene sogenannte Ermächtigung, in dessen Rahmen ein Klinikarzt ausnahmsweise ambulant Leistungen erbringen durfte. Solche Ermächtigungen sind Sonderfälle, die im Vertragsarztrecht möglich sind, wenn etwa die ambulanten Strukturen vor Ort temporär nicht über ausreichende Kapazitäten oder spezielle medizinische Therapiewege verfügen und damit stationäre Unterstützung erforderlich ist. Aufgrund des allgemeinen Grundsatzes in der Gesetzlichen Krankenversicherung ‚Ambulant vor Stationär‘ sieht der Gesetzgeber allerdings eine regelmäßige Überprüfung der Sonder-Voraussetzungen bzw. der etwaigen Notwendigkeit zum Fortbestand vor – wenn möglich, sollen ambulante Leistungen nämlich ambulant erbracht werden und nur in Ausnahmesituationen in Kliniken.“

Wichtig ist es der KVNO festzustellen, dass nicht willkürlich entschieden werde. „Entscheidungen über Teilnahmen an der ambulanten Versorgung – wie eine mögliche Ermächtigung bzw. deren Fortbestand/Ende – trifft nicht ‚die KV‘, sondern ein mit Krankenkassen- und Ärztevertretern besetztes unparteiisches Gremium, die sogenannten Zulassungs- oder Berufungsausschüsse, die die Gesamtkonstellation der örtlichen Versorgung bewerten bzw. analysieren. Die KV ist in diesem Rahmen mit der Organisation und den administrativen Verwaltungsprozessen der entsprechenden Sitzungen betraut.“

Es entsteht somit der Eindruck, dass mit der nun vorgenommenen Umverteilung von Patienten auf die niedergelassenen Facharztpraxen vor allem eine wirtschaftlich tragfähige Lösung in der Fläche gefunden werden soll, dass also mit Beendigung einer Ausnahmeregel eine Auslastung der Kapazitäten im ambulanten Bereich das Ziel ist.

Gabriele Schenk mag sich damit noch nicht abfinden. Ihre Cousine, die sich ähnlichen Behandlungen unterziehen muss wie sie selbst, hat ihren ersten Termin außerhalb des Klinikums bereits vereinbart. Nach deren Erfahrung will sie sich dann richten. Doch ein ungutes Gefühl bleibt. „Wissen Sie: Bei so einer schweren chronischen Erkrankung über Jahrzehnte hinweg ist das Vertrauen in die Ärzte in jeder Weise wichtig. Ein solcher erzwungener Wechsel bedeutet für mich nur Stress.“

KStA abonnieren