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Amtsgericht LeverkusenAls die Freundin starb, ließ er sie liegen

Lesezeit 4 Minuten
Das Amtsgericht Leverkusen in Opladen.

Das Amtsgericht Leverkusen in Opladen.

Eine Frau ist gestorben, weil der Freund zu spät den Notarzt gerufen hat. 

Die Verhandlung am Amtsgericht ließ wohl niemanden im Saal unberührt zurück. Und das unabhängig davon, dass der Fall in Kreisen von jungen Menschen geschehen war, die dem harten Tabletten- und Drogenmilieu zuzurechnen waren. Eine junge Frau war einen Tag nach Weihnachten 2022 in der Leverkusener Wohnung ihres Freundes gestorben, weil der Mann viel zu spät den Notruf gewählt hatte.

Nach mehreren Stunden der Beweisaufnahme wurde der Mann nach Jugendstrafrecht mit einer Verwarnung und 1000 Euro Strafe und Auflagen zwar nicht wirklich hart bestraft, aber dennoch wird er die Sache von Weihnachten 2022 wohl für den Rest seines Lebens nicht mehr loswerden.

Die Freundin und der Angeklagte steckten zu der Zeit schon ziemlich tief in einer Medikamentensucht; die Freundin offenbar noch mehr als der junge Mann. Laut Gutachten soll sie polytoxikoman gewesen sein, also alle möglichen Tabletten und Drogen durcheinander konsumiert haben.

Die etwa ein Jahr laufende Beziehung der beiden soll zuletzt kompliziert gewesen sein. Nachdem er ihr Tabletten in Aussicht gestellt hatte, war sie am 27. Dezember 2022 zu ihm in die Wohnung gekommen. Sie muss erkältet gewesen sein. Wie sich später bei der Obduktion herausstellte, kämpfte ihr Körper mit einer eitrigen Lungenentzündung. Zwischen 2 und 6 Uhr morgens nahm das Pärchen verschiedene Substanzen und Pillen ein, darunter auch Methadon, das eine dämpfende Wirkung auf die Atmung hat.

Die Frau lag für Stunden tot in seinem Bett

Irgendwann fiel die junge Frau in einen tiefen Schlaf. Schon gegen Mittag nach der Nacht soll sie in einen lebensbedrohlichen Zustand übergegangen sein, lag wie im Koma im Bett, atmete nur noch stockend. Laut Anklage muss ihr Freund das gemerkt haben, denn sie wurde kalt und ihr Körper verkrampfte sich. Der Mann ließ sie trotzdem noch für 24 Stunden im Bett liegen.

Erst als er selbst am 28. Dezember 2022 um 13 Uhr aufwachte, rief er die Notrufnummer 112 an, da war sie wohl schon Stunden tot. „Ich bin aufgewacht und habe meine Hand auf ihren Bauch gelegt und der war kalt“, sagt der junge Mann.

Als die Notärztin endlich in die kleine Schlebuscher Wohnung des damals 20-jährigen Mannes kam, war es längst zu spät für die junge Frau. Die Notärztin fand die Tote warm eingepackt, sie fand die Leiche mit Socken und ungewöhnlicherweise mit Handschuhen im Bett vor und es fand sich noch eine Wärmflasche. Vielleicht hatte der Mann in der Nacht noch versucht, das Auskühlen zu verhindern. Eine Gerichtsmedizinerin erklärte, dass die Frau im Komarausch einen Herzinfarkt erlitten habe, dass die Lungenentzündung in Zusammenhang mit dem Atem-lähmenden Methadon äußerst belastend gewesen sei.

Verteidiger versucht erst die harte Tour

Der Düsseldorfer Strafverteidiger Torsten Timm versuchte es erst auf die harte Tour, indem er sagte, seinem Mandanten sei überhaupt kein Fehlverhalten vorzuwerfen, weil der komatöse Drogenschlaf mit den Nebenerscheinungen so etwas wie ein wiederkehrender Normalzustand bei der Frau gewesen sei. Es hatte etwas Herabwürdigendes.

Auch ihm wurde später anscheinend klar, dass er mit seiner schroffen Art dem Fall nicht gerecht wurde und wenig für den Angeklagten erreichen würde. Richterin Anika Menger machte klar, dass es um unterlassene Hilfeleistung gehe und nicht etwa um einen Vorsatz des Angeklagten. Später setzten sich eine Schwester und der Vater der Verstorbenen in den Zuschauerraum, beide verließen gelegentlich den Raum, die Schwester weinte.

Leverkusen: Drei Tote in einem halben Jahr durch Drogen

Dieser Tod erschien doppelt sinnlos, weil der Angeklagte selbst den Beweis liefert, dass ein Entkommen aus der Sucht zumindest möglich ist: Inzwischen sei er komplett drogenfrei, sagte er, und er gehe einer einfachen regelmäßigen Arbeit nach. Durch regelmäßige Drogentests und Beratungen soll Druck entstehen, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Zu der Zeit, als die Frau in Schlebusch gestorben ist, soll es in der Leverkusener Drogenszene innerhalb von einem halben Jahr zu drei Toten gekommen sein, wurde in der Verhandlung gesagt.