LandgerichtLeverkusener sind die Sexualstraftaten schwer nachzuweisen

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Landgericht Köln, Rechtsanwälte gehen zur Sitzung.

Landgericht Köln, zwei Rechtsanwälte gehen zur Verhandlung.

Im Prozess gegen Mustafa J. (Name geändert) aus Leverkusen sind dem Angeklagten die Sexualstraftaten offenbar kaum nachzuweisen.

Der heute 33 Jahre alte Mustafa J. aus Steinbüchel soll laut Anklage seine damalige Freundin Nadine L. (Namen geändert) oft geschlagen und ernsthaft verletzt haben, er soll sie vergewaltigt und sexuell genötigt haben.

In der Verhandlung am Montag vorm Kölner Landgericht beriet die Vorsitzende Richterin der 20. großen Strafkammer gemeinsam mit dem Angeklagten, seinen zwei Verteidigern, der Nebenklage, der Staatsanwältin und der psychiatrischen Gutachterin über den Stand des Verfahrens.

Leverkusen: Die Taten sind lange her

Demnach ist es unwahrscheinlich, dass dem Leverkusener irgendwelche Sexualstraftaten nachgewiesen werden können, die er im Jahr 2015 und 2016 in der Beziehung begangen haben soll. Nur die Staatsanwältin will die Verfolgung einer Vergewaltigung aufrechterhalten. Für andere angeklagte Vergewaltigungen lassen sich nach der langen Zeit nach übereinstimmender Meinung im Saal nicht mehr genug Beweisanzeichen sammeln.

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Zudem fallen die Taten unter das alte, etwas weniger scharfe Sexualstrafrecht; das neue trat im November 2016 in Kraft. Acht Jahre sind die angezeigten Fälle zum Teil alt, drei Jahre vergingen alleine zwischen den angeklagten Taten und der ersten Anzeige gegen den Ex-Partner. Insgesamt 30 Straftaten, darunter Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Misshandlung, Körperverletzung, sind von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Für acht Taten könnte Mustafa J. demnach noch bestraft werden, bei den meisten Anklagen handelt es sich um Körperverletzungen und gefährliche Körperverletzungen.

Mustafa J. wird von zwei Anwälten verteidigt. Sie machten klar, dass sie die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Nadine L. bezweifeln wollen: „Acht Jahre nach den angeklagten Taten haben wir keine andere Möglichkeit, als die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu hinterfragen“, sagte einer. Sowohl die Staatsanwältin als auch die vorsitzende Richterin der rein weiblich besetzten Strafkammer machte dagegen klar, dass man keine Anzeichen für bewusste Falschaussagen beim Opfer feststelle.

Opfer und Angeklagter kommen aus schwierigen Familienverhältnissen

Drogenkonsum und einen „Horror-Familienhintergrund“ machten der Anwalt sowohl bei Nadine L. als auch beim Angeklagten aus. Für Mustafa J. dürfte das zutreffen: Einblick in die Familienverhältnisse hat inzwischen jeder Leverkusener Gerichtsreporter durch viele Verfahren. Mindestens sieben Geschwister hat der Angeklagte. Sein ältester Bruder ist einer von zwei Leverkusenern, für die in aufsehenerregenden Prozessen Sicherungsverwahrung angeordnet wurden, die also für den Rest des Lebens im Gefängnis bleiben müssen.

Ein Anwalt Mustafa J.s erwähnte diesen Fall, weil er etwas über die Familie sage: Der Bruder wurde im Juli 2004 vom Kölner Landgericht verurteilt, weil er seine Frau verprügelt, vergewaltigt und sie schließlich gezwungen hatte, einen potenziell tödlichen Nikotin-Sud zu trinken, den er mit dem Tabak von 19 Zigaretten gebraut hatte – eine dreifach tödliche Dosis. Die Frau überlebte nur, weil sie es schaffte, sich den Finger in den Hals zu stecken. Seit weit über 20 Jahren sitzt der Mann jetzt schon.

Schon in diesem Verfahren war davon die Rede, dass die Brüder unter brutal harten Erziehungsmethoden des Vaters aufwachsen mussten. Er soll die Kinder mit Elektrokabeln geschlagen haben, wenn sie nicht ordentlich Arabisch oder den Koran gelernt hatten, hieß es damals im Prozess. Für den nächsten Prozesstag wird eine Aussage von Mustafa J. erwartet.

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