Die Wahrheitsfindung im Prozess gegen den mutmaßlichen Peiniger des Bayer-04-Profis gestaltet sich immer zäher.
Prozess in LeverkusenJulian Brandt bringt kein Licht in Erpressungsaffäre um Jonathan Tah

Der Angeklagte im Opladener Gerichtssaal mit seinem Anwalt
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Die Einladung zu seiner alten Wirkungsstätte hat Julian Brandt am Montag nicht angenommen. Strenggenommen war es eine Vorladung, und mit der Wirkungsstätte war auch nicht die Bay-Arena gemeint, sondern das Amtsgericht in Opladen. Dort sollte der Nationalspieler als Zeuge auftreten. Und Richter Thomas Nagel, einer Schöffin und einem Schöffen bei der mühsamen Aufklärungsarbeit helfen. Seit Wochen versucht die Kammer, Licht in die Erpressungsaffäre um Jonathan Tah zu bringen.
Einem Bekannten aus früheren Tagen in Hamburg wirft die Staatsanwaltschaft Erpressung und Bedrohung vor. Es geht um Zehntausende Euro. Außerdem soll Gerardo D. (Name geändert) auf seine albanische Herkunft nebst Kontakten zur Mafia hingewiesen und dem Fußballprofi gedroht haben, man könne ihm in die Beine schießen. Oder in den Kopf. Dazu kamen subtile Drohungen gegenüber der Mutter des Fußballers.
Nicht Täter, sondern Opfer
Der Beschuldigte versucht unterdessen, die Rollen umzudrehen: Er sei nicht Täter, sondern Opfer. Die Erpressung ein Hirngespinst des Staatsanwalts, die auf einer Falschaussage Tahs beruhe. Der Fußballspieler sei „ein Mann mit zwei Gesichtern“. Der Profi sei mit wachsendem Erfolg in „ein toxisches Umfeld“ geraten, so der Angeklagte am Montag.
Die beiden Zeugen, die am Montag vor Gericht erschienen, sollten die Version stützen, die der Beschuldigte vertritt: Er und Jonathan Tah seien über Jahre eng befreundet gewesen. Mehr noch: In seinen Augen hat Gerardo D. Tahs Karriere erst so richtig in Schwung gebracht. Weil er sich an entscheidenden Punkten für das damalige HSV-Talent einsetzte. Eine Wahrnehmung, die der Profi ausdrücklich nicht teilt.
Zwei Kumpels sagen aus
Ein alter Kumpel des Angeklagten aus Hamburg berichtet am Montag von ein paar Treffen mit Tah, die Gerardo D. jeweils eingefädelt habe. Unter anderem geht es um das Match zwischen Bayer 04 und Bayern vor einigen Jahren. Dazu seien sie von Tah eingeladen worden. Einmal sei er auch bei Tah in der Wohnung gewesen. Und dann habe es diese Weihnachtsüberraschung gegeben: Designer-Sneaker von Leandro Lopes habe er auf Geheiß des Angeklagten besorgt. Die hätten Tah sehr gefallen. Insgesamt – und darum ging es Richter Nagel – sei das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und Jonathan Tah „sehr freundschaftlich“ gewesen, urteilt der Zeuge.
Das ist auch die Einschätzung eines Hamburger Ex-Jugendspielers, dem der Durchbruch verwehrt blieb. Der 29 Jahre alte Detmolder gehörte ebenfalls zu denen, die gelegentlich von Tah zu Bundesligaspielen eingeladen wurden, sagt er. Der Kontakt sei jeweils über Gerardo D. zustande gekommen. Sein Urteil, der Angeklagte und der Nationalspieler seien ziemlich beste Freunde gewesen, beruht allerdings eher auf Rückschlüssen und der Beobachtungen auf Instagram und in anderen Sozialen Netzwerken. Die Staatsanwältin zweifelt an der Qualität der Aussage.
Bei beiden Zeugen steht auch die Frage im Raum, wie detailliert sie sich nach der Vorladung mit dem Beschuldigten abgesprochen haben. Das wäre nicht erlaubt. Und Gerardo D. tut ziemlich viel dafür, dass der Prozess maximale öffentliche Beachtung findet. Sogar die Anklageschrift ist offenbar an die Medien geraten. Eine präzise Antwort auf die Frage von Thomas Nagel, ob der Beschuldigte das Dokument verteilt hat, kommt am Montag nicht.