Hinterzogen oder war's die Helferin?Leverkusener Zahnarzt vermisst 200.000 Euro

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Das Leverkusener Amtsgericht. Foto: Ralf Krieger

Das Leverkusener Amtsgericht.

Eine Mitarbeiterin muss sich wegen des Vorwurfs der Untreue einem Leverkusener Zahnarzt gegenüber vor dem Amtsgericht verantworten. 

In Zahnarztpraxen wird viel Geld umgesetzt, aber kann eine Arzthelferin einfach so 200.000 Euro innerhalb von nur drei Jahren einsacken? Und das ohne, dass das der Chef gemerkt haben soll? Oder hat sich der Zahnarzt selbst aus der Bar-Kasse bedient und „vergessen“, diese Einnahmen seinem Steuerberater mitzuteilen und sie somit hinterzogen? In der Leverkusener Praxis, deren Finanzen und Umgang mit Geld derzeit vor dem Amtsgericht ausgebreitet werden, soll der Jahresumsatz bei etwa 500.000 Euro gelegen haben.

Einer Mitte 40 Jahre alten Mitarbeiterin wird Untreue ihrem ehemaligen Arbeitgeber gegenüber vorgeworfen, sie soll das Geld unterschlagen haben. Die Theorie ihrer Verteidiger lautet jedoch: Der Zahnarzt will Steuervergehen aus mehreren Jahren auf die Mitarbeiterin abwälzen, ein ebenso schwerwiegender Vorwurf wie die angeklagte Untreue. Für beide Vergehen, falsche Verdächtigung und Untreue, können Haftstrafen verhängt werden. Am Mittwoch musste der Steuerberater des Zahnarztes vor Gericht seine Zeugenaussage machen.

Läppische Sache mit Interdentalbürsten wuchs zu einem Problem

Die Fehlbeträge in den Abrechnungen waren anlässlich einer Buchprüfung 2020 aufgefallen, die das Finanzamt angesetzt hatte. Fast jedem Freiberufler und Selbstständigen blüht das im Laufe des Berufslebens. Der Steuerberater hatte bei vorbereitenden Arbeiten für die Steuerprüfer zuerst nur eine ganz kleine Unregelmäßigkeit festgestellt: Es fehlten 15 Euro. Patienten hatten an der Theke am Eingang bei der Arzthelferin sogenannte Interdentalbürsten gekauft. Kleine Bürsten für die Zahnzwischenräume, sie kosten keine zwei Euro.

Zwar lagen im Abrechnungssystem der Praxis dafür Rechnungen vor, auf denen offenbar fälschlich vermerkt war, dass die Summe mit der EC-Karte überwiesen worden sei. Fälschlich, denn das Geld fand sich nicht auf dem Betriebskonto. Das sei der Anlass für den Steuerberater gewesen, in die Praxis seines Mandanten nach Opladen zu kommen und andere Buchungen und Rechnungen abzugleichen, sagte der Steuerfachmann aus: „Aus der läppischen Sache mit den Interdentalbürsten haben sich weitere Untersuchungen ergeben“, sagte er.

Der Zahnarzt ist ein penibler und sparsamer Mensch
Der Steuerberater

Man fand riesige Fehlbeträge, die Rede ist von den besagten 200.000 Euro. Für die gab es also Rechnungen, aber keine passenden Eingänge auf dem Konto. Der Zahnarzt habe dann schnell die Helferin verdächtigt. Wieso merkt ein Steuerberater so etwas nicht? Den trifft offenbar keine Schuld; er sagt, er habe nur das Mandat des Zahnarztes, die Steuer für die Praxis zu machen. Dazu betrachtete er die Eingänge und Ausgänge auf dem Firmenkonto.

Das Forderungsmanagement, also den Überblick über nicht gezahlte Rechnungen zu behalten, habe der Zahnarzt selbst gemacht – oder eben nicht. Dass der Computer an der Eingangstheke frei zugänglich war und jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter der Praxis und der Chef selbst freien Zugriff auf die Kasse hatten, ist ein Detail, das in der Beweisführung noch wichtig werden könnte.

Als er von der Verteidigerin Pantea Farahzadi um eine subjektive Einschätzung der Person des Zahnarzts gefragt wird, bezeichnet der Steuerberater ihn als „eher peniblen, sparsamen Menschen“. Können so jemandem 200.000 Euro durch die Lappen gehen? Der Prozess wird fortgesetzt.

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