Landgericht KölnOpfer in Leverkusener Kiosk war nach Messerstich in wenigen Sekunden tot

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Der Angeklagte im Leverkusener Kiosk-Totschlag bespricht sich beim zweiten Verhandlungstag mit seinem Verteidiger.

Der Angeklagte im Leverkusener Kiosk-Totschlag bespricht sich beim zweiten Verhandlungstag mit seinem Verteidiger.

Mehrere Zeugen, darunter Freunde des Verstorbenen, sagten im Landgericht Köln aus. Eine Ohrfeige habe zur Eskalation geführt.

Ein Brustkorbstich mit Herzbeuteltamponade und Innenblutungen. 500 Milliliter Blut im Herz. „Eine unrettbare Verletzung“, erklärt die Gerichtsmedizinerin am Donnerstag, 9. November, im Saal 27 des Landgerichts in Köln. „Das kann man nicht überleben“, führt sie fort.

Woran Viktor D. in der Nacht vom 30. April starb, daran gibt es keine Zweifel mehr. Die tödliche Stichverletzung – neben einer weiteren in die Hüfte – wurde dem 35-Jährigen in einem Kiosk an der Lützenkirchener Straße gegen 3.30 Uhr zugefügt. Laut rechtsmedizinischem Gutachten, das am zweiten Verhandlungstag zu dem Fall vorgestellt wird, sei dafür ein stabiles Werkzeug nötig gewesen. Denn bei dem tödlichen, etwa 17 Zentimeter tiefen Brustkorbstich wurde auch eine Rippe durchbrochen. Dafür müsse kräftig festgehalten und zugestoßen werden.

Mehrere Zeugen waren bei Totschlag in Quettinger Kiosk vor Ort

Wie genau es zu dem tödlichen Brustkorbstich kam, ist bislang unklar. Verdächtigt wird Duygu I., ein Mitarbeiter des Kiosks in Quettingen. Der 58-Jährige sitzt seit dem 30. April in Untersuchungshaft. Ihm wird von der Staatsanwaltschaft Totschlag vorgeworfen.

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Beim ersten Verhandlungstag Ende Oktober wurden mehrere Aufzeichnungen verschiedener Überwachungskameras gezeigt. Sie zeigen, was vor dem Tod von Viktor D. passierte. Ein Streit, gegenseitige Beleidigungen, Handgemenge und wie der 35-Jährige zusammenbricht. Und dass sich in der Nacht nicht nur Duygu I. und der Verstorbene, sondern weitere Männer in dem Kiosk befanden. Der tödliche Messerstich ist jedoch nicht zu erkennen. Er lässt sich höchstens nur erahnen.

Die anderen Männer wurden deshalb zum zweiten Verhandlungstag als Zeugen geladen. Drei von ihnen waren Freunde von Viktor D. Sie erzählen unter anderem, dass Duygu I. von ihm mehrmals als „Hurensohn“ beschimpft und auch bedroht wurde, nachdem dieser ihn ermahnt hatte, seinen Kiosk zu verlassen. Und wie ihr Freund später ausgerastet sei. Aber auch, wie Duygu I. ebenfalls schimpfte. Und mit einem Messer, das er aus einer Schublade hinter dem Tresen hervorholte, drohte.

Zwei Zeugen gingen dazwischen und verpassten Verstorbenen Ohrfeigen

Dass aus Beleidigungen und Drohungen ein Tumult wurde, der für Viktor D. tödlich endete, sei durch einen weiteren Zeugen ausgelöst worden. Ein 40-jähriger Mann, der selbst angibt, am 30. April stark angetrunken gewesen zu sein. Er hätte versucht, Viktor D. zu beruhigen, als der den Kioskmitarbeiter beschimpfte. Dazu gab er ihm eine Ohrfeige – um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, wie der Mann sagt. Ein Freund von ihm, ein ebenfalls als Zeuge geladener Taxifahrer, der gerade Feierabend hatte, sei ebenfalls dazwischen gegangen. Auch er habe Viktor D. eine Schelle gegeben, sagt der Taxifahrer.

Viktor D., der laut eines toxikologischen Gutachtens unter starkem Einfluss von Alkohol (1,9 Promille) und Kokain gestanden haben soll, habe dann wild um sich geschlagen. Auch in die Richtung seiner Freunde, die versucht hätten, dazwischenzugehen. Und auch in Richtung des Angeklagten.

Tatort eines Tötungsdeliktes in Quettingen

In diesem Kiosk hat sich das Tötungsdelikt zugetragen.

Es sei alles ganz schnell gegangen, sagen die Zeugen. Als Viktor D. im Eingangsbereich des Kiosks zusammenbricht, dachten sie, dass es nur durch einen Schlag an den Kopf passiert sei. Dass er zweimal mit einem Messer getroffen wurde, sei nicht zu erkennen gewesen. Das lag unter anderem auch an dem roten Trainingsanzug, den Viktor D. in der Nacht trug, wie einer seiner Freunde vor Gericht erzählt. Die Verletzung hätte nach nur wenigen Sekunden zum Tod des 35-Jährigen geführt, heißt es von der Gerichtsmedizin. Erste Hilfe, die die Beteiligten leisteten, aber auch der Rettungsdienst, hätten nicht mehr helfen können.

Gerichtsmedizin: Wunden und Aussagen widersprechen sich

Der Verteidiger von Duygu I. gab am ersten Verhandlungstag an, dass sein Mandant sich durch einen Schlag an den Kopf, den er von Viktor D. bekam, an keine Details mehr erinnere. Die beiden Stiche könnten eventuell durch „unglückliches Hereindringen“ im Eifer des Gefechts passiert sein. 

Laut der Gerichtsmedizinerin hat Duygu I. aber nur eine leichte Verletzung am Kopf davon getragen. Eine Schürfwunde, statt einer Beule, die durch einen Schlag entstanden wäre. Schnittwunden, die sich der Angeklagte selbst zugezogen hätte, auch nicht. Es wäre ja ein fester Griff am Messer erforderlich gewesen. Eine Ungereimtheit lässt sich vor Gericht nicht auflösen: Die Winkel der Eintrittswunden an Viktor D.s Körper passen nicht zum Größenverhältnis zwischen D. und Duygu I.  Dieser ist mehr als 10 Zentimeter kleiner als das Todesopfer.

Es bleiben auch nach knapp vier Stunden, mehreren Zeugenaussagen und dem Gutachten der Gerichtsmedizin noch viele Fragen offen. Wie es in dem Fall weitergeht, wird sich bereits am kommenden Dienstag, 14. November, zeigen. Dann ist der nächste Verhandlungstag anberaumt.

Anmerkung der Redaktion: Die Namen der Personen wurden geändert.

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