Nach Messerangriff in OpladenWar der 22-jährige Angeklagte bei der Tat schuldfähig?

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Auf diesem Parkplatz des Berufskollegs Opladen wurde im Oktober ein 19-Jähriger lebensgefährlich verletzt.

Leverkusen – Er hat einen Mitschüler seiner Verlobten mit dem Messer attackiert und ihn lebensgefährlich verletzt: Am Montag ging der Prozess um den Angriff eines 22-Jährigen am Berufskolleg in Opladen am 6. Oktober weiter.

Im Fokus stand beim zweiten Prozesstag ein Gutachten: War der 22-jährige Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat schuldfähig? Ein Facharzt für Psychiatrie gab vor der 5. Großen Strafkammer am Kölner Landgericht seine Einschätzung, sowohl was den Drogenkonsum des Mannes betrifft wie auch dessen Lebensumstände.

Es gebe „keine Hinweise auf eine psychische Störung“, erklärte der Gutachter direkt zu Beginn. Gleichwohl gebe es „belastende Faktoren“ wie die Trennung der Eltern und den Tod des Vaters, als der Angeklagte 18 Jahre alt war. Nachdem er die Schule unauffällig durchlaufen hatte, konnte er bei der beruflichen Ausbildung nicht Fuß fassen und war teils ohne festen Wohnsitz. „Er blieb unter seinen intellektuellen Möglichkeiten, es gibt aber keinen Beleg für eine psychotische Störung“, so der Mediziner.

Drogen nachgewiesen

Was den Konsum von Betäubungsmitteln und weiteren Tabletten betrifft, konnten im Blut des 22-Jährigen am Abend des 6. Oktober sowohl ein Schlafmittel wie auch Cannabis und Kokain nachgewiesen werden. „Cannabis ist nicht gerade die Droge, die im Kontext mit Enthemmung steht“, erklärte der Gutachter vor Gericht. Kokain könne zwar in „der Akutphase zu Enthemmung führen“, doch meist in Kombination mit Alkohol, was beim 22-Jährigen nicht der Fall gewesen sein soll. Das Kokain war schon so weit abgebaut worden, dass er bereits „der depressiven Phase“ gewesen sein soll.

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Was den Kontext des Angriffs betraf, legte der Gutachter  das Augenmerk auf die Vorgeschichte und sprach von „Handlungsdelegation“. Die damalige Freundin des 22-Jährigen, seine heutige Verlobte, soll ihm im Vorfeld der Tat geklagt haben, dass sie von ihrem Mitschüler gemobbt werde. Dahinter könne sich die „klassische Ritterhaltung“ verbergen, der 22-Jährige könnte sich „bemüßigt fühlen, seine Freundin zu schützen“, erläuterte der Arzt. Alles in allem gebe es aber keine Hinweise auf eine erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit, betonte er. Somit ist der Angeklagte schuldfähig.

Haftbefehl wurde aufgehoben

Da ihm auch keine erhöhte Gefährlichkeit attestiert wurde und da es auch keine erhöhte Wahrscheinlichkeiten für weitere Handlungen gebe, beantragte die Staatsanwaltschaft den Haftbefehl aufzuheben, was auch im Laufe des Tages geschah.

Es bestehe keine Fluchtgefahr, begründete deren Vertreter den Schritt und auch der Vorwurf eines Tötungsdelikts könne nicht aufrechterhalten werden. Dem 22-Jährigen zugute kommt sicherlich, dass er laut Aussage seines Verteidigers eine Arbeitsstelle bei einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb in Aussicht hat, wo er nach Ablauf des Prozesses anfangen könnte. Am 3. Juni sind die Plädoyers geplant, das Urteil soll ebenfalls Anfang Juni fallen.

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