Pfadfinder nehmen sich des zugewachsenen jüdischen Friedhofs an.
Jüdischer FriedhofLeverkusener Pfadfinder machen den Ort wieder schön

Erwachsene und Jugendliche vom Pfadfinder-Stamm Orion aus Mathildenhof haben sich an die Arbeit gemacht und versuchen, den jüdischen Friedhof in Opladen wieder in Ordnung zu bringen.
Copyright: Ralf Krieger
Man kann gar nicht sagen, ob das Pfadfindermotto „Jeden Tag eine gute Tat!“ hier ausreicht: Elf Pfadfinder des Leverkusener Stamms „Orion“, Erwachsene, Jugendliche und Kinder, versuchten am Freitag, ein wirklich ausgewachsenes Problem in den Griff zu bekommen: Den über Jahre gewachsenen Grünbewuchs auf dem jüdischen Friedhof in Opladen zu kürzen.
Es ist keine kleine Aufgabe: Nachdem dort vor Jahren Bäume gefällt wurden, wuchert eine sich zunehmend verfilzende Grasmatte über Wege und Grabeinfassungen. Selbst flache Grabsteine sind schon verschluckt. Efeu, das dem Friedhof zuvor eine romantische Optik gab, ist vom Licht-liebenden Gras gänzlich verdrängt worden. Efeu gedeiht am besten im Schatten.
Den Anstoß zu der Aktivität gab ein Artikel, der im August im „Leverkusener Anzeiger“ erschienen war. In dem hatten Renate Kretschmer und Günter Junkers den Zustand des jüdischen Friedhofs in Opladen beklagt. Für die Pflege ist eigentlich der Leverkusener Verein Davidstern zuständig. Wegen des Alters ihrer Mitglieder können sie die Arbeit nicht mehr leisten, sagen sie.
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Burkhard Hinz (rechts) vom Pfadfinder-Stamm Orion aus Mathildenhof hat ein Konzept erarbeitet.
Copyright: Ralf Krieger
Die Pfadfinder von Orionsetzten sich mit Davidstern in Verbindung und boten ihre Hilfe an.
Regeln auf dem Friedhof: Kopf bedecken und nicht essen
Die Idee sei angekommen, sagt Pfadfinder Burkhard Hinz, er gehört zur Erwachsenengruppe der Pfadfinder. Die Gruppe erhielt einen Schlüssel. Ein Konzept wurde geschrieben, der Zustand der Hecken und Gebüsche dokumentiert. Nach ein paar Jahren steht zum Beispiel schon hoher Ginster auf einer Ecke auf den Gräbern, auf einem Grab steht eine schon zwei Meter hohe Robinie. Zum Projekt gehören Recherchen, was auf jüdischen Friedhöfen erlaubt, was tabu ist: Zum Beispiel sollte man an den Gräbern nichts essen, dazu sollte man den Freidhof verlassen. Männer sollten etwas auf dem Kopf tragen, das muss kein Hut sein, ein Basecap ist vollkommen in Ordnung.
Der Friedhof, auf dem seit fast 200 Jahren Opladener, später Leverkusener Juden bestattet wurden, ist ein wichtiges Denkmal in der Stadt und wenn man ihn der Natur überließe, verschwände er mit den Jahrzehnten und würde zu einem Bodendenkmal. Aber er ist nicht nur Denkmal, sondern gleichzeitig Gedenkstätte für die ermordeten Leverkusener Juden, der Friedhof ist offen. Das bedeutet nicht, dass das Tor geöffnet ist, das ist aus gutem Grund normalerweise abgeschlossen. Offen bedeutet, dass an dem Ort theoretisch Bestattungen stattfinden können. Der Opladener Friedhof ist erst seit etwa zehn Jahren wieder offiziell für Bestattungen geöffnet.

Unter der Eibe steht eine Gedenkstele mit den Namen derer, die auf dem Friedhof bestattet sind.
Copyright: Ralf Krieger
Rasenmähen ist und bleibt für viele Männersache, das war am Freitag auch bei den Pfadfindern zu beobachten, die zwei eigene Benzinrasenmäher von ihrem Hauptquartier in Mathildenhof mitgebracht hatten. Andere jäteten in aufopferungsvoller Weise Gräber, die eigentlich nicht bepflanzt werden, aber durch die Vernachlässigung dichte, natürlich gewachsene Vegetationsschichten haben. Der Anstoß für das Projekt kam von den Erwachsenen im Stamm Orion.
Viel Arbeit leisteten am Freitag auch die Freiwilligen der Jugendabteilung, die von Verena Rothschuh (21) geleitet wird. In der Pfadfinderbewegung spiele Hilfsbereitschaft eine große Rolle, sagt sie und körperliche Aktivität im Freien sei Pfadfindern nicht fremd. Sie sagt, während sich die Benzinmäher durch den Grasfilz arbeiten: „Schade, dass der Friedhof so verkommen ist, jeder hat verdient, einen schönen Ruheplatz zu haben.“
Am 10. November, nach 13 Uhr, steht das Friedhofstor offen, Schülerinnen und Schüler des Landrat-Lucas-Gymnasiums haben eine Recherche zu dem Schlebuscher Leo Rosenthal, einem der Bestatteten, gemacht und wollen etwas vortragen.
Ältestes Grab von 1855
Seit 1833 wurden von der Opladener Gemeinde verstorbene Mitglieder auf dem Friedhof an der Robert-Blum-Straße bestattet (früher Quettinger Weg). Als vorerst letzter wurde Leo Rosenthal 1939 beerdigt. Nationalsozialisten zerstörten in ihrem Judenhass eine Vielzahl von Grabsteinen. 1969 soll es eine weitere Schändung des Friedhofs gegeben haben. Der heute älteste Grabstein stammt, ist mit 1855 datiert. Leverkusen hat seit der Nazizeit keine eigene jüdische Gemeinde mehr. Diejenigen Leverkusener Juden, die heute in ihrem Verein Davidstern organisiert sind, gehören zur Düsseldorfer Jüdischen Gemeinde.

