Bilanz nach drei Jahren CoronaLeverkusener Amtsarzt: „Eine neue Pandemie wird kommen“

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Martin Oehler in weißem Arztkittel mit Stiften in der Brusttasche in einem Behandlungszimmer oder Labor.

Martin Oehler, Amtsarzt in Leverkusen

Der Leverkusener Amtsarzt Martin Oehler rechnet mit weiteren Pandemien, sieht Leverkusen aber besser aufgestellt als zu Beginn von Corona. 

„Eine neue Pandemie wird mit Sicherheit kommen“, sagte Martin Oehler. Der Chef des Leverkusener Gesundheitsamts hat im Gesundheitsausschuss über die vergangenen drei von Covid-19 geprägten Jahre Bilanz gezogen. Eine vorläufige, wie er betonte. Zwar könnten Infektionswellen fortan weniger gefährlich sein, sie müssten es aber auch nicht. Und die Pandemie gehe fortan auch nicht in eine Endemie über: Die Gegenüberstellung der Begriffe trage nicht bei Covid-19, sagte Oehler, „im Grunde ist jede Variante, die die Dominanz übernimmt, eine Pandemie.“ Sie wechsle sich ständig mit der Endemie einer anderen Mutation ab.

Aber Deutschland bekämpfte und bekämpft das Virus mit diversen Maßnahmen, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Der Gesundheitsamtschef blickte zurück und bewertete sie für Leverkusen. Die erste Kategorie an Strategien nannte er das „Eindämmen“, hauptsächlich durch Quarantäne und Lockdowns. Den internationalen Reiseverkehr einzuschränken, hielt der Arzt für einen richtigen Schritt. Dass die Einreiseverordnung gekippt wurde, für fatal: „Das hat einige Menschen das Leben gekostet.“

Gesundheitsamtschef: Superspreading-Events seien ein Mythos

Welchen Effekt Lockdowns hatten, lasse sich nun schwer feststellen, weil Maßnahmen nicht einzeln, sondern gebündelt umgesetzt wurden. Trotzdem hält Oehler „Superspreading-Events“ im späteren Verlauf der Pandemie für einen Mythos. Die Tröpfchen und Aerosole seien zunächst auf Feiern, dann aber vermehrt am Arbeitsplatz, besonders in Pausenräumen und Toiletten, übertragen worden. Auch die Infektion in Schulen bezeichnete Oehler als nicht relevant. Ein Argument, so zeige es die Forschung jetzt, das gegen erneute Schulschließungen spricht.

Die zweite Art an Strategien: Erkennen, durch aktive Fallsuche. Bekanntes Schlagwort hierfür ist die 7-Tage-Inzidenz. Oehler nennt sie auch die „Search and Destroy“-Strategie, suchen und zerstören. Infektionsketten radikal unterbrechen. Das sei in Leverkusen besonders gut geschehen. Und daraus seien die Phasen vergleichsweise hoher Inzidenzen entstanden, weil man so viele Fälle gefunden hatte. Was zunächst ein schlechtes Licht auf die Stadt im bundesweiten Schnitt geworfen hatte, sei eine Stärke gewesen, sagte Oehler, denn dadurch seien weniger Menschen gestorben. 204 an oder mit Corona waren es in Leverkusen laut RKI-Statistik bis heute.

Martin Oehler: Impfen und Masken die effektivsten Strategien

Die dritte Strategie-Gruppe: Schützen, vor allem vulnerable Gruppen. Das sei auch am effektivsten gewesen, das Impfen und Maske tragen. „Patienten im Krankenhaus mit Corona haben fast ausschließlich den zweiten Impfstatus, keinen Booster“, sagte Oehler.

Für die zu erwartenden künftigen Pandemien sei der Gesundheitsdienst in Leverkusen jetzt immerhin besser aufgestellt. Die neue Struktur der Behörde, sagte Oehler, setze auf digitale Nachverfolgung der Kontaktpersonen und eine bessere Krisenkommunikation mit der städtischen Corona-Hotline. Allerdings hat auch diese zumindest in der Infektionswelle im Dezember 2021 nicht alle Anrufe nachverfolgen können. Die Stellen waren im Sommer 2020 aufgestockt worden. „Und die bleiben auch“, sagte Oehler, „sodass wir mit den Ukraine-Flüchtlingen jetzt zwei Krisen gleichzeitig bewältigen können.“

Oehler sagte im Ausschuss, das Vertrauen der Bevölkerung in Gesundheitsämter habe dennoch zugenommen. Deshalb forderte er die Politik auf, den Medizinischen Dienst, wie er in Leverkusen offiziell heißt, auch Gesundheitsamt zu nennen.

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