Die Italienerin Maria Fiorentino war die einzige Produktionsmitarbeiterin in der Freudenthaler Sensenfabrik. Das Museum widmet ihr jetzt eine Ausstellung.
Neue AusstellungWie Maria Fiorentino zur einzigen Sensenschleiferin in Schlebusch wurde

Maria Fiorentino begrüßt die Ausstellungsbesucher im Sensenhammer auf einem großen Foto.
Copyright: Peter Seidel
Maria Fiorentino begrüßt den Ausstellungsbesucher freundlich lächelnd am Anfang der Ausstellung im Freudenthaler Sensenhammer. Fast lebensgroß ist die alte, schwarz gekleidete Frau in dem beleuchteten Bildkasten abgebildet. Fiorentino nimmt Besucherinnen und Besucher mit zu einer kleinen Reise durch ihr Leben als Arbeitsmigrantin: „Maria Fiorentino – Schleiferin, Gastarbeiterin, Mitbürgerin, Mensch“.
Das Ganze ist eine Zeitreise: in das Leverkusen der 1960er und 1970er Jahre, als im Straßenbau, bei Wuppermann oder Textar kräftige Hände für einfache Arbeiten gebraucht wurden. So auch in der Sensenfabrik H.P. Kuhlmann Söhne. Davon hören Maria und ihr Mann Antonio Fiorentino 1969. Die beiden stammen aus dem kampanischen Weiler Biancano bei Limatola im Hinterland von Neapel. Sie hatten schon Erfahrung als Arbeitsmigranten in Frankreich und der Schweiz gesammelt, wo sie jeweils ein paar Monate als Saisonarbeiter angepackt hatten. Der Gang nach Schlebusch bietet für das junge Ehepaar und seine schließlich drei kleinen Söhne gegenüber der Arbeit in der Schweiz und Frankreich aber einen großen Vorteil: Die Unternehmer Hans Schäperclaus und Heinrich Kuhlmann III. bieten ihnen feste, unbefristete Arbeitsverträge an.
Und so treten sie die weite Reise nach Deutschland an und arbeiten beide in der Fabrik an der Dhünn, obwohl sie von Metallverarbeitung keine Ahnung haben. Die nötigen Kenntnisse gucken sie sich bei den Facharbeitern ab. Ein Foto aus der Zeit Anfang der 1970er Jahren zeigt Maria und Antonio in der Ausstellung im Kreis ihrer Kollegen. Maria ist die einzige Frau auf dem Bild. Auf einem anderen stehen Maria und Antonio mit zwei ihrer Jungen vor dem Auto der Familie. Das italienische Paar, beide aus armen Verhältnissen, dürfte stolz gewesen sein, dass es sich mit eigener Hände Arbeit sogar ein Auto leisten konnte.
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Ein Foto der Belegschaft aus den 1970er Jahren. Maria Fiorentino ist die einzige Frau auf dem Bild.
Copyright: Peter Seidel
1975 jedoch verunglückt Antonio auf Heimaturlaub tödlich mit dem Wagen. „Da hat Maria Fiorentino überlegt, was sie nun machen soll als alleinstehende Frau mit drei kleinen Jungen“, erzählt Museumsleiter Jürgen Bandsom bei einem Gang durch die Schau, während noch an deren Aufbau gearbeitet wird. Fiorentino entscheidet sich in Schlebusch zu bleiben und weiter in der Fabrik zu arbeiten, weil sie weiß, dass sie so ihre Kinder würde ernähren können. Und die Eigentümer der Sensenfabrik unterstützen sie. Sie kann ein kleines Haus direkt neben der Fabrikhalle beziehen. So hat sie immer die Möglichkeit, zwischendurch mal nach ihren Jungen zu sehen.
Leverkusen: Auch Menschen im Fokus
Fotos aus der Zeit zeigen Fiorentino schwarz gekleidet mit schwarzem Kopftuch, wie sie an einem Schleifstein das Blatt einer Sense schärft. „Uns ist es wichtig, neben der historischen Technik, die wir hier erhalten, auch immer wieder zu erzählen, wer die Menschen waren, die hier gearbeitet haben“, erläutert Bandsom die Motivation für die Ausstellung über Fiorentino. Die im Übrigen in ein Jubiläumsjahr fällt: 1955, vor 70 Jahren, schloss Deutschland mit Italien das erste Anwerbeabkommen für Arbeitskräfte.
Die informative und unterhaltende Ausstellung arbeitet nicht nur mit Fotos aus dem Leben Maria Fiorentinos. Auf großen Schautafeln geht es um Begriffe, Migration zum Beispiel. Oder Heimat. Bandsom: „Für Maria Fiorentino war Schlebusch ihr Zuhause, ihre Heimat blieb immer das kleine Dorf bei Neapel.“ Ein Film zeigt, wie das Leben dort zuging, wenn mal wieder der Strom ausfiel und die Frauen gezwungen waren, ihre Wäsche auf den historischen Waschsteinen im Zentrum des Dorfes zu waschen. Einige der Frauen tragen ihren Wäschekorb auf dem Kopf. So wie Maria Fiorentino ihre Einkaufstasche transportierte, wenn sie vom Supermarkt in Schlebusch über den Hammerweg nach Hause ging. Ein anderer Film dokumentiert Aussagen von Arbeitsmigranten in Deutschland darüber, wie es ihnen in dem fremden Land geht.
Fiorentino bleibt in Schlebusch und wohnt weiter auf dem Gelände der Sensenhammerfabrik, auch nachdem diese 1987 geschlossen wird. Auch ihre Söhne bleiben in Deutschland. Viele in Schlebusch kennen die alte Frau, die immer Schwarz trägt. Spaziergänger grüßt sie vor ihrem Haus sitzend freundlich und lädt auf eine Tasse Kaffee ein. Zwar lernt sie nie richtig Deutsch, aber ihrem bezaubernden Lächeln kann man sich nicht entziehen.

Museumsleiter Jürgen Bandsom freut sich auf die Ausstellungseröffnung am Sonntag. Zwei der drei Söhne von Maria Fiorentino werden dabei sein.
Copyright: Peter Seidel
2006 wird im Sensenhammer sogar ein Theaterstück über das Leben der damals 70-Jährigen aufgeführt. „Metallic blau“, heißt es, weil sich für sie das Leben blau anfühlte: „Azzurro come il cielo“, blau wie der Himmel über ihrem Dorf. 2020 stirbt sie, sie wird, wie ihr Mann, in ihrem Heimatort begraben. „Als wir erzählt haben, dass wir eine Ausstellung über sie machen, haben sich viele gefreut“, sagt Bandsom.
Vernissage am Sonntag, 29. Juni
Die Vernissage der Ausstellung „Maria Fiorentino – Schleiferin, Gastarbeiterin, Mitbürgerin, Mensch“ ist am Sonntag, 29. Juni, 11 Uhr. Die Eröffnungsansprache hält Bürgermeisterin Zöhre Demirci. Die Ausstellung ist bis Sonntag, 5. Oktober, zu den Öffnungszeiten des Museums zu sehen: Dienstag und Donnerstag 10 bis 13 Uhr, Mittwoch 15 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag von 10 bis 17 Uhr.