Szenario bei LanxessWas ein Gas-Embargo im Leverkusener Chempark anrichten würde

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Werk für Werk müsste vom Netz, wenn es kein Gas mehr aus Russland gäbe. Lanxess-Chef Matthias Zachert macht das wütend. 

Leverkusen – Die nächste wahrscheinliche, aber noch nicht beschlossene Eskalationsstufe der Russland-Sanktionen würde Lanxess ins Mark treffen. Und dafür sorgen, dass im Chempark Werk für Werk vom Netz geht. Früher oder später, je nachdem, wie viel Energie es braucht.

Lanxess-Chef: Wenn wir stehen, steht die Industrie

Das wäre nicht nur schlecht für den Spezialchemie-Konzern, die Beschäftigten und die Bilanz. Sondern für das gesamte Land. „Wir stehen am Anfang der Kette. Wenn wir stehen, steht die ganze Industrie“, unterstrich am Donnerstag Vorstandschef Matthias Zachert.

Lanxess habe seit dem Putin-Angriff auf die Ukraine seine 53 Niederrhein-Werke „Site by Site analysiert“, berichtete Zachert, als er die Zahlen für das erste Quartal im Detail vorstellte. Das habe zwar „zwei Monate intensive Arbeit“ gekostet – dafür sei sein Konzern offenbar besser auf ein weiteres Energie-Embargo vorbereitet als viele andere, „die das erst noch leisten müssen“. Was es kosten würde, womöglich mit der Hälfte des Gases auszukommen, hat der Lanxess-Vorstand auch mal rechnen lassen: 80 bis 120 Millionen Euro, auf ein Jahr gerechnet – Ergebnis, nicht Umsatz.

Bürrig ist ein Problem für Lanxess

Weil das Entsorgungszentrum in Bürrig nach der Explosion im vorigen Juli noch nicht wieder läuft, sei es für Lanxess „immens komplex“, seine Produktionsabfälle aus dem Chempark loszuwerden, sagte Vorstandschef Matthias Zachert am Donnerstag. Das sei ein „logistischer Kraftakt“, auf den man am größten Produktionsstandort des Konzerns gern verzichten würde. „Wir hoffen, dass – in Teilschritten und natürlich unter Auflagen – die Verbrennungsanlage bald wieder angefahren wird.“ (tk)

Das Problem: Nur noch ein Teil des Dampfes, den Lanxess vor allem für seine Produktion braucht, produziert der Chempark-Betreiber noch mit Kohle. Für den Rest wird Gas gebraucht. Was mit Blick aufs Klima, also den CO2-Ausstoß eigentlich eine gute Nachricht ist, verkehre sich durch den „schrecklichen Aggressionskrieg dieses Massenmörders Putin“ tragischerweise gerade ins Gegenteil: Weil man die Dampferzeugung technisch zwar von Kohle auf Gas, aber nicht von Gas auf Kohle umstellen könne, müsse Lanxess darüber nachdenken, den eigenen Kohle-Ausstieg aufzuschieben. Der soll deutlich vor 2038 sein.

Ob das bei akutem Gas-Mangel zu halten ist, sei fraglich, sagte Zachert. In ein paar Monaten werde das mit Currenta durchgesprochen. Kein Kohle-Ausstieg bedeute 200.000 bis 250.000 Tonnen mehr CO2 im Jahr: „Mir würde das sehr weh tun.“

Abhängigkeit ist tragisch

Aus heutiger Sicht sei der zeitgleiche Ausstieg aus Kohle und Kernkraft und die folgende „brutale Abhängigkeit“ von vor allem russischem Gas „blauäugig“, kritisierte Zachert. Und legte nach: „Wenn ich meinen Konzern auf nur einen Lieferanten ausgerichtet hätte, müsste ich aus meinem Job rausgeschmissen werden, bevor es zum Total-Crash kommt.“

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Von den Aufhol-Effekten nach Corona, die sich positiv in den Zahlen des ersten Quartals niederschlagen, war kaum noch die Rede. Dabei bilanziert der Konzern mit reichlich 2,4 Milliarden Euro fast 44 Prozent mehr Umsatz als im vorigen Jahr, und das Ergebnis vor Steuern und Sondereinflüssen liegt mit 320 Millionen Euro um gut 32 Prozent besser.

Weil Lanxess – anders als Covestro – kein gigantisches Werk in Schanghai hat, leidet der Chemie- im Gegensatz zum Kunststoff-Konzern auch nicht so unter dem erneuten Lockdown. Die fundamentalen Einschränkungen in China werden deshalb bei weitem weniger auf das Geschäft und die Zahlen durchschlagen – da ist Zachert sicher. Was die Inflation anrichten wird, ist weniger absehbar.   

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