Patriarchale Stereotype und Selbstzweifel: Auf dem Weg zur Bekanntheit musste Iman Hadad viele Hindernisse überwinden. Ein Porträt.
Tänzerin im PorträtWie eine Leverkusenerin es auf die internationale Bühne schaffte

Iman Hadad möchte bei jedem Auftritt ihre Emotionen vermitteln, wie hier bei der Düsseldorfer „Nacht von Beirut“.
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Kurz bevor der Vorhang fällt, gehen Iman Hadad immer dieselben Fragen durch den Kopf: Kann ich das wirklich? Wie reagiert das Publikum? Sitzt das Outfit richtig? Das Lampenfieber ist auch nach 18 Jahren Bühnenerfahrung noch da. Doch was auch geblieben ist, ist die scheinbar automatische Wandlung fünf Sekunden vor dem Auftritt. Die Schultern gehen nach hinten, der Brustkorb nach oben: „Davor bin ich Iman. Sobald die Musik losgeht, kommt dieses totale Selbstbewusstsein. Dann ist Iman Hadad da.“
Orientalischer Tanz kennt keine Regeln
Diese Iman Hadad ist eine weltweit anerkannte Künstlerin der orientalischen Tanzszene, was auch als Bauchtanz bekannt ist. In Ägypten und China ist sie bereits aufgetreten. Für ihre selbst organisierten Festivals fliegt sie internationale Größen aus den Vereinigten Staaten, Argentinien und Ägypten ins Rheinland ein. Seit etwa zehn Jahren ist ihr Zuhause in Leverkusen.

Iman Hadad fühlt sich in Leverkusen wohl.
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Für ihre Auftritte benötigt Hadad keine sorgfältig einstudierten Choreografien. Die Bewegungen entspringen aus ihrer Intuition: „Die Musik kenne ich davor. Dann weiß ich, dass zu der Melodie dieser Move passt, danach könnte ich so tanzen. Der Rest fügt sich einfach.“
Der orientalische Tanz macht das erst möglich. „Es gibt keine Regeln oder Gesetze. Egal welches Geschlecht, welche Körperform oder Aussehen: Man braucht nur Spaß und Begeisterung für den Tanz und die Musik“, erklärt sie: „Das ist das Schöne daran.“
Tanz vermittelt Emotionen und Haltung
Beim Tanzen will Hadad immer etwas vermitteln. Was das ist, hängt von ihrer momentanen Gefühlslage und Lebenssituation ab: „Wenn zum Beispiel gerade viel über die Emanzipation und Gleichstellung der Frau gesprochen wird, dann suche ich mir dazu passende Lieder aus und versuche meine Haltung zu vermitteln und zu zeigen, auf welcher Seite ich bin.“
„Wegen der Religion“, erklärt Hadad, komme es selten vor, dass orientalische Frauen auch orientalischen Tanz in knapper Bekleidung aufführen. Daher fühle sie sich vor muslimischem Publikum oft nicht verstanden.
Orientalische Tanzszene in Deutschland ist klein
Geboren ist sie in Beirut, Libanon. Als sie drei Jahre alt war, zog ihre Familie nach Deutschland. „In orientalischen Ländern feiern Frauen Partys separat von Männern. Da habe ich immer gerne getanzt und immer weiter gemacht vor dem Spiegel, irgendwann bin ich lokal aufgetreten.“ Ihre Freunde konnten ihren ersten Auftritt kaum erwarten.
Im Düsseldorfer Tanzhaus NRW lernte sie ihre Mentorin, die mittlerweile über 70 Jahre alte Indonesierin Manis Sjahroeddin, kennen. Sie verhalf Hadad zum Sprung auf größere Bühnen. Die orientalische Tanzszene ist im Rheinland wie in Deutschland klein im Vergleich zu anderen Tanzstilen. Das versucht Hadad zu ändern.
Steile Lernkurve für Iman Hadad
Die lokale Künstlerin Barbara Gorel bewundert Hadad dafür, mit der sie seit vielen Jahren befreundet ist: „Niemand organisiert Tanz-Festivals, also macht sie es. Das ist sehr mutig.“ Gorel besucht viele ihrer Auftritte. Hadad ist eine der lokalen Künstlerinnen, die Gorel in einem Buch vorstellt.

In der Leverkusener Stadtbibliothek trat Iman Hadad bei einer Veranstaltung von Barbara Gorel (l.) auf.
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Bei der Festival-Organisation musste Hadad eine steile Lernkurve hinlegen. Ihre erste Show „Hafle Lebanese“ war für sie enttäuschend. Wenige Besucher, schlechte Organisation. Doch anstatt aufzugeben, spornte der Misserfolg sie an: „Ich wollte meinen Ruf wieder verbessern, mich beweisen. Ich wollte etwas machen, was zuvor niemand gemacht hat.“
Tanz-„Legenden“ reisen für Hadad an
Zu dem Zeitpunkt war ihr Idol, „die Legende“ Fifi Abdou, wie Hadad sie nennt, noch auf keiner deutschen Bühne aufgetreten. „Es hatte sie einfach niemand eingeladen, obwohl sie seit Jahren berühmt ist.“ So nahm Hadad ihren Mut zusammen, schickte die Einladung ab und wurde belohnt: Nicht nur die ägyptische „Legende“, sondern 30 weitere internationale Tänzerinnen und Tänzer traten 2017 bei Hadads „Queen of the Orient Festival“ in Solingen auf.
Die nächste Auflage in Leverkusen war ebenso erfolgreich: „Dann war der Hype da“, beschreibt es Hadad. Die Miete der Veranstaltungsorte und Reisekosten der Künstler bezahlt Hadad aus eigener Tasche, sagt sie.
Abseits der Bühne „eine andere Person“
In ihrem Privatleben ist Hadad „eine andere Person“, erzählt sie. In ihrem Küppersteger Zuhause kümmert sie sich um ihre 20-jährige Tochter und ihren 17-jährigen Sohn, die nicht tanzen. Unter Freunden ist sie introvertiert, wie auch Gorel bezeugen kann. „Auf der Bühne ist sie da, aber sonst ein bisschen schüchtern und zurückhaltend. Sie bleibt aber immer authentisch“, weiß Gorel zu schätzen.
In der Tanzszene möchte Hadad einen dauerhaften Eindruck hinterlassen. Dafür plant sie schon das nächste „Queen of the Orient Festival“. Außerdem möchte sie sich mit den besten Tänzerinnen und Tänzern der Welt messen. Am liebsten auf südamerikanischen Bühnen, wo das Niveau am höchsten sein soll. Auch wenn dann wieder das Lampenfieber kommt, ist sie sich sicher, wird die selbstbewusste Tänzerin Iman Hadad da sein, sobald der Vorhang fällt.