Wirtschaftsförderung LeverkusenAbwerbe-Briefe provozieren im Ruhrgebiet

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In den Bürogebäuden, die die Stadt von Bayer übernimmt, wäre Platz für neue Unternehmen, natürlich ohne Produktion

Leverkusen – Das „Projekt 250 Punkte“ sorgt für Ärger im Ruhrgebiet. Denn die Wirtschaftsförderung hat dort Unternehmen angeschrieben und für einen Umzug nach Leverkusen geworben. Dabei geht es gar nicht darum, ganze Firmen aufzunehmen, sondern nur gewisse Teile. „Wie Sie wissen, ist ein Umzug mit dem ganzen Betrieb nicht erforderlich, um in den Genuss der günstigen Gewerbesteuer zu kommen“, heißt es in dem Schreiben, das vom WfL-Interims-Chef und Stadtkämmerer Markus Märtens unterschrieben ist. Je nach Aufbau der Firmen sei es ja ohne weiteres möglich, „Teile des Gewerbesteueraufkommens zu verlagern, ohne den operativen Betrieb zu berühren“. Anders gesagt: Es reicht, mit ein paar Büros an den Rhein umzuziehen.

Am Wochenende machte Friedrich Busch (FDP) die Angelegenheit öffentlich, schließlich hat die Abwerbe-Aktion im Ruhrgebiet hohe Wellen geschlagen. Die Oberbürgermeister von Dortmund und Herne, Thomas Westphal und Frank Dudda (beide SPD) haben Wind von dem Angebot bekommen und sind sauer. Dudda spricht von „Kannibalismus“, Westphal äußerte sich in der „WAZ“ so: „Die Aktion der Stadt Leverkusen spricht für die Ratlosigkeit, die dort ausgebrochen zu sein scheint.“

Friedrich Busch wundert sich nicht

Freidemokrat Busch, der zu der erdrückenden Mehrheit im Stadtrat gehört hatte, die im Dezember 2019 für die Beinahe-Halbierung des Gewerbesteuer-Hebesatzes von 475 auf 250 Punkte gestimmt hatte, ist nicht überrascht, dass der WfL-Vorstoß im Ruhrgebiet für ganz schlechte Stimmung sorgt.

Schon die Art der Ansprache sei ziemlich unglücklich: Wenn man gezielt bei Unternehmen um einen Umzug werbe, dann seien persönliche Gespräche sicher angemessener als ein Brief. Gerade in der Corona-Krise, die in vielen Städten das Gewerbesteuer-Aufkommen noch viel stärker hat einbrechen lassen als in Leverkusen, seien Abwerbe-Versuche nicht gerade glücklich. Das Vorgehen sei in jedem Fall „diskussionswürdig“, so Busch.

WfL sieht Werbung als Kernaufgabe

Die Wirtschaftsförderung sieht das ganz anders. Es sei schließlich ihre Kernaufgabe, „den Standort mit seinen unterschiedlichen Standortvorteilen wie verkehrsgünstigen Lagen, im Vergleich günstige Gewerbeflächen zu bewerben“. Der seit Anfang 2020 geltende, niedrige Hebesatz für die Gewerbesteuer gehöre ganz klar dazu. Das sei ein Kriterium, „über den bereits andere Kommunen in Standortkonkurrenz zu Leverkusen verfügen“. Mit dem „Projekt 250 Punkte“ reagiere „Leverkusen auf erlittene Standortnachteile durch mitbewerbende Kommunen“, hieß es.

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Unterdessen wünscht sich die Bürgerliste eine gänzlich andere Ansiedlungspolitik. Leverkusen solle Unternehmen anlocken, die mit Geschäftsmodellen aus dem Bereich der Kreislaufwirtschaft dafür sorgen, dass nachhaltiger gewirtschaftet wird. Dazu sollen Umweltdezernat und WfL mit dem in solchen Fragen erfahrenen und renommierten Wuppertal-Institut zusammenarbeiten, steht in einem Antrag von Montag. Das sei viel besser, als ein „sozialpolitisch fragwürdiges“ Steuerspar-Modell für Unternehmen zu bewerben.

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