Wohnungslos in LeverkusenPascal Asmus lebt in Zelthütte auf der Straße – und soll weg

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Pascal Asmus steht vor seinem Zeltbau am Kulturausbesserungswerk. 

Leverkusen – Man kennt solche Behausungen bisher kaum aus Deutschland, eher schon sind sie in Dokumentationen aus viel ärmeren Teilen der Welt zu sehen: Plastikplanen über einem selbst gezimmerten Rahmen aus Bauholz, an der einen Seite ein Bauzaun aus Metall mit einer Plane als Sichtschutz, ein Stück orange Plane von einem Zelt aus den 70er Jahren, ein gebrauchtes Stück PVC-Boden.

Dann Metallkörbe, Styroporplatten als Dämmmaterial, Werkzeug, ein Tisch, ein Einkaufswagen, Fahrradteile, Fahrräder, Metallstangen, ein Stück Makrolon. Aber auch Müll und jede Menge Kunststoff-Kram. Das meiste dürfte vom Sperrmüll oder von Baustellen stammen. Er frage auf Baustellen, ob sie was für ihn hätten, sagt Pascal Asmus.

Opladen: Provisorisches Schlaflager neben Autobatterien

Der Bewohner bittet den Reporter freundlich, einzutreten und bietet einen Platz auf einem Bürostuhl unter der Dachplane an. In der Behausung steht ein zweiter Werktisch mit allerlei Sachen. Neben einem provisorischen Schlaflager, bestehend aus Kissen, Dämmung, Schlafsack und einem Flokati stehen zwei Autobatterien, die über eine Verdrahtung einen Tablet-Computer mit Strom versorgen. „Das läuft auf zwölf Volt, ich habe aber auch einen Wandler, um 220 Volt zu erzeugen“, sagt er. An einer Seite hängt ein Kinderporträt, das ist seine Tochter.

Das hier sei sein frei gewählter Wohnort, sagt Asmus. „Sie können mir das schönste Hotel anbieten, ich würde nicht tauschen, ich bin hier zufrieden“. Und er schiebt später nach: „Ich muss jeden Tag meine Komfortzone durchbrechen“, also bewusst verzichten. Wasser bekomme er von einem Außenhahn am Kindergarten, duschen könne er schon mal bei Bekannten.

Nach einigen Nachfragen erzählt er schließlich, er habe seine Monheimer Wohnung vor drei Monaten verloren: wegen Mietrückstands. Er ist kein Obdachloser, wie man sich das gemeinhin vorstellt; aber wohnungslos.

Wohungslos in Leverkusen: Ein Unterschlupf an der Schallschutzwand

Jetzt lebt er an der Schallschutzwand, die den Hof des Kulturausbesserungswerks in Opladen von den Häusern der Bahnstadt-Siedlung trennt.

Sein Ziel sei Spanien, die Strecke will er bald tatsächlich mit einem der Liegeräder fahren, die vor seiner Planen-Hütte stehen und an denen er bastelt. Man glaubt dem 35-jährigen, kräftigen Mann, dass er die Strecke schaffen kann. Einige Dinge will er mit seinem selbst gebauten Rad-Anhänger mitnehmen, der mit seinem Holzrahmen zwar wackelt wie ein alter Kinderwagen aus den 1960ern, der aber locker 100 Kilo tragen kann.

Selbstständig in der PR-Branche

Er sei selbstständig, in der IT-Branche, möchte in Spanien im PR-Agenturbereich für den Tourismus arbeiten. Pascal Asmus spricht die Sprache der PR-Branche, die Vokabeln. Er sagt: „Man muss sich verkaufen.“

Sein Linkedin-Profil weist ihn als Inhaber zahlreicher IT-Zertifikate aus. Von „Digital Marketing“ über „Künstliche Intelligenz – Grundwissen für Manager und Führungskräfte“ bis hin zu drei Zertifizierungen, die er bei Google als Online-Prüfungen bestanden hat. Diese Bildungskarriere hat erst nach der Schule begonnen. Er sagt, dass er in letzter Zeit 25.000 Euro in Persönlichkeits- und Weiterbildung investiert habe.

Er sei wegen eines Sprachproblems zur Comenius-Förderschule in Steinbüchel gegangen, habe im Garten- und Landschaftsbau als Pflasterer gearbeitet, sei in die rechte Szene reingeraten: Er habe nach unten viele fertig gemacht, weil er selbst ein Opfer gewesen sei. Damit habe er längst nichts mehr zu tun. Dann habe er sich dem Computer gewidmet, mit diesem Wissen will er in Spanien was machen. Die Abfahrt ist aber nicht für sofort geplant.

Warum er sich hier überhaupt in Opladen an der Quettinger Grenze niedergelassen hat? „Ich bin hier groß geworden“, 18 Jahre habe Asmus an der Kolberger Straße gewohnt, viele Jahre sei er aus Leverkusen weg gewesen, jetzt ziehe es ihn wieder hier hin.

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Mit dem Rad plant er, nach Spanien auszuwandern. 

Ein neues Problem klopft außen an der Plane: „Hallo, hier ist das Ordnungsamt, kommen sie mal 'raus.“

Ordnungsamt aus Leverkusen klopft an

Es ist Freitagabend. Das Amt ist nicht zum ersten Mal da. Bis Donnerstag soll er seinen Bau abgeräumt haben, denn so zu wohnen, ist auf öffentlichem Grund nicht legal. Sie drücken ihm eine Verfügung in die Hand. Einen Teil des Planen-Zimmers hat Asmus in den letzten Tagen schon demontiert, der Bau war mit Dämm-Platten wärmeisoliert, die hat er schon ausgebaut und auf den Rad-Anhänger zum Weitertransport verzurrt. Wo kann er dann hin? So genau weiß er das noch nicht, irgendwo hier in Opladen, denn die Abfahrt nach Spanien ist noch nicht sofort möglich.

Aber er muss seinen Platz nicht nur wegen der Ordnungsbehörde aufgeben, auch mit den Leuten vom Kulturausbesserungswerk, aus dem er zunächst Unterstützung erhalten habe, ist es anscheinend zu Problemen gekommen, über die sie aber nicht reden wollen. „Da ist was gewesen, das unser Vertrauen gestört hat“, sagt einer auf dem Hof. Am Mittwochmorgen stand alles noch an der Lärmschutzwand, ein neuer Platz war noch nicht gefunden.

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