Viele Projekte sind durch Corona geplatztLindlarer Fotograf trotzt der Pandemie

Lesezeit 4 Minuten
Der Lindlarer Fotograf und Dokumentarfilmer Martin Rosswog.

Der Lindlarer Fotograf und Dokumentarfilmer Martin Rosswog.

Lindlar – Die Schottlandreise ist geplatzt, aber die Schotten wollten niemand mehr auf den Inseln. Ich wollte ein Filmprojekt machen über junge schottische Musiker der äußeren Hebriden. Pipe, Dudelsack, Harmonium, ein Porträt von drei hochbegabten jungen Musikern. Mal sehen, ob das nachzuholen ist.

Auf der Insel South Uist – da hab ich schon gearbeitet. Ein Filmprojekt von einer jungen Bauersfamilie – Crofter, Pachtbauern mit zwei kleinen Kindern. Eine Schottin hat die Insel verkauft an die Inselbewohner, ein soziales Projekt. Ich habe es noch nicht aufgeben, da hängen viele Leute dran. Aber ich hab’ diese Projekte immer selbst finanziert. Auch ein weiteres Projekt ist verschoben. In den 70er Jahren habe ich intensiv in und über Irland gearbeitet, viele Fotografieren sind entstanden, unter anderem von einem irischen Pferdehändler, seine Tochter ist auf diese Fotografien gestoßen. Es entstand die Idee, mit der Tochter des Händlers gemeinsam die Orte aufsuchen, die ich damals besucht habe. Alles ist eingeleitet, Förderung beantragt, aber alles erst einmal abgebrochen, nicht ausgezahlt. Das ist alles ein bisschen schade, aber ich will nicht in Trübsal versinken. Es geht alles weiter.

Es wird alles ad absurdum geführt

Der Punkt ist: Ich hab schon viel Zeit und Kraft reingesteckt, das ist erst mal verpufft, es führt nicht zu einem Ziel. Ich denke, das geht vorbei, aber es wird dann anders. Als Filmer brauche ich die ungestörte Kontaktmöglichkeit. Da dürfen auch die Leute keine Angst vor mir haben. Die müssen mich freudig empfangen können – jetzt müssen die Abstände eingehalten werden, man hat auch noch einen Mundschutz auf – es wird alles ad absurdum geführt.

Doch auf den Inseln, da bin ich sicher, da ist kein einziger Coronafall, deshalb haben sie wohl besonders Angst, dass einer von außen kommt und das einschleppt. Doch die filmische Arbeit erfordert Aufgeschlossenheit und Freizügigkeit – man muss sich auch mal in den Arm nehmen können. Diese Gesten wie auch Händeschütteln entfallen einfach.

Zeit trotzdem genutzt

Man kann es sprachlich kompensieren, indem man besonders freundlich spricht oder lieb guckt, aber mit der Maske sieht man nur die Augen. Die Seele spricht über den Körper und das Gesicht, und wenn dreiviertel vermummt ist, erschwert das meine Arbeit. Ich habe überlegt, wie mache ich ein Filmprojekt, wenn einer eine Maske auf hat. Das ist absurd. Dreiviertel der Mimik spielt sich im Gesicht ab. Wenn das kaschiert ist, sieht man nicht, wie sich der andere fühlt. Das ist eine Irritation. Die Augen drücken eigentlich nicht so viel aus. Ich sehe nicht, was bei dem Gegenüber passiert. Die Gestik wird wichtiger.

Ich habe die Zeit trotzdem genutzt, in diesem Jahr drei Ausstellungen zu konzipieren: Ende September, große Ausstellung im Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach. Ich zeige bergische Interieurs, ganz frühe Abzüge in Farbe aus den 80er Jahren – eine verschwundene Zeit, die gibt es im Bergischen kaum mehr. Die Bilder werden zum ersten Mal gezeigt. Außerdem zum Vergleich Arbeiten über die Siedlung am Phoenix-See in Dortmund-Hörde. Da war das Hoesch-Stahlwerk, das an die Chinesen verkauft wurde. Die Stadt Dortmund hat das Gelände mit einem See aufgefüllt. Drumherum sind Edelwohnungen entstanden, aber keine einzige Sozialwohnung.

Spannbreite von Reich und Arm

Ich habe ein Projekt über die Siedlung gemacht, und das kontrastiere ich mit einem Dokumentationsprojekt, das ich über viele Jahr in Rumänen in einer Roma-Siedlung erarbeitet habe. Das ist sozusagen zeitgleich: In einem Raum des Museums das Interieur einer Wohnung am Phoenix-See. Und in einem weiteren Raum zwei Häuser der verarmten Menschen in der Roma-Siedlung. Es dokumentiert die Spannbreite von Reich und Arm, was in Europa zeitgleich möglich ist – unfassbar.

Dann ist noch eine Ausstellung Ende September in der SK-Stiftung, in der fotografischen Sammlung, mit Arbeiten von Hilla und Bernd Becher und August Sander und Martin Rosswog – da bin ich gut aufgehoben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ich habe die Zeit genutzt, Konzepte auszuarbeiten. Aber letztendlich entsteht nichts Neues, nur die Ausarbeitung, die Verwaltung. Was mir fehlt, ist, wieder kreativ zu arbeiten. Aber Corona verkompliziert die Sache.

KStA abonnieren