Zähne ziehen in MadagaskarDenklinger Arzt leistete besondere Entwicklungshilfe

Lesezeit 3 Minuten
Zur Prophylaxe besuchte das Team auch eine nahe gelegene Schule und zeigte Kindern das Zähneputzen.

Zur Prophylaxe besuchte das Team auch eine nahe gelegene Schule und zeigte Kindern das Zähneputzen.

  • Der Zahnarzt André Halstenbach reiste mit seinem Team ans andere Ende der Welt.
  • Organisiert hat diese Aktion der von Studenten 2015 gegründete Verein „Planet Action“.
  • Bei der Einrichtung der Praxis war allerdings großes Improvisationstalent gefragt.

Denklingen – Am Rande eines kleinen Dorfes sitzen Dutzende Menschen, mit ausdrucksstarker Mimik diskutierend. Daneben sonnen sich auf dem rotgoldenen Sand ein paar Lemuren, die hier vor allem durch die Madagascar-Trickfilme bekannt geworden sind. Diese Szene könnte ein Idyll sein, wäre es nicht der Bereich vor einer provisorisch eingerichteten Zahnarztpraxis – wo die Gruppe auf die Behandlung ihrer großenteils zerstörten Zähne wartet.

Der Denklinger Zahnarzt Dr. André Halstenbach ist im August zusammen mit seinem in Freiburg studierenden Sohn Tim, einem seiner Kommilitonen, drei Studentinnen und zwei weiteren Zahnärzten auf eine Sisal-Farm mit rund 2500 Mitarbeitern in den Süden von Madagaskar vor der Ostküste Südafrikas geflogen, um dort zahnmedizinische Hilfe zu leisten. Organisiert hat diese Aktion der von Studenten 2015 gegründete Verein „Planet Action“, der Einsätze vorwiegend in Madagaskar und Malawi koordiniert.

Das könnte Sie auch interessieren:

Improvisierter „Behandlungsraum“

Madagaskar gehört zu den ärmsten Regionen der Welt. André Halstenbach schildert, dass das Einkommen der Farmarbeiter in der ehemaligen französischen Kolonie umgerechnet nur etwa 30 Euro im Monat betrage und acht bis zehn Kinder pro Familie keine Seltenheit seien. Als Unterkunft diene vielen eine Hütte mit Matratze und Kochstelle, nicht größer als zehn Quadratmeter. Sie selbst waren wesentlich komfortabler untergebracht – in einer Bungalowanlage in einem Ressort.

Behandlung unter schwierigen Bedingungen: Auch auf einer alten Krankenliege wurden die Zähne untersucht.

Behandlung unter schwierigen Bedingungen: Auch auf einer alten Krankenliege wurden die Zähne untersucht.

Bei der Einrichtung der Praxis war großes Improvisationstalent gefragt. Aus einem dortigen Lager hatte „Planet Action“ Zahnarztbesteck und zwei Behandlungsstühle bereitgestellt, von denen jedoch nur einer höhenverstellbar war. Den Großteil des Verbrauchsmaterials wie Handschuhe, Tupfer, Desinfektions- und Betäubungsmittel hatte das Team aus Deutschland mitgebracht, teilweise durch Spenden finanziert. Von 100 Kilogramm Gepäck waren dabei nur knapp 20 Kilogramm für persönliche Sachen reserviert.

Über 1300 Zähne gezogen und 200 Füllungen gelegt

Tim Halstenbach berichtet von kaum vorstellbaren Schmerzen durch entzündete Zähne und kariöse Gebisse, die die Menschen dort dauerhaft ertragen müssen: „Umso wichtiger ist unsere Arbeit hier, auch wenn sie sich fast ausschließlich auf Schmerztherapie mittels Zahnextraktion beschränkt.“ Allerdings musste dabei vieles improvisiert werden: „Wir haben auch auf einer alten Krankenliege oder gewöhnlichen Stühlen behandelt und Stirnlampen wurden zu unserem wichtigsten Accessoire.“ Nach dem Ausfall der mobilen Behandlungseinheit sei eine selbstgebaute Absaugung eines der wichtigsten Werkzeuge gewesen. „Trotz aller Einschränkungen haben wir etwa 500 Patienten behandelt, über 1300 Zähne gezogen und 200 Füllungen gelegt.“

Die Zahnbürsten waren bei den Kindern sehr gefragt.

Die Zahnbürsten waren bei den Kindern sehr gefragt.

Zur Prophylaxe besuchte das Team auch eine nahe gelegene Schule. Tim Halstenbach: „Hungerbäuchig und mit gespannten Augen schauten uns 30, vielleicht 40 Kinder an. Dutzende dünne Arme reckten sich nach uns, als wir begannen, die letzten der etwa 500 mitgebrachten Sets aus Zahnbürsten und Zahnpasten zu verteilen und schon bald ahmten die Kinder die an einem Schaumodell demonstrierten Putzbewegungen nach.“

Bei der Heimkehr nach zwei Wochen wurden sich beide bewusst, dass ihre Arbeit nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“ war. Es soll nicht ihr letzter Auslandseinsatz gewesen sein.

KStA abonnieren