Impf-ArchiveVor über hundert Jahren wurden Morsbacher gegen die Pocken immunisiert

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Der rote Schein bezeugt die Impfung des damals 15 Monate alten Georg Rosenthals.

Der rote Schein bezeugt die Impfung des damals 15 Monate alten Georg Rosenthals.

Morsbach – Ob die Eltern von Georg Rosenthal vor fast 109 Jahren etwas Besonderes dabei gedacht haben, als sie ihren Sohn zur Pockenimpfung bringen mussten, ist nicht überliefert. Jedenfalls ist der 15 Monate alte Georg am 14. Mai 1913 in der Volksschule in Oberellingen gegen diese Infektionskrankheit geimpft worden. Es war damals Pflicht.

Impfpflicht am Beispiel der Pocken

Als Pocken, auch Blattern genannt, bezeichnet man eine für Menschen lebensbedrohliche Infektionskrankheit. Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Pocken in Europa weit verbreitet. Etwa jeder siebte Erkrankte starb damals daran.

Nach dem Jahr 1800 setzte sich die Pockenimpfung nach und nach durch. Bereits 1807 wurde in Hessen und Bayern eine Impfpflicht gegen die Pocken eingeführt. Andere Länder zogen aber erst nach dem großen Pockenausbruch von 1870, bei dem allein in Deutschland eine Viertelmillion Menschen starb, nach. 1874 wurde in einem Reichsgesetz unter Androhung von Strafen festgelegt, dass Kinder im Alter von einem Jahr erstmals und mit zwölf Jahren dann ein zweites Mal geimpft werden mussten.

Bis 1975 war die Pockenimpfung in Westdeutschland Pflicht. 1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation die Pocken für ausgerottet. (bu)

Rosenthals Sohn Ludger, heute stellvertretender Vorsitzender des Morsbacher Heimatvereins, hat in den Nachlassunterlagen jüngst den roten Impfschein seines Vaters gefunden. Darin wird bestätigt, dass der kleine Georg „zum ersten Male mit Erfolg geimpft wurde“. Und auf dem Schein heißt es zudem: „Durch die Impfung ist der gesetzlichen Pflicht genügt“.

Die Impfung war damals eine Pflicht

Dies bescheinigte jedenfalls damals der Impfarzt, Sanitätsrat Dr. Oswald Kaufmann, mit seiner Unterschrift. Die Bescheinigung wurde am 22. Mai 1913 ausgestellt, acht Tage nach der Impfung, als der Impfling noch einmal dem Arzt „vorgestellt“ worden war. Auf der Rückseite des Impfscheins ist unter anderem zu lesen: „Die erste Impfung der Kinder muss vor Ablauf des auf das Geburtsjahr folgenden Kalenderjahres, die spätere Impfung (Wiederimpfung) ... innerhalb desjenigen Kalenderjahres erfolgen, in welchem die Kinder das zwölfte Lebensjahr zurücklegen“. Weiterhin steht dort geschrieben: „Jeder Impfling muss frühestens am 6. und spätestens am 8. Tage nach der Impfung dem Arzte zur Besichtigung vorgestellt werden“.

Dass die Impfung damals eine Pflicht ist, unterstreicht auch der nachfolgende Hinweis auf dem Impfschein unmissverständlich: „Eltern, Pflegeeltern und Vormünder, deren Kinder oder Pflegebefohlenen ohne gesetzlichen Grund und trotz erfolgter amtlicher Aufforderung der Impfung oder der ihr folgenden Gestellung entzogen geblieben sind, haben Geldstrafe und Haft verwirkt“. Ob der Säugling 1913 nach der Pockenimpfung Nebenwirkungen hatte, ist ebenso wenig überliefert.

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