Oberbergische Ärztin warntCannabis ist weiterhin eine Einstiegsdroge

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Der Mitarbeiter einer Firma kontrolliert in der Schweiz Cannabis-Pflanzen, die für den medizinischen Gebrauch angebaut werden.

Der Mitarbeiter einer Firma kontrolliert in der Schweiz Cannabis-Pflanzen, die für den medizinischen Gebrauch angebaut werden.

Oberberg – Knapp zwei Drittel aller von der Polizei im Oberbergischen verfolgten Drogendelikte stehen im Zusammenhang mit Cannabis, sprich Haschisch oder Marihuana. Das geht aus den offiziellen Kriminalstatistiken seit 2016 der Kreispolizeibehörde hervor, wie deren Sprecher Michael Tietze erklärt: „Es sind immer so um die 62 bis 63 Prozent.“

Die offenbar von der künftigen Bundesregierung geplante Legalisierung dieser oft als „weiche Drogen“ charakterisierten Rauschmittel möchte Tietze nicht weiter kommentieren: „Da halten wir uns als Polizei raus, das ist eine politische Diskussion“, sagt er. Keine weitere Bewertung der Pläne von SPD, Grünen und FDP gibt es auch seitens der Justiz. „Wir haben uns an der Gesetzgebung zu orientieren“, heißt es dazu von Straf- und Jugendrichtern.

Personeller Mehraufwand für die Gesundheitsbehörden

Ehe Bundestag und Bundesrat jedoch die rauschwirksamen Substanzen der Hanf-Pflanze etwa nach kanadischem Vorbild aus dem Strafgesetzbuch tilgen, müssten noch zahlreiche Fragen geklärt werden, sagt hingegen die Leiterin des oberbergischen Gesundheitsamtes, Kaija Elvermann. Ihrem Amt ist die Fachstelle Suchtkoordination zugeordnet. Die eigentliche Beratungs- und Präventionsarbeit wurde aber auf die Caritas (für den Nordkreis) und die Diakonie (für die Kreismitte und den Südkreis) übertragen, mit denen das Gesundheitsamt eng zusammenarbeitet.

Amtsärztin Elvermann ist nicht grundsätzlich gegen eine Legalisierung. Allerdings sieht sie aus medizinischer Sicht etliche negative und schädliche Auswirkungen, die regelmäßiger Konsum von Haschisch oder Marihuana auslösen kann. Davon, die Drogen einfach so an Erwachsene abzugeben, etwa wie bei Alkoholika, hält sie nichts.

Apropos Alkohol: Für Marie Brück von den Grünen Oberbergs etwa, ist die „Volksdroge“ Alkohol ungleich gefährlicher und schädlicher als THC, wie der relevante Wirkstoff Tetra-Hydro-Cannabiol der Hanfpflanze abgekürzt wird. „Jährlich“, so Brück, „sterben 75 000 Menschen an den Folgen von Alkoholmissbrauch, während ich von Cannabistoten noch nie etwas gehört habe.“

Gewalttaten unter Cannabiskonsumenten nicht bekannt

Schwere Gewalttaten wie häusliche Gewalt oder sexueller Missbrauch würden überall auch dort begangen, wo Alkoholmissbrauch die Hemmschwelle der Täter senke. „Bei einem hohen Anteil dieser Taten ist Alkoholmissbrauch mit im Spiel“, erklärt Brück, die ähnliche Taten von Kiffern eher nicht kennt.

Aber, stimmt dieses Klischee von harmlosen, friedliebenden, beduselt vor sich hin grinsenden Kiffern überhaupt noch? Eher nein, sagt die Amtsärztin, die Cannabis auch weiterhin als Einstiegsdroge für „härtere“ Drogen wie etwa Heroin oder Kokain sieht. Und das sind nur zwei von mittlerweile über 200 auf dem Schwarzmarkt gehandelten Suchtstoffen. THC gehöre zu den sogenannten psychotropen Substanzen. Substanzen also, die auf das Bewusstsein und die Psyche einwirken, bis hin zu in manchen Fällen gravierenden und lebensgefährlichen Psychosen.

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Da es mehr und mehr synthetisches, also nicht mehr aus der Hanfpflanze gewonnenes THC gebe, steige die Gefahr noch deutlich, so Elvermann. Denn der Wirkstoffgehalt sei für die Konsumenten unkontrollierbar. Umfragen, die auch für das Oberbergische zuträfen, hätten ergeben, dass 6,9 Prozent aller 18- bis 25-Jährigen mit Cannabiserfahrung mehr als zehnmal pro Monat kiffen würden, bei den Jugendlichen seien es immerhin auch noch 1,6 Prozent.

Cannabis und Alkohol als Einstiegsdroge

Dabei handele es sich überwiegend um Jungen und junge Männer. Auch der Bildungsstand spiele eine nicht unbeträchtliche Rolle. Mit anderen Worten: Je höher die Bildung, desto geringer die Gefahr einer Suchterkrankung. Kaija Elvermann sieht deshalb sowohl Cannabis als auch Alkohol gleichermaßen als Einstiegsdrogen. „Und gerade bei jüngeren Konsumenten ist die Gefahr extrem hoch, dass sich die die Gehirnareale vernetzenden Synapsen derart verändern, dass die gesamte geistige, soziale Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt wird.“

Andererseits sei auch bekannt, dass THC in der Schmerztherapie bei chronisch Schwerstkranken in bestimmten Fällen als Arznei positiv wirke. So ist Kaija Elvermann nach ihrem derzeitigen Stand auch eher dafür, dass „legalisiertes THC“ über die Apotheken gehandelt wird – einschließlich umfangreicher Aufklärung und Präventionsarbeit. Dem Gesetzgeber müsse klar sein, „dass auf uns als Gesundheitsbehörden ein ganz erheblicher, auch personeller Mehraufwand zukommt“.

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