EuropawahlBielsteinerin hat gute Chancen, ins EU-Parlament einzuziehen

Lesezeit 4 Minuten
Eine junge Frau sitzt an einem Tisch vor der Bäckerei in Bielstein.

Der oberbergische Zweitwohnsitz hat den Horizont der gebürtigen Düsseldorferin erweitert.

CDU-Kandidatin Miriam Viehmann steht auf dem siebten Platz der NRW-Landesliste. Ins Oberbergische verschlug es sie aus einem privaten Grund.

Miriam Viehmann ist mit 33 Jahren eine vergleichsweise junge Politikerin. Doch bald könnte sie Geschichte schreiben. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die Düsseldorferin mit Zweitwohnsitz in Bielstein am 9. Juni zur ersten oberbergischen Europaabgeordneten gewählt wird.

Nun kann man Viehmann nicht direkt wählen. Das EU-Wahlrecht sieht vor, dass in allen Mitgliedstaaten nach dem Verhältniswahlsystem abgestimmt wird. Das bedeutet: Je mehr Stimmen eine Partei bekommt, desto mehr Europaabgeordnete schickt sie ins Europäische Parlament. Die 96 Europaabgeordneten aus Deutschland kommen auf der Basis von Listenwahlvorschlägen ins Amt.

Minister Reul fördert die bergische Kandidatin

Die nordrhein-westfälische CDU hofft, dass alle ihre acht Bezirke mit einem Abgeordneten im Parlament vertreten sein werden und hat die ersten Listenplätze entsprechend verteilt. Allerdings sind bei der letzten EU-Wahl nur sechs CDU-Listenbewerber tatsächlich ins Parlament eingezogen. Miriam Viehmann wäre denn auch gern auf den sechsten Listenplatz gesetzt worden, musste aber dem Kandidaten vom Niederrhein den Vortritt lassen, obwohl sich mit dem bergischen Bezirkschef und NRW-Innenminister Herbert Reul ein politisches Schwergewicht für sie eingesetzt hatte.

Alles zum Thema Herbert Reul

Sei es drum, Miriam Viehmann setzt darauf, dass der Höhenflug der CDU in den Umfragen fortdauert. Und wenn die Union in NRW mehr als 32 Prozent der Stimmen holt, könnte es klappen. Die bergische Kandidatin rechnet damit, dass es sich wohl erst in den frühen Morgenstunden des Montags nach der Wahl entscheiden wird, ob sie die Koffer für Brüssel packen kann. „Es ist ein Kippelplatz, ein bisschen wie ein Netzroller beim Tennis.“ Ihre Motivation im Straßenwahlkampf: „Wenn genügend Leute CDU wählen, wählen sie mich.“

Migration und Energieversorgung sind Probleme, die man nicht auf nationaler Ebene lösen kann.
Miriam Viehmann will ins EU-Parlament

Die europäische Hauptstadt wäre dann ihr dritter Lebensmittelpunkt. Ihr Hauptwohnsitz ist derzeit ihre Heimatstadt Düsseldorf, wo sie als Referentin im Büro des Oberbürgermeisters Stephan Keller (CDU) unter anderem für die Metropolregion Rheinland und damit für die koordinierten Interessen des Bergischen Landes zuständig ist. Seit einigen Jahren verbringt sie den Großteil ihrer Freizeit und viele Home-Office-Stunden aber in ihrer Zweitwohnung in Bielstein. Dort lebt sie mit dem dort heimischen Moritz Müller zusammen, den sie natürlich auf einer Parteiveranstaltung kennen gelernt hat.   Müller ist Wiehler CDU-Stadtrats- und Kreistagsmitglied, hat als Referent des   Landtagsabgeordneten Bodo Löttgen aber auch oft in Düsseldorf zu tun.

Vater hat Malerbetrieb in Düsseldorf

Gemeinsam ist beiden zudem, dass sie aus Handwerkerhaushalten stammen. Viehmanns Vater hat in Oberbilk einen Malerbetrieb, was den Erfahrungshorizont der studierten Geisteswissenschaftlerin erweitert hat. Und inzwischen kennt sie nicht nur die bergische Metropole Düsseldorf, sondern auch die oberbergische Provinz, nennt sich auf ihrer Homepage „Stadtkind und Landei in einem“. Auch über diesen Tellerrand hat sie schon hinaus geblickt: Von 2015 unterrichtete Miriam Viehmann Deutsch als Fremdsprache an Schulen und arbeitete mit geflüchteten Kindern aus Syrien, dem Irak und Afghanistan.

In Europa hat sich Viehmann natürlich auch schon umgesehen, und nicht nur im Urlaub. Drei Tage lang durfte sie die Aachener EU-Abgeordnete Sabine Verheyen   begleiten und staunte über den riesigen Apparat, der mit dem Parlament verbunden ist. Ihre Parteifreundin Ursula von der Leyen hat sie ebenfalls schon kennen gelernt.

Dass in Brüssel das ganz große Rad gedreht wird, macht Viehmann keine Angst, sondern ist ein Ansporn. „Migration und Energieversorgung sind Probleme, die man nicht auf nationaler Ebene lösen kann“, sagt die Jungpolitikerin. Sie nennt den Termin am 9. Juni eine „Entscheidungswahl“. Es sei Aufgabe der CDU, einen Beitrag für ein starkes demokratisches Gegengewicht zu den rechtsnationalistischen Kräften in Europa zu leisten. Konkret will sie etwa mit eigenen Beiträgen auf TikTok die in diesem sozialen Medium herrschende Übermacht der AfD bekämpfen. Es gelte den Schwung aufzugreifen, den die Demonstrationen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Gesellschaft ausgelöst haben.

Im Mai startet Viehmanns Wahlkampfteam, zu dem der Morsbacher Thomas Jüngst gehört, mit einem Aktionstag in die heiße Phase. In den folgenden Wochen will die   Kandidatin Unternehmen und Dorffeste besuchen, um sich im Wahlvolk bekannt zu machen. Nach einem anstrengenden Arbeitstag noch einmal loszufahren, schreckt sie nicht: „Es ist motivierend zu sehen, dass viele Leute für Europa brennen.“

KStA abonnieren