Stefan Hodek, der neue Chef des Edelstahlwerks Kind & Co., spricht im Interview über die Lage des Unternehmens ein Jahr nach der Übernahme.
Kind & Co.Wiehler Stahlwerk wünscht sich bessere Rahmenbedingungen

Vom Einschmelzen des Schrotts, über das Schmieden und Fräsen bis zur Wärmebehandlung: Kind & Co. kennt alle Prozessschritte der Stahlveredelung.
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Vor einem Jahr wurde das Bielsteiner Edelstahlwerk Kind & Co. von der niedersächsischen GMH-Gruppe übernommen. Reiner Thies sprach mit dem neuen Geschäftsführer Stefan Hodek.
Die wichtigste Frage zuerst: Wie sicher sind die Arbeitsplätze bei Kind & Co.?
Stefan Hodek: Wir haben heute in Bielstein 356 Mitarbeiter, nachdem wir zehn Prozent unseres Personals abgebaut haben. Bei den Ausgeschiedenen handelte es sich ausschließlich um befristet Beschäftigte oder Mitarbeitende, die in den Ruhestand gegangen sind oder das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen haben. Wir wollen vor allem in den indirekten Bereichen schlanker werden, und es wird altersbedingte Abgänge geben, deren Stellen wir nicht wieder besetzen. Aber ansonsten ist derzeit kein Stellenabbau geplant. Im Gegenteil suchen wir händeringend zehn oder mehr Leute für die mechanische Bearbeitung, um einen langfristig angelegten Großauftrag abzuarbeiten. Und wir haben 26 Auszubildende, das ist eine hohe Quote. Wir bilden in allen Bereichen der Metallbearbeitung aus, da kann jeder seine Spielwiese finden. Der Fachkräftemangel ist ja nicht vom Tisch, nur weil die wirtschaftliche Lage derzeit schwierig ist. Bezüglich der Rückkehr in die Tarifbindung laufen Gespräche zwischen Betriebsrat, Gewerkschaft und Unternehmen.
Was haben Sie beim Dienstantritt in Bielstein vorgefunden?
Was mich an diesem Werk begeistert, ist zum einen die tiefe Wertschöpfung. Hier findet man die ganze Prozesskette der Stahlwerkzeugherstellung, vom Einschmelzen des Schrotts, über das Schmieden bis zur Veredlung durch Wärmebehandlung. Das macht auch meine Aufgabe interessant und bietet große Gestaltungsmöglichkeiten. Zum anderen gibt es in Bielstein viel Erfahrung mit der nachhaltigen Stahlproduktion. In langer Betriebszugehörigkeit haben viele Mitarbeiter wertvolles Know-how erworben. Die Identifikation mit dem Werk ist sehr hoch. Und der Umgangston ist außergewöhnlich nett, da habe ich schon anderes erlebt.

Elektroingenieur Stefan Hodek sieht in der „tiefen Wertschöpfung“ einen besonderen Vorteil des Standorts Bielstein.
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Was muss besser werden?
Die Marktsituation ist extrem herausfordernd. Wir haben seit Mitte 2024 einen Umsatzrückgang von 30 Prozent erlebt. Verglichen mit anderen Unternehmen der GMH-Gruppe haben wir hier sehr hohe Produktions- und Verwaltungskosten. Wir haben uns zu viel gegönnt.
Was wollen Sie dagegen tun?
Im Jahr 2025 werden wir 1,6 Millionen Euro an Kosten sparen. Im Zuge eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses gilt es beispielsweise bei der Instandhaltung und der IT weniger teure Hilfe von außen zu holen, sondern mehr in Eigenleistung zu regeln und Synergien in der GMH-Gruppe zu nutzen. Aber 30 Prozent Umsatzrückgang kann man nicht allein mit Effizienz, Personalabbau und Kurzarbeit kompensieren. Aktuell gibt es noch Kurzarbeit in der Verwaltung und in einzelnen Heißbetrieben. Wir müssen mehr Auslastung für das Werk erreichen. Unser Marktanteil ist nicht gesunken, wohl aber das Volumen unseres Markts. Denn dieser wird zu mehr als der Hälfte von der Automotive-Industrie und dem Maschinenbau geprägt. Und dort wird derzeit weniger produziert, sodass Stahlwerkzeuge weniger schnell verschleißen, und es wird wenig in neue Werkzeuge investiert. Wir müssen darum neue Geschäftsfelder erschließen. So wollen wir neben der kompletten Werkzeugstahlproduktion verstärkt auch einzelne Schritte der Stahlbearbeitung wie das reine Umschmelzen oder Schmieden übernehmen. Auch im Auftrag von GMH-Schwesterunternehmen, die dem Energiemaschinenbau zuliefern.

Beim Fräsen kommt es auf höchste Präzision an.
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Also ist die Zugehörigkeit zur GMH-Gruppe dabei ein Vorteil?
Auf jeden Fall. Die Gruppe ist ein starker Partner, der uns neue Aufträge bringt, aber auch mit enormem Know-how in allen Bereichen unterstützt – bei der Technik, bei der IT und der Verwaltung. Zum Vergleich: Die GMH macht zwei Milliarden Umsatz und hat 6000 Mitarbeiter. Bei uns sind es 120 Millionen und 400 Mitarbeiter, wenn man die Beschäftigten in unseren Auslandsbüros mitzählt.
Wie profitiert die Gruppe umgekehrt von Kind & Co.?
Wir erweitern das Portfolio um die Warmarbeitswerkzeugstähle. Und Kind & Co. ist im Ausland deutlich präsenter als die anderen GMH-Unternehmen. Dort will die Gruppe mehr Umsatz machen. Eine Herausforderung ist dabei, dass die Rahmenbedingungen für die Konkurrenz in den USA und China, aber auch im übrigen Europa besser sind.

Das Bielsteiner Edelstahlwerk Kind & Co. muss 30 Prozent Umsatzrückgang verkraften.
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Warum?
Die Energiekosten sind bei uns in Deutschland oft doppelt so hoch. Für Kind & Co. machen sie aber zehn Prozent der Gesamtkosten aus. Ich hoffe, dass der von der Bundesregierung angekündigte „Herbst der Reformen“ Fortschritte bringt. Wir streben aus ökologischer und sozialer Verantwortung die Produktion von „grünem“ Stahl an. Aber dafür brauchen wir ausreichend Sonnen- und Windstromanlagen und Wasserstoffkraftwerke. Bis es so weit ist, halte ich nichts davon, dass Deutschland Alleingänge macht, zur Brechstange greift und früher aus der fossilen Energieproduktion aussteigt als alle anderen. Wir brauchen vergleichbare Rahmenbedingungen wie unsere ausländischen Mitbewerber, unter anderem einen Industriestrompreis von vier bis sechs Cent pro Kilowattstunde.
Die zahlreichen Krisen belasten die Stimmung der Wirtschaft. Was kann man dagegen tun?
Ich bin überzeugt, dass man trotz aller Krisen bei der Arbeit Spaß haben kann und sollte. Man verbringt ja viel Zeit damit. Es hilft nicht, über die Krisen zu jammern – man muss den Herausforderungen begegnen. Am Ende wird sich der Fleiß auszahlen.
Wie weit ist Kind & Co. bereits in der GMH-Gruppe aufgegangen? Was bleibt von Kind & Co. nach der Übernahme?
Die Integration hat genau vor einem Jahr begonnen und ist sehr schnell und professionell abgelaufen. Die Unternehmensleitung wurde bewusst nicht sofort komplett ausgetauscht, die frühere Geschäftsführerin Susanne Wildner ist erst im März ausgeschieden. Die Vernetzung wurde in Arbeitsgruppen organisiert. Als letzten Meilenstein nutzen wir ab Ende 2026 eine gemeinsame SAP-Software. Inzwischen haben wir ein neues Logo, und die Mitarbeiter bekommen schrittweise die GMH-Arbeitskleidung in Rot. Die Marke „Kind & Co.“ bleibt aber erhalten. Die GMH-Mitgesellschafterin und Geschäftsführerin Dr. Anne-Marie Großmann hat es schön ausgedrückt: „Kind & Co. ist der Vorname, GMH ist der Nachname.“
Der neue Chef bei Kind & Co.
Stefan Hodek (43) leitet seit einem Jahr das Edelstahlwerk Kind & Co. in Wiehl-Bielstein. Die Aufgabe wurde ihm im Oktober 2024 im Zuge der Übernahme des Betriebs durch die Georgsmarienhütte-Gruppe (GMH) übertragen. Hodek wurde in Sachsen-Anhalt geboren und wuchs in der Pfalz auf, dort hat er noch heute mit seiner Frau und den beiden Kindern seinen Hauptwohnsitz. Während der Arbeitswoche nutzt er eine Wohnung in Bielstein. Stefan Hodek ist promovierter Elektroingenieur und arbeitete unter anderem in leitenden Positionen für Thyssen-Krupp Gerlach, bevor ihn der Ruf von GMH erreichte.
Kind & Co. ist auf die Herstellung und Veredlung hochlegierter Werkzeugstähle spezialisiert. Mit „Werkzeug“ sind hier wohlgemerkt nicht Hammer und Zange gemeint, sondern große Formen für den Maschinenbau. Die Warmarbeitswerkzeugstähle finden Anwendung im Druckguss, in Strangpressen und Gesenkschmieden.
Das Bielsteiner Unternehmen samt seinen Auslandsstandorten erwirtschaftete im Jahr 2024 einen Umsatz von rund 120 Millionen Euro. Mit der Übernahme will die GMH-Unternehmensgruppe nach eigenen Angaben ihre Position in der Werkzeugstahlindustrie und hier insbesondere in dem Segment der Warmarbeitswerkzeugstähle stärken. Kind & Co. war seit der Gründung im Jahr 1888 in Familienbesitz gewesen, seit dem Jahr 2000 in der vierten Generation.