Nach Kürzungen im Fahrplan hat sich die Lage laut Qualitätsbericht Anfang 2025 leicht entspannt. Das gilt aber nur bei kurzfristigen Ausfällen.
„Unhaltbarer Zustand“Jeder vierte Zug in NRW ist zu spät, jeder sechste fällt aus

Der RE 7, hier im Bahnhof Opladen, muss zwischen Krefeld, Köln und Rheine häufig schon vor dem Endbahnhof umkehren, um Verspätungen aufzuholen.
Copyright: Ralf Krieger
Gute Nachrichten für Pendler, die mit Regionalzügen und S-Bahnen durch NRW fahren müssen, sind so selten, dass sich die Chefs aller großen Verkehrsverbände go.Rheinland, VRR und NWL gemeinsam in den Düsseldorfer Landtag begeben, um sie den Politikern im Verkehrsausschuss des Landtags zu präsentieren.
Die Zahl der kurzfristigen Zugausfälle durch Personalmangel oder Baustellen ist in den ersten fünf Monaten des Jahres im Vergleich zu 2024 leicht zurückgegangen – von 5,9 auf 5,4 Prozent. Das ist ein sehr niedriger Wert, von einer Trendwende kann noch keine Rede sein. Aber jeder einzelne Zug, auf denen Kunden vergeblich warten, sorgt für besonders großen Unmut.
NRW-Bahnen: Keine schnellen Lösungen in Sicht
Ob das ausreicht, beim Regionalverkehr in Sachen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit in diesem Jahr grundlegend bessere Werte zu erzielen, ist völlig unklar. Aus dem aktuellen Qualitätsbericht des Kompetenzcenters Integraler Taktfahrplan für 2024 geht hervor, dass jeder vierte Zug verspätet war, jeder sechste ganz ausfiel.
Alles zum Thema Deutsche Bahn
- Züge aus Köln betroffen Brückenteile auf Gleise gestürzt – Bahnstrecke in NRW gesperrt
- „Bahnfahren ohne Fluchtplan im Kopf“ Kölnerin stößt Debatte um FLINTA-Schutzräume in Bus und Bahn an
- Millionen-Projekte Planung für Mobilstation und Fußgängerbrücke am Bahnhof Bad Honnef kommt voran
- Bahnverkehr Strecke von Köln-Ehrenfeld nach Pulheim wieder frei
- Köln und bundesweit Wie Deutschland die Verkehrswende verpasst
- Bahnbau Gladbacher Politiker unterstützen Planungen für Unterführung
- Bahnübergang defekt Einschränkungen auf Siegtalstrecke – Züge fahren bei Windeck langsamer
„Das ist natürlich ein unhaltbarer Zustand“, sagte Oliver Wittke, Chef des Verkehrsverbands Rhein-Ruhr (VRR). Erst recht, weil es seit Einführung des Deutschland-Tickets einen Ansturm auf die öffentlichen Verkehrsmittel gebe. „Die Branche liefert eine Leistung ab, die damit nicht einhergeht.“ Die Probleme seien aber so groß, dass man keine schnellen Lösungen versprechen könne.

Die vielen Großbaustellen im Rheinland wie hier auf der Hohenzollernbrücke in Köln sorgen im Regionalverkehr dafür, dass die Pünktlichkeit 2024 auf ein Rekordtief gesunken ist.
Copyright: Michael Bause
„Wir müssen uns ehrlicherweise noch auf einige Jahre mit Engpässen und Einschränkungen einstellen“, sagte Wittke. Ziel sei es, den Wert auf unter ein Prozent zu drücken.
Um das zu erreichen, haben die Verbände in Abstimmung mit dem NRW-Verkehrsministerium auf mehreren Linien die Fahrpläne ausgedünnt. Dadurch fahren landesweit insgesamt etwa vier Prozent weniger Züge - die sollen dafür aber trotz des Lokführermangels zuverlässiger kommen. Ein Dauerzustand seien die ausgedünnten Fahrpläne aber nicht, betonte Wittke. Bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2025 wolle man so viele Lokführer haben, dass möglichst überall wieder der normale Fahrplan gelten könne. „Ziel ist, dass das eigentliche Angebot 2026 wieder zu 100 Prozent steht.“
DB Regio NRW hat Lokführermangel wohl im Griff
Sicher ist das nicht. Bisher hat lediglich DB Regio NRW, mit einem Marktanteil von 49,7 Prozent der Platzhirsch bei den gefahrenen Kilometern, nach eigenen Angaben genügend Lokführer ausgebildet und wird das Programm weiter auf hohem Niveau fortsetzen, weil in den kommenden Jahren auch bei der Bahn die Generation der Babyboomer in Rente geht.
Die anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen versuchen, unter dem gemeinsamen Dach des Landesprogramms Fokus Bahn NRW, neues Personal auszubilden.
Das Ausdünnen der Fahrpläne ist auf einigen Linien besonders spürbar, so Marcel Winter, Chef von go.Rheinland. Beim stark frequentierten Rhein-Münsterland-Express (RE 7) von Krefeld über Köln, Wuppertal und Münster nach Rheine seien von Januar bis März in diesem Jahr 71 Prozent weniger Züge kurzfristig ausgefallen als im Vorjahreszeitraum. Bei der Ostwestfalen-Bahn (RB 72) waren es den Angaben zufolge 82 Prozent, bei der Rhein-Wupper-Bahn (RB 48) 72 Prozent.
NRW hat das zweitschlechteste Schienennetz in Deutschland
Doch die kurzfristigen Zugausfälle sind nur ein Teil des Problems. Im vergangenen Jahr erreichten Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Regionalzüge und S-Bahnen in Nordrhein-Westfalen neue Tiefstwerte, wie aus der Jahresbilanz hervorgeht. Insgesamt fiel bei Regionalzügen und S-Bahnen 2024 mehr als jede sechste (17,5 Prozent) eigentlich geplante Fahrt aus – im Jahr 2023 waren es noch 13,8 Prozent. Häufigster Grund dafür waren Baustellen.
Doch zu denen gebe es keine Alternative, denn das Schienennetz sei vielerorts im Land marode, sagte Kai Schulte, Leiter des Kompetenzcenters Integraler Taktfahrplan. NRW habe nach aktuellen Zahlen der Deutschen Bahn das zweitschlechteste Schienennetz aller 16 deutschen Bundesländer.
Immer mehr Strecken völlig überlastet
Auch die Pünktlichkeit der Züge bleibt eine Baustelle: Ein Viertel der Regionalzüge und S-Bahnen waren im vergangenen Jahr mit mindestens vier Minuten Verspätung unterwegs. Das ist der höchste Wert seit Jahren. 2023 waren 21,9 Prozent der Züge unpünktlich. Die größten Probleme gibt es traditionell bei Regionalexpress-Linien. Die RE-Züge fahren oft auf weiteren Strecken durch mehrere störungsanfällige Knotenpunkte – und sind deshalb häufiger verspätet als etwa S-Bahnen.
Laut einer Analyse der Allianz pro Schiene, eines gemeinnützigen Verkehrsbündnisses, nimmt der Stau auf der Schiene dramatisch zu. „Nur mit der Sanierung der Strecken ist es nicht getan, wir brauchen auch zusätzliche Gleise“, sagte Geschäftsführer Dirk Flege. Nach Angaben des gemeinnützigen Verkehrsbündnisses hat sich die Zahl der chronisch überlasteten Strecken innerhalb weniger Jahre fast verdoppelt. Waren 2018 nur 749 Kilometer des Streckennetzes überlastet, sind es in diesem Jahr bereits 1321 Kilometer – Tendenz weiter steigend.
In NRW zählen dazu die Strecken Köln – Duisburg - Dortmund, Hürth-Kalscheuren – Remagen, Stolberg – Aachen und Gelsenkirchen – Münster. (mit dpa)