Integration von MigrantenGladbach United besteht ausschließlich aus Flüchtlingen

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Großer Erfolg für Gladbach United: Sie gewann das Turnier der Flüchtlingsmannschaften. Am Ende kamen alle mit aufs Foto. 

  • Seit einem Jahr spielen 18 Flüchtlinge aus sechs Ländern zusammen Fußball.
  • Der Bergisch Gladbacher Verein SC 27 hat das Team im Mai 2018 gegründet.
  • Der Fußball bietet den Männern Gelegenheit sich abzulenken und gemeinsam Erfolge zu erleben.

Bergisch Gladbach – Auf dem grünen Rasen sind sie ganz in ihrem Element: Sie dribbeln, schlagen Pässe und quittieren jede vergebene Torchance in einer anderen Sprache. Denn Gladbach United ist eine Mannschaft, die ausschließlich aus Flüchtlingen besteht.

Die meisten wohnen im Containerdorf in Lückerath. Für sie ist die eigene Mannschaft ein Rückzugsort. Dem Verein SC 27 geht es in erster Linie darum, den Menschen etwas Ablenkung von ihren Sorgen zu bieten. „Spiel ab“, „Bleib dran“, „Schneller“, schallt es über das Feld im Mediterana-Sportpark am frühen Abend.

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Olli Müller läuft die Außenlinie auf und ab und gestikuliert mit den Armen. Seit sechs Jahren ist der 46-Jährige Trainer beim SC 27, und vor einem Jahr war es, dass er das erste Mal Flüchtlinge trainierte. „Fußball kann ein bisschen Ablenkung bieten“, so sieht Müller das. Er hat die schlimmen Geschichten gehört, die die Flüchtlinge erzählen, und beschlossen, dass sie auf dem Sportplatz nichts zu suchen haben.

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Coachen die Flüchtlingsmannschaft: Olli Müller (l.) und Yannik Boy.

Hier spricht auch keiner von „Flüchtlingen“ oder „Asylanten“, sie sind einfach nur Fußballer. Beim Fußballspielen können die Männer sich austoben und Freundschaften schließen, sagt Müller.

Viele wohnen im „Camp“

Same und Jawad, 20 und 21 Jahre alt, waren von Anfang an dabei. „Es macht großen Spaß, und es ist eine tolle Mannschaft“, sagt Same, der vor dreieinhalb Jahren aus Afghanistan nach Bergisch Gladbach geflüchtet ist und eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann macht.

Jawad, ebenfalls aus Afghanistan, besucht das Berufskolleg und spielt zum ersten Mal überhaupt in einem Verein, der zu einem Stück neuer Heimat wurde: „Als Kind habe ich auf der Straße Fußball gespielt“, erzählt er. „Ich bin glücklich, dass ich hier spielen kann“, sagt Dakir (23) aus Somalia, der nun elegant durchs Mittelfeld dribbelt.

Die meisten wohnen in der Lückerather Unterkunft, die sie „Camp“ nennen, keine zwei Kilometer vom Sportplatz entfernt. Das Leben dort sei oft trostlos, berichten die jungen Männer. Freundschaften sind selten, es gibt keine gemeinsame Sprache. Jeder trägt seine eigenen Probleme mit sich herum, viele haben einen ungeklärten Aufenthaltsstatus.

Förderung für Vereine durch den Bund

Gladbach United ist die bislang einzige reine Flüchtlings-Fußballmannschaft, die es im Rheinisch-Bergischen Kreis gibt. Wie Janik Pfeiffer, beim Kreissportbund zuständig für Integration durch Sport, erklärt, bietet das Bundesprogramm „Integration durch Sport“ allen Sportvereinen neben beratenden Angeboten und Qualifizierungen auch eine finanzielle Unterstützung an.

Die Integrationsarbeit kann mit einer Summe von bis zu 5000 Euro jährlich gefördert werden. Davon können etwa Trainer-Honorare, Sportgeräte oder Mieten finanziert werden. Bewerben für die Förderung kann sich jeder gemeinnützige Sportverein, der Mitglied in einem Stadt- oder Gemeindesportverein ist. Interessierte Vereine können sich direkt Janik Pfeiffer unter (0 22 02) 20 03-76 wenden. (ub)

Der Alltag verläuft von Frist zu Frist, von Aufenthaltsgenehmigung zu Aufenthaltsgenehmigung. Deshalb sind die Männer froh, raus zu kommen. Zum harten Kern gehören 18 Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan, Irak, Eritrea, Guinea und Nigeria. Trainiert wird zweimal pro Woche, der Jüngste ist 19, der Älteste 48.

Jeden Montag und Mittwoch steht die Zeit für anderthalb Stunden still, irgendwo hinter der Umrandung, und spielt keine Rolle.

Anfängliche Skepsis im Verein ist gewichen

Den monatlichen Mitgliedsbeitrag von 15 Euro pro Erwachsenen müssen sie nicht bezahlen, sagt Vereinsvorsitzender Walter Breuer. Anfangs seien viele im Verein skeptisch gewesen: „Aber jetzt stehen alle dahinter.“ Gladbach United trage dazu bei, Vorurteile und Barrieren abzubauen. Drei Spieler haben es sogar schon in die zweite Seniorenmannschaft des SC 27 geschafft.

Im Mai 2018 hat der Verein das Team gegründet. Die Idee dazu hatte Georg Müller-Frank von der Initiative Willkommen in Refrath-Frankenforst, die sich ehrenamtlich um die Bewohner der städtischen Unterkunft in Lückerath kümmert. „Sport im Allgemeinen und Fußball im Speziellen hat einen sehr hohen Integrationsfaktor“, sagt Müller- Frank, „die Regeln sind überall gleich. Jeder versteht sie.“

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Im Training sind alle mit vollem Einsatz dabei. 

„Die Verständigungssprache ist Deutsch“, sagt Yannik Boy (21), der Co-Trainer. Ob Isaak, Dakir, Same und Co immer im Detail verstehen, was die beiden Trainer erzählen, sei nicht immer ganz klar. „Die Kommunikation läuft oft mit Händen und Füßen“, erzählt Müller, „die Jungs sind total lernwillig.“

Und inzwischen sind sie auch erfolgreich: Beim letzten großen Turnier mit anderen Flüchtlingsmannschaften aus Köln, ging Gladbach United im Finale als Sieger vom Platz: Ein großer gemeinsamer Erfolg. „Aber auch wieder eine Bestätigung, kleine Träume verwirklichen zu können“, sagt Boy. Der Verein SC 27 überlege, die Mannschaft für den offiziellen Spielbetrieb anzumelden.

Gleichwohl lässt Müller durchblicken, dass es mit der Pünktlichkeit nicht immer klappt. Doch darüber sieht das Trainer-Team hinweg. „Fünfe gerade sein lassen“, meint Boy. „Wir können die Welt nicht verändern“, meint Müller, „durch den Fußball erfahren die Flüchtlinge Wertschätzung.“ Das sei wichtig.

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