Mord am S-BahnhofKeine Auslieferung – Türkischer Hauptverdächtiger vorerst frei

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Gedenkfeier Peter M

Blumen und ein Foto des Opfers  erinnerten lange an die Bluttat in Sichtweite des S-Bahnhofs Bergisch Gladbach.

  • Vor sechs Jahren wurde Peter M. am Gladbacher S-Bahnhof niedergestochen.
  • Der türkische mutmaßliche Täter Ali T. wurde zwar festgenommen, aber wieder freigelassen.
  • Seitdem kämpft die Familie von M. für Gerechtigkeit.

Bergisch Gladbach/Konya – Nicht nur für Familie und Freunde des vor mehr als sechs Jahren am Gladbacher S-Bahnhof niedergestochenen Peter M. ist es unerträglich, dass der Hauptverdächtige in der Türkei weiter ein freier Mann ist.

Die türkischen Behörden nahmen den 35 Jahre alten Ali T. zwar fest, entließen ihn dann aber wieder. Und zu seinem Status, der Möglichkeit einer Auslieferung oder eines Prozesses, gibt es unterschiedliche Aussagen und Interpretationen. Einen Auslieferungsantrag hat die Kölner Staatsanwaltschaft bisher nicht gestellt.

Keine Gängige Praxis

Auf Anfrage dieser Zeitung hat sie die Festnahme und anschließende Freilassung von Ali T. bestätigt. Weiter erklärte sie, dass es gängige Praxis sei, dass türkische Staatsbürger von der Türkei nicht nach Deutschland ausgeliefert würden. Alles weitere sei nun zunächst Sache der türkischen Justiz.

Bei den deutschen Behörden in Berlin (Auswärtiges Amt, Innenministerium und Justizministerium) hat diese Zeitung angefragt, inwieweit der Fall von Ali T. ein Einzelfall sei. Die Behörden sprachen sich untereinander ab und schließlich antwortete Maximilian Kall vom Justizministerium. Zu dem konkreten Fall wolle man zwar nicht Stellung nehmen, könne aber allgemeine Informationen geben.

Mutmaßlicher Täter Ali B

Im türkischen Konya wurde der tatverdächtige Ali T. im Februar  festgenommen. Inzwischen ist er wieder frei. 

Es sei richtig, dass türkische Staatsbürger, die in Deutschland ein Verbrechen begangen haben sollen, grundsätzlich nicht an Deutschland ausgeliefert würden. Allerdings gebe es Ausnahmen. Grundlage sei immer ein Auslieferungsantrag.

Kall verwies auf die Auslieferungsstatistiken der vergangenen Jahre – veröffentlicht sind sie bislang bis 2016. Im Jahr 2016 lieferte die Türkei zum Beispiel insgesamt 14 Personen an Deutschland aus, die hier wegen eines Tötungsdelikts gesucht wurden.

Inwieweit darunter auch türkische Staatsangehörige waren, geht aus der Statistik nicht hervor. Kall: „Ausgangspunkt aller Auslieferungen ist, dass ein entsprechender Antrag über das Außenministerium an die die Türkei übermittelt wird.“

Stellen sich die türkischen Behörden quer?

Die Kölner Staatsanwaltschaft wiederum teilte in diesem Zusammenhang mit: „Nach hiesigen Erkenntnissen liefern die türkischen Behörden eigene Staatsbürger nicht aus.“ Diese Einschätzung sei durch das Landes- und das Bundeskriminalamt bestätigt worden. Deshalb, so Folgerung der Kölner, sei im Fall von Ali T. gar kein „offizielles Auslieferungsersuchen“ gestellt worden.

Angesprochene Fachanwälte weisen darauf hin, dass Auslieferungsfragen immer äußerst kompliziert seien. Grundsätzlich könne die Kölner Staatsanwaltschaft sehr wohl einen Auslieferungsantrag stellen. Die türkischen Behörden würden dann prüfen, wie man entscheide.

Ein Türke, der beschuldigt wurde, im Jahr 2009 ein Mädchen in Paderborn ermordet zu haben, wurde zum Beispiel nicht ausgeliefert. Aber ihm wurde – nach Übermittlung der polizeilichen Ermittlungsergebnisse – in der Türkei der Prozess gemacht: Er wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Unklar ist jetzt, wie es im Fall des gesuchten Ali T. weitergehen wird.

In jedem Fall müssten die Kölner Ermittler mit den türkischen Behörden Kontakt aufnehmen, um zu verhindern, dass Ali T. ein freier Mann bleibt.

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