Schöffengericht verurteilt BetrügerSeniorin warf ganzes Vermögen vom Balkon

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Immer öfter werden Senioren Opfer von Telefonbetrügereien. Sie gehen zum Teil von organisierten Banden aus.

Immer öfter werden Senioren Opfer von Telefonbetrügereien. Sie gehen zum Teil von organisierten Banden aus.

Bergisch Gladbach – Unter den Betrügern, die ältere Menschen dazu bringen, ihnen viel Geld zu geben, tummeln sich hoch professionell und arbeitsteilig operierende Banden. Das Bergisch Gladbacher Schöffengericht verurteilte gestern zwei als „Läufer“ und „Fahrer“ gedungene Täter aus Paderborn zu elf beziehungsweise acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Die beiden 29 Jahre alten Männer, die seit ihrer Festnahme in Untersuchungshaft saßen, hatten laut Gericht bei einer 82-jährigen Frau aus Wermelskirchen deren gesamtes Vermögen in Höhe von 17 000 Euro sowie Krügerrand-Münzen und Feingoldstücke abholen wollen. Sie wurden von der Gladbacher Polizei, die durch einen Tipp der Kollegen in Esslingen Wind bekommen hatte, festgenommen.

Es ist Sonntag, der 25. Februar, als bei Rentnerin Else S. (alle Namen geändert) wieder und wieder das Telefon klingelt. Der Anrufer gibt sich als Polizist aus und behauptet, in der Nähe seien Mitglieder einer Bande festgenommen worden. Bei einem der Täter habe man einen Zettel mit der Telefonnummer von S. gefunden. Bankmitarbeiter seien ebenfalls verwickelt. Sie solle mit niemandem reden und all ihre Ersparnisse abheben; Polizisten würden das Vermögen abholen.

„Hatte ungeheure Überzeugungskraft“

„Wie konnte ich mich bloß so manipulieren lassen?“ Als Zeugin stellt Else S. diese Frage selbst. Sie sei eigentlich noch ganz fit und könne inzwischen auch mit Internet und Whatsapp umgehen. Aber der Mann habe ungeheure Überzeugungskraft gehabt.

Am Sonntagabend im Februar kommen die Anrufe im Halbstundentakt bis 21 Uhr, danach ist sie so verängstigt, dass sie sich angezogen ins Bett legt und kein Auge zubekommt. Am nächsten Tag gehen die Anrufe weiter.

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150 Kilometer nordöstlich, im westfälischen Paderborn, hat unterdessen „Läufer“ Ali P. einen Telefonkontakt zu einem „Ahmed“ gehabt. Der ist zustande gekommen, weil Barmann Ali P., ein alleinerziehender Vater, der mit seinem zweieinhalb Jahre alten Töchterchen bei den Eltern lebt, Geld braucht. In einer Shisha-Bar hat er jemanden kennengelernt, der 500 Euro verspricht, wenn er woanders Geld abholt. „Ich wusste, dass das nichts Legales sein konnte“, lässt Ali über seinen Anwalt erklären. Aber ich wusste nicht, was es war.“

Ali P. bittet einen Kumpel, ihn zu fahren. Es geht in Richtung Dortmund, dann weiter nach Wermelskirchen. Ali P. steht telefonisch in Verbindung mit dem unbekannten Ahmed. Der dirigiert ihn.

Was Ali und der unbekannte Ahmed nicht wissen: Die Kripo Esslingen hört mit. Sie nimmt Kontakt mit Bergisch Gladbach auf, wo der um 16 Uhr beginnende Spätdienst übernimmt. Auf einmal wird alles sehr dynamisch: Als nämlich der geplante Tatort bekannt wird. Zwei Kripo-Frauen, ein Einsatztrupp und ein Hundeführer eilen nacheinander nach Wermelskirchen.

Ganzes Vermögen vom Balkon geworfen

Die Kripo-Mitarbeiterinnen lassen sich aus Esslingen informieren, was die andere Seite gerade plant, und geben das an die Kollegen weiter. Plötzlich melden die Kollegen vom Einsatztrupp „Zugriff“: Else S. hat gerade ihr ganzes Vermögen in einer Einkaufstasche vom Balkon ihres Mietshauses geworfen. Ali fängt es unten auf. Als ihn ein Zivilfahnder anspricht, rennt er weg, einem andern Beamten genau in die Arme. Auch Alis Fahrer wird geschnappt.

Die Kripo-Frauen fahren zu Else S. Nur mit größter Mühe gelingt es ihnen, sie davon zu überzeugen, dass sie echt sind. Der falsche Polizist ruft trotz der Festnahme noch mehrfach an, spricht perfektes Deutsch mit leicht süddeutschem Dialekt, sagte eine Beamtin vor Gericht. Zwischendurch habe es an der Tür geklingelt; als die Beamtinnen nachsehen, ist keiner mehr da. Die Ordnungshüterinnen vermuten, dass es ein weiterer Täter gewesen ist, der als Ersatzmann im Hintergrund gewartet hat.

Gestern vor Gericht legt Ali ein Geständnis ab. Der junge Mann, nicht einschlägig vorbestraft, beteuert, er habe nicht gewusst, dass eine alte Frau ausgenommen werden sollte. Dabei hätte er niemals mitgemacht. Er schäme sich sehr.

Sein Komplize will von allem nichts gewusst haben. Das nimmt ihm das Gericht nicht ab. Als freie Männer verlassen der Läufer und der Fahrer nach mehr als vier Monaten U-Haft das Gericht. Sie dürfen sich drei Jahre nichts zuschulden kommen lassen. Die Hintermänner laufen weiter frei herum.

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