Vom Jäger zum GejagtenNRW-Justizminister Peter Biesenbach steht unter Druck

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Im Kreuzfeuer: Als NRW-Justizminister steht Peter Biesenbach nun selbst im Fokus eines Untersuchungsausschusses.

Im Kreuzfeuer: Als NRW-Justizminister steht Peter Biesenbach nun selbst im Fokus eines Untersuchungsausschusses.

  • NRW-Justizminister Peter Biesenbach steht im Fokus eines Untersuchungsausschusses.
  • Es geht unter anderem um ein Telefonat, das Biesenbach mit dem zuständigen Staatsanwalt geführt hat.
  • Zur Halbzeit-Bilanz schauen wir auf die Fälle, die das amt für ihn so schwierig machen.

Düsseldorf/Oberberg – Peter Biesenbach denkt nach und wird ernst, sein Lächeln ist verschwunden. Ob er sich die Zeit in seinem Amt als NRW-Justizminister so schwierig vorgestellt hat? Drei Beispiele aus zweieinhalb Jahren: die unfassbaren Missbrauchsfälle von Lügde und von Bergisch Gladbach, dazu der Tod eines zu Unrecht inhaftierten Syrers in einem Gefängnis – und der Justizminister mittendrin. Fälle, die Spuren hinterlassen.

„Nein“, sagt Biesenbach nach kurzem Nachdenken. „So habe ich mir das sicher nicht vorgestellt.“ Dann versucht er, wieder zu lächeln. Es sind die Fälle selbst, die den 71-jährigen Hückeswagener ins Grübeln bringen, nicht seine Rolle dabei. Schnell wird das klar, wenn Biesenbach in diesen Tagen über die Frage spricht, von der manche denken, dass sie ihm irgendwann jetzt zur Halbzeit das Amt kosten könnte. Hat er als Justizminister Einfluss auf die Fortsetzung der Ermittlungen nach der Wlan-Panne am Fernseher seiner damaligen Ministerkollegin Christina Schulze Föcking genommen?

Biesenbach erinnert sich nicht an Telefonate

Es geht um ein Telefonat, das Biesenbach zunächst mit dem zuständigen Staatsanwalt geführt hat – so viel steht fest. Dass er danach auch noch Schulze Föcking selbst angerufen hat, daran konnte sich Biesenbach nach eigenen Angaben nicht mehr erinnern – bis er seine Verbindungsdaten sah und diese bekanntmachte. Und damit ist er mittendrin im Kreuzfeuer der Landespolitik: Kann es sein, dass er exakt eine Minute mit ihr telefoniert hat?

Oder gibt es andere Gründe dafür, dass so ein Anruf mit „1:00“ in seinen Verbindungsdaten verzeichnet ist? Experten aus der Branche erklären: Der Minister muss nicht telefoniert haben. Ein Anruf auf der Mailbox, eine Weiterleitung auf das Festnetz, bei der die Verbindung dann nicht zustande kommt, aber auch die Funktion, dass der Angerufene per SMS über den verpassten Anruf informiert wird, wären eine andere Erklärung.

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Aber warum hat Biesenbach überhaupt angerufen? Und warum wusste er das nicht mehr? Welche Rolle spielt jetzt auch noch sein privates Handy? Biesenbach grübelt nicht – zumindest nicht so wie bei Fragen nach Lügde, Bergisch Gladbach oder dem Tod des Syrers. Der Rechtsanwalt ist im Verteidigungsmodus, fest davon überzeugt, nicht verurteilt zu werden.

Trotzdem ist das neu für den Hückeswagener. Nicht einmal vier Jahre ist es her, da trat der Jurist in einer ganz anderen Rolle auf. Bilder davon zeigen ihn auch vor dem Dom: Biesenbach als Vorsitzender des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Kölner Silvesternacht. Biesenbach auf der Jagd nach den Verbindungsdaten der Ministerpräsidentin und des damaligen Innenministers Ralf Jäger. Biesenbach auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, wer für was verantwortlich war. Und jetzt ist alles umgekehrt – vom Jäger zum Gejagten.

Kritik wurde im Vorhinein angekündigt

„Es war mir klar, dass mich die Opposition persönlich aufs Korn nehmen würde – genau wegen der Rolle, die ich damals gespielt habe“, sagt Biesenbach. Das sei ihm sogar angekündigt wurde. In der Sache nämlich sei er sich auch mit den Vertretern der Opposition in der Rechtspolitik zumeist einig: „Das haben sie mir jüngst bei der Haushaltsdebatte auch noch gesagt.“

Ein Grund dafür sind auch Biesenbachs überraschende Ansätze: Dass ausgerechnet der oberbergische CDU-Mann in seinen ersten zweieinhalb Jahren unter anderem die Abschaffung der Strafbarkeit des Schwarzfahrens mit Bahn und Bus vorschlagen würde – damit hatte auch die Opposition nicht unbedingt gerechnet. Der Minister hat eine lange Agenda.

KI soll kinderpornografisches Material auswerten

Vor allem will er die chronisch überlastete Justiz zukunftsfähig machen – und damit auch gleich die Ermittler. Mit modernster Technik: Gemeinsam mit Microsoft arbeitet er an einer technischen Lösung auf Basis der Künstlichen Intelligenz (KI), um künftig Unmengen an kinderpornografischem Material, wie sie im Umfeld des Falls in Bergisch Gladbach sichergestellt wurden, in Windeseile auswerten zu können, ohne dass ein Beamter sich alles ansehen müsste. „Ein echter Sprung nach vorne wäre das“, sagt Biesenbach – in seinen Augen blitzt es, die Angriffslust ist zurück und das Lächeln auch.

Ein Minister, der auf KI setzt, aber über Verbindungsdaten stolpert? Noch kann sich das auf den Gängen des Landtages niemand wirklich vorstellen. Die Reihen der Regierungsfraktionen sind geschlossen, die Blaupausen für die Abwehrreaktionen auf Rücktrittsforderungen liegen immer griffbereit. Und doch fragt und ärgert sich der ein oder andere auf den Fluren, wie ausgerechnet Biesenbach – dem Jäger der Verbindungsdaten von Hannelore Kraft – genau so etwas passieren konnte.

Justizminister will weitermachen!

Was das für die zweite Halbzeit bedeutet, bleibt die spannende Frage der nächsten Wochen und Monate. Und danach? „Ich bin topfit“, sagt der 71-Jährige. Jetzt trägt er wieder das ganz breite kämpferische Lächeln. Dass 2022 nach dann mehr als 20 Jahren für Oberberg im NRW-Landtag endgültig Schluss sein könnte, daran will er keinen Gedanken verschwenden – jetzt erst recht nicht.

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