Geringverdienende haben das NachsehenNotstand bei Sozialwohnungen in Gladbach

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Die Stadt möchte mit einer festgelegten Quote von 30 Prozent mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen.

Bergisch Gladbach – Die Stadt hat ein Problem. Wer nicht genug verdient, geht leer aus. Für Haushalte mit geringem Einkommen ist es fast unmöglich, überhaupt noch eine Bleibe zu finden. Denn Sozialwohnungen gibt es viel zu wenige. Mit Hilfe des geplanten „Baulandbeschlusses“ will sich die Stadt künftig ein Mitspracherecht sichern bei der Gestaltung neuer Bebauungsgebiete – auch um den Preis, sich dabei mit privaten Investoren anzulegen.

Bestimmte Bevölkerungsgruppen mit geringem Einkommen in Höhe von 1500 bis 1700 Euro – etwa Krankenpfleger, Verkäufer oder Kraftfahrer, vor allem aber Alleinerziehende – sind bereits heute faktisch vom Wohnungsmarkt ausgeschlossen. „Sie haben praktisch keine andere Wahl, als Bergisch Gladbach zu verlassen“, heißt es in der Studie des Bonner Büros Quaestio. Die Gutachter sprechen von einem „Wohnungsnotstand“. Sie stellen am morgigen Donnerstag im Sozialausschuss ihre beiden Studien zum Handlungskonzept Wohnen sowie zur Baulandstrategie vor. Die Erkenntnisse der Forscher sollen der Politik als Grundlage für konkrete Festlegungen für eine künftige sozialgerechte Bodennutzung dienen.

Feste Quote von 30 Prozent für bezahlbaren Wohnraum 

Ende 2019 gab es in Bergisch Gladbach 1820 geförderte Wohnungen. Dies entspricht einem Anteil von nur drei Prozent am heutigen Wohnungsbestand von 56 917 Wohnungen. Sollte die Stadt nicht bald handeln, wird sich laut Gutachten der mietpreisgebundene Wohnungsbestand weiter reduzieren. Denn bis 2035 wird für weitere 766 geförderte Wohnungen im Stadtgebiet die Bindungsfrist auslaufen. Die Zahl der geförderten Wohnungen würde sich auf 1054 reduzieren. Der Anteil gemessen am heutigen Wohnungsbestand läge dann bei nur noch 1,8 Prozent.

Bauland

Zwei Strategien

Beim Kommunalen Zwischenerwerb im Außenbereich soll nur dann neues Baurecht geschaffen werden, wenn sich Eigentümer verpflichten, Grundstücke zu einem festgelegten Preis an die Stadt zu verkaufen. Beim Kooperationsmodell werden Bebauungspläne aufgestellt, wenn über städtebauliche Verträge gemeinwohlorientierte Leistungen vereinbart wurden. Diese Steuerungsmöglichkeit entfällt, wo es im Innenbereich keinen Bebauungsplan gibt. Für Genehmigungen nach Paragraf 34 Baugesetzbuch wird eine Baugenehmigung erteilt, wenn sich das Bauvorhaben in die Umgebung einfügt. (ub)

Zentrales Ergebnis des Quaestio-Gutachtens ist, dass künftig eine feste Quote von 30 Prozent der Wohnfläche innerhalb eines Bebauungsplanverfahrens für sozialen Wohnungsbau verwendet werden soll. So könne das Angebot für Haushalte mit geringem Einkommen wenigstens auf dem jetzigen Niveau gehalten werden. Hierfür wäre eine Bauleistung von rund 2700 Wohnungen bis zum Jahr 2035 erforderlich. Je nach Dichte der Bebauung ergibt dies einen Flächenbedarf von 58 bis 84 Hektar. Allerdings stellen die Gutachter klar: „Eine Versorgung aller Berechtigten mit geförderten Wohnungen ist nicht realistisch.“

Bereits 2019 hatte der Stadtrat einen Grundsatzbeschluss über eine Baulandstrategie getroffen, durch die mehr bezahlbarere Wohnungen geschaffen werden soll. Demnach können privatwirtschaftliche Akteure nur noch in Kooperation mit der Stadtverwaltung Bauprojekte umsetzen. Für die Umsetzung sollen zwei Instrumente sorgen: der kommunale Zwischenerwerb und das Kooperationsmodell (siehe Infokasten).

Eigentümer muss Grundstück unter Marktwert verkaufen 

Unbeplante Flächen können nur dann zu Bauland umgewandelt werden, wenn die Eigentümer ihre Areale vorab preisreduziert unter Marktwert an die Kommune veräußern. So soll ein Teil des Wertzuwachses abgeschöpft werden, das ein bislang wertloses Grundstück durch die Ausweisung zu Bauland erfährt. Mit einem Widerstand der Investoren muss gerechnet werden. Die Stadt glaubt aber, am längeren Hebel zu sitzen. Wenn ein Unternehmen nicht zustimme, dann bleibe das betreffende Grundstück eben einfach liegen, heißt es im Gutachten.

Politik

Kritik und Zustimmung

Die Freien Wähler lehnen das Opfern weiterer Natur- und Freiflächen sowie eine zunehmende „Verstädterung“ Bergisch Gladbachs vor dem Hintergrund der Klimakrise ab. Die Studie sei zudem erstellt worden, als das Zanders-Areal noch nicht für den Wohnungsmarkt zur Verfügung gestanden habe. Die Ampel-Koalition begrüßt die Vorlage des Büros Quaestio für die Baulandstrategie. Auf Zustimmung stößt, dass der Gutachter mit einer Quote von 30 Prozent für geförderten Wohnraum „zu klaren Vorschlägen kommt.“ Eine weitere Spaltung der Gesellschaft müsse verhindert werden. (ub)

Potenzial für Neubaugebiete bieten Grundstücke am Stadtrand oder im Außenbereich, etwa Äcker oder Wiesen. Innerorts gibt es kaum noch verfügbare Flächen. Und: „Die Möglichkeiten zur Nachverdichtung in Bergisch Gladbach sind ausgeschöpft,“ heißt es im Gutachten.

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Der Entwurf des Handlungskonzeptes Wohnen soll auch der Öffentlichkeit sowie der Wohnungswirtschaft zur Beteiligung vorgelegt werden – im Laufe des Sommers für mindestens 30 Tage, kündigt die Stadtverwaltung an. Der neue Baulandbeschluss mit einer verpflichtenden Quote von 30 Prozent geförderten Wohnungsbau soll dann zeitgleich mit dem Handlungskonzept Wohnen von der Politik beschlossen werden.

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