Interview mit Schulleiter„Die Situation an der Förderschule in Bergisch Gladbach ist dramatisch“

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Herr Nagel sitzt an einem Tisch in seinem Büro. Auf dem Tisch liegt seine Brille, daneben steht eine Kaffeetasse.

Schulleiter Philipp Nagel plädiert für einen Neubau der Förderschule auf einem anderen Grundstück in Bergisch Gladbach.

Die Förderschule in Bergisch Gladbach verliert die Hälfte ihres Schulhofs. Schulleiter Philipp Nagel spricht mit Uta Böker über die Belastungen.

In seinem Büro in der ersten Etage des Schulgebäudes am Mohnweg hängt an der Wand ein großer Bauplan für den Neubau des Sportkomplexes mit Hallenbad und Turnhalle, sodass sich der Schulhof der Verbundschule Mitte wesentlich verkleinert.

Wie sehr belastet der verkleinerte Schulhof die Schülerinnen und Schüler?

Philipp Nagel: Die Schüler leiden unter der Situation, obwohl sie sich große Mühe geben, das Beste draus zu machen. Es wird schwieriger, den Bildungsauftrag angemessen zu erfüllen, weil die Ausruh- und Bewegungsphase zu einer „Stresspause“ geworden ist. Und wie geht die Lehrerschaft mit dem Problem um? Auch das Kollegium erlebt die aktuelle Schulhofsituation als dramatisch. Sie beeinflusst den gesamten Schulalltag. Wir verzeichnen eine Zunahme an Regelverstößen. Die langfristige Gesundheit von Schülern und Lehrern macht mir große Sorgen.

Aber das Problem mit dem Schulhof steht doch symptomatisch für weitere Missstände?

Das Gebäude ist in einem bautechnisch und räumlich herausfordernden Zustand. Bei den aktuell steigenden Schülerzahlen vor allem mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung ist die Schule zudem deutlich zu klein. Wir stellen fest, dass die „Notrufe“ aus den Regelschulen zunehmen und dringender werden.

Was für Neuerungen sind dringend erforderlich?

Vor rund 60 Jahren war das Gebäude hochmodern. Doch es entspricht nicht mehr den heutigen Bedürfnissen. Wir brauchen größere Klassenräume, Nebenräume, mehr individuelle Rückzugsmöglichkeiten, sowohl auf dem Schulhof als auch im Gebäude. Differenzierungsräume sind kaum vorhanden. Wünschenswert wäre mehr Raum für handwerkliches Arbeiten zum Beispiel im Bereich Gartenbau, mehr Räume für Bewegung und für Ruhephasen.

Was verbirgt sich eigentlich hinter dem sperrigen Namen „Verbundschule Mitte“?

In NRW gibt es Förderschulen mit verschiedenen Förderschwerpunkten. Aufgrund einer neuen Mindestgrößenverordnung für die Schüleranzahl gerieten manche Förderschulen in Bedrängnis, weil sie drohten, zu klein zu werden. Der Rheinisch-Bergische Kreis entschied sich deshalb dafür, im Kreisgebiet drei Verbundschulen mit den Schwerpunkten Lernen, Sprache und emotionale Entwicklung an einer Schule zu bilden, um so größere und damit lebensfähige Förderschulen im Kreis zu erhalten. Eine davon ist die Verbundschule Mitte in Refrath.

Links im Bild sieht man den schwarzen Bretterzaun, daneben liegt der schmale Schulhof-Gang, der an das Schulgebäude grenzt.

Der Bauzaun für das Mohnweg-Hallenbad mit Turnhalle steht: Für die Schüler der Förderschule in Refrath halbiert sich der Schulhof.

Warum sind Förderschulen wichtig? Inklusion an einer Regelschule ist doch eigentlich viel besser?

Ja, für viele Kinder mit einem bestimmten Förderbedarf ist die Inklusion, also das Lernen in Klassen mit Kindern mit und ohne Förderbedarf sehr gut, und es fördert die Integration aller Schülerinnen und Schüler. Aber es gibt auch eine größere Anzahl an Kindern, deren Förderbedarf so groß ist, dass man das Förderschulsystem braucht, um noch intensiver zu helfen.

Wie sieht das speziell an Ihrer Schule aus?

Wir unterrichten rund 200 Kinder im Alter von sechs bis 18 Jahren, also vom 1. bis 10. Schuljahr, in 15 Klassen sowie zwei Klassen in Außenstellen. Das bedeutet, dass unsere Klassen deutlich kleiner sind als die in einer Regelschule. Zudem unterrichten wir vielfach in Doppelbesetzung.

Ist das nötig?

Ja, in jedem Fall. Wir betrachten die individuellen Entwicklungsstufen eines Kindes. In einer Klasse mit zirka zwölf Schülern arbeiten zumeist drei bis vier Lerngruppen auf unterschiedlichsten Niveaus. Da muss der Unterricht individuell vorbereitet sein. Die Lehrer müssen jedes einzelne Kind empathisch einschätzen können, um zu wissen, wann sie wie helfen oder intervenieren müssen.

Wie kann Ihrer Schule geholfen werden?

Wünschenswert wäre ein Neubau auf einem anderen Grundstück im Stadtgebiet. Hätten wir diese Perspektive, könnten wir die Belastungen der bevorstehenden Bauarbeiten für den Sportkomplex womöglich etwas leichter ertragen. Für einen Neubau sprechen auch die steigenden Schülerzahlen und die notwendige technische Ausstattung.

Ein Schulneubau wäre aber doch ein eher langfristiges Projekt. Was müsste kurzfristig passieren?

Die Kreisverwaltung hilft uns, indem sie zum Beispiel weitere Bustransfers zu außerschulischen Lernorten plant und einige Sachhilfen finanziert. Mit der Stadt Bergisch Gladbach muss geklärt werden, ob wir Pausenzeiten auf dem Schulhof der gegenüberliegenden Grundschule erhalten könnten. Das sind aber alles nur kleinere und aktuell drängende Maßnahmen.

An einem Neubau führt also nichts vorbei?

Meines Erachtens funktioniert das Regelsystem nur so lange, wie wir auch ein gutes Fördersystem anbieten können. Das zu optimieren, bedeutet Inklusion, das ist gut für alle und unsere strukturelle Aufgabe für die nächsten Jahre. Ein Neubau für unsere Schule wäre dabei ein wichtiger Baustein.


Komplizierte Zuständigkeiten

Die Stadt Bergisch Gladbach errichtet einen neuen Sportkomplex am Mohnweg in Refrath mit Hallenbad für das Vereinsschwimmen sowie eine Turnhalle, so dass sich der Schulhof der Verbundschule Mitte wesentlich verkleinert. Ein meterhoher, blickdichter Bauzaun riegelt bereits seit Anfang Januar die Baustelle ab. Seitdem herrscht bedrückende Enge auf dem Pausenhof, der sich größtenteils auf einen schmalen Gang reduziert.

Mit ihrem Protest wenden sich Schüler und Eltern sowohl an den Rheinisch-Bergischen Kreis als auch an die Stadt Bergisch Gladbach. Die Zuständigkeiten sind kompliziert: Der Kreis ist Träger der Förderschule und Mieter des Grundstücks. Die Stadt ist Grundstückseigentümer und Vermieter, die städtische Bäder GmbH tritt als Bauherr auf. Für den 20. Februar ist ein Termin mit allen Beteiligten angesetzt, um mögliche Lösungen zu besprechen. (ub)

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