RauswurfHaus Altenberg trennt sich wegen Regenbogenfahne von Mitarbeiter

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Eine Regenbogenflagge mit sechs Farbstreifen weht im Wind. Im Hintergrund ein Kirchturm.

Die Regenbogenflagge, Zeichen der Toleranz, weht in Odenthal am Supermarkt. In der katholischen Jugendbildungsstätte Haus Altenberg ist sie unerwünscht.

Die katholische Jugendbildungsstätte Haus Altenberg duldet die Fahne, die als Symbol von Frieden und Toleranz gilt, nicht.

Die Regenbogenflagge ist in Haus Altenberg nicht erwünscht. Die Fahne mit dem Farbspektrum des Regenbogens, die als Symbol für Frieden, Vielfalt und Toleranz gilt und daher in vielen Kulturen und von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen als Zeichen genutzt wird (siehe Kasten), hat keinen Platz in der katholischen Jugendbildungsstätte.

Das erfuhr vor kurzem ein Mitarbeiter, der als Honorarkraft im Team der Einrichtung gearbeitet hat und Schülergruppen bei den „Tagen der religiösen Orientierung“ begleitete. „Weil ich in der Kapelle von Haus Altenberg für einen abendlichen Impuls eine Regenbogenflagge als Zeichen der Toleranz aufgehängt habe, wurde ich rausgeworfen“, ist der 23-Jährige immer noch fassungslos. Mit Rücksicht auf Familienmitglieder, die beim Erzbistum Köln beschäftigt sind, möchte er namentlich nicht genannt werden.

Student schlägt Fahne als Willkommenszeichen in Altenberg vor

Schon Monate vorher hatte der 23-Jährige im Gespräch mit der Leitung von Haus Altenberg den Vorschlag gemacht, in der Jugendbildungsstätte ein Zeichen des Willkommens zu setzen. „Ich wollte, dass sich Haus Altenberg weltoffen präsentiert und vielleicht mit der Regenbogenflagge ein sichtbares Zeichen gegen Diskriminierung setzt“, so der Team-Mitarbeiter.

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Zudem habe er angeregt, in Anlehnung an das existierende Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt auch ein Schutzkonzept gegen Diskriminierung zu erarbeiten, insbesondere gegen die Diskriminierung queerer Menschen. „Denn die Suizidrate von Mobbingopfern ist hoch“ erklärt der Psychologiestudent sein Engagement.

Leitung der Jugendbildungsstätte habe die Flagge verboten

Von der Geschäftsführung und der Teamleiterin sei aber Widerstand gekommen, unter anderem mit Verweis auf Erzbischof Woelki, dem dies „zu politisch“ sei. Politischer Aktionismus sei unerwünscht, habe man ihm mitgeteilt. Auch eine Reichsflagge, die jemand mal aufgehängt habe, sei daher sofort verboten worden, habe ihm Gert Buse entgegengehalten. Buse ist Geschäftsführer der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg e.V..

Es sei ein für ihn „sehr belastendes Gespräch“ gewesen, erinnert sich der 23-Jährige, bei dem er „kleingeredet“ worden sei und das auf ihn „wie ein Tribunal“ gewirkt habe. So blieb die Fahnenstange leer.

Ein schwuler Schüler wurde von Klassenkameraden gemobbt

Wochen später habe er bei den „Tagen der religiösen Orientierung“ eine Schulklasse aus der Mittelstufe betreut. Im Vorgespräch habe ihn eine Lehrerin darüber informiert, dass dort ein schwuler Schüler gemobbt werde.

Die Jugendlichen, denen das Mobbing vorgeworfen wurde, hätten ihr Verhalten mit ihrem Katholizismus begründet. „Sie waren überzeugt davon, dass es richtig war, diesen schwulen Schüler zu mobben“, ist der Gruppenleiter heute noch entsetzt.

Student nutzt beim Abendimpuls in Altenberg die Regenbogenflagge

Er selbst hat kein Mobbing erfahren, vielleicht „weil ich mich immer sehr hetero gegeben habe“, sagt der junge Mann, der sich erst vor zwei Jahren als schwul geoutet hat. Kein leichter Schritt für ihn, der aus einer engagiert-katholischen Familie stammt und dessen Großvater als Diakon tätig war.

Den Abendimpuls für die ganze Jahrgangsstufe in der Kapelle von Haus Altenberg habe er dann unter den Titel gestellt: „Leben und leben lassen“, berichtet der 23-Jährige weiter. „Dabei habe ich das Thema queere Menschen gar nicht erwähnt“, sagt er.

Student ist entsetzt, dass ein Toleranzzeichen zum Rauswurf führt

Stattdessen habe er den Liedtext „Bestandsaufnahme“ von Julia Engelmann gewählt und vor den Altar eine Regenbogenflagge als Zeichen der Vielfalt, der Toleranz und des Respekts gehängt. Als Ergebnis sei er aus der Gruppe der 38 Team-Mitarbeiter entfernt worden.

Gesprächsversuche mit der ihm vorgesetzte Referentin seien gescheitert. „Das macht mich fertig, dass ich wegen eines Zeichens der Akzeptanz und Toleranz rausgeworfen worden bin“, sagt der Student, der auch ehrenamtlich als Berater für queere Menschen arbeitet.

Leitung der Jugendbildungsstätte schweigt zu Personalangelegenheiten

Zu Personalangelegenheiten könne man sich grundsätzlich nicht äußern, erklärte der Geschäftsführer von Haus Altenberg, Gert Buse, schriftlich auf Anfrage. Unbeantwortet blieb daher auch die Nachfrage, ob die berufliche Veränderung der Referentin mit dem geschilderten Vorfall zu tun habe.

Die Jugendbildungsstätte Haus Altenberg biete für Schulklassen „Tage religiöser Orientierung“ als außerschulisches Bildungsangebot an, so Buse in seiner eher allgemein gehaltenen Erklärung. Es biete Jugendlichen die Möglichkeit, sich mit Fragen der eigenen Lebensorientierung und Sinnsuche auseinander zu setzen. Dabei bestehe die Möglichkeit eines offenen Nachdenkens über persönliche und religiöse Themen.

Um „wertoffen“ zu sein, verzichtet Haus Altenberg auf Symbole

Dieses Bildungsangebot werde von geschulten Honorarkräften angeboten und vom hausinternen Bildungsreferat begleitet. „Im Rahmen der Partizipation entscheiden die Teilnehmenden demokratisch selber, mit welchen Themen (sie) sich während ihrer Tage religiöser Orientierung beschäftigen möchten“, heißt es in dem Schreiben.

„Weder die Jugendbildungsstätte mit ihren Mitarbeitenden und Honorarkräften noch die Schule mit Lehrkräften oder Begleitpersonen nehmen hierauf Einfluss.“ Gemäß dem auch öffentlich auf der Homepage einsehbaren institutionellen Schutzkonzeptes seien „die eingesetzten Honorarkräfte dazu verpflichtet, sich klar und deutlich gegen Diskriminierung, Gewalt und sexualisiertes Verhalten zu positionieren und beim Auftreten von grenzverletzenden, sexualisierten oder gewalttätigen Atmosphären zu intervenieren.“

Buse: „Ein solches Bildungsangebot kann nur wertoffen gestaltet werden, wenn der Bildungsort selber als unvoreingenommene Lern- und Lebenswelt gestaltet ist. Aus diesem Grund sieht die Jugendbildungsstätte von aller entsprechenden Symbolik ab.“


Das Symbol der Regenbogenfahne

Die Flagge zeigt die sieben Farben, die das Naturphänomen des Regenbogens aufweist. Das Farbspektrum reicht von rot auf der oberen, bis violett auf der unteren Seite.

In vielen Kulturen weltweit wird die Regenbogenfahne als Ausdruck von Frieden, Aufbruch und Veränderung empfunden. Sie gilt auch als Zeichen für Toleranz und Akzeptanz der Vielfalt unterschiedlicher Lebensformen. Seit den 1970er Jahren ist die Regenbogenflagge auch ein internationales schwul-lesbisches Symbol, das allerdings nur sechs Farben in umgekehrter Reihenfolge zeigt.

Zeichen des Friedens

In Deutschland wurde die Regenbogenfahne erstmals 1996 an einem öffentlichen Gebäude in Berlin gehisst und hatte den sogenannten Berliner Flaggenkrieg zur Folge.

Nach dem Nein des Vatikans zu Segnungen von homosexuellen Paaren 2021 hissten auch einige katholische Pfarrgemeinden aus Protest die Regenbogenflagge vor ihren Kirchen. Schon im Alten Testament findet sich der Regenbogen als Zeichen des Friedens zwischen Mensch und Gott. (spe)

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