Karneval in Bergisch GladbachMichael Bierther hört als Präsident bei der Kajuja auf

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Bergisch Gladbach – Einen Zungenbrecher bei der Begrüßung meistert er ebenso souverän wie jedes Loch im Programm. Bei den Sitzungspräsidenten zählt er in Köln wie in seiner Heimatstadt Bergisch Gladbach zu den ganz Großen. Einer, der nie abgehoben ist – es sei denn ein Tanzkorps wie das der Dürscheder Mellsäck hat ihn spontan ins Programm einbezogen und mal kurz unter die Saaldecke geworfen. Kajuja-Präsident Michael Bierther lebt den Karneval – und will jetzt doch kürzertreten. Am kommenden Freitag wird der 34-Jährige bei der Gladbacher Kajuja-Sitzung zum letzten Mal als Präsident durchs Programm führen. Dort, wo für ihn alles begann, lange bevor er zum ersten Mal die Präsidentenkappe aufsetzte.

Im Wohnzimmer seines Elternhauses in Hebborn sehen seine Eltern ein Video. In dem ist ihr Sohn Michael als Siebenjähriger zu sehen. Zusammen mit seiner Schwester Jutta tritt er als „Zwei kleine Ströpp“ auf der Seniorensitzung der Kajuja im Bocker Saal auf. „Das war 1989, der erste Auftritt der beiden“, sagt Vater Heinz Bierther, während die Stimmen seiner Kinder aus dem Lautsprecher zu hören sind: „Mir han e Loch im Portemonnaie.“ Der kleine Michael hat Mühe, Portemonnaie und Hut gleichzeitig in den Händen zu halten, dabei zu klatschen und auch noch zu singen. Die Geschwister erobern die Herzen ihres Publikums im Sturm. „Die Kamera wackelt so, weil ich damals aufgeregter war als die beiden Kinder“, erinnert sich Christa Bierther schmunzelnd. Am Rand des Bildes ist ihr Mann zu sehen, der die Kinder auf dem Keyboard begleitet. „Das Lied hatte ein Freund unserer Familie aus der Kajuja Köln geschrieben“, erinnert sich Heinz Bierther an den ersten Auftritt, dem bald weitere folgen sollten. Nach dem Vorstellabend vor der nächsten Session standen Michael und Jutta rasch auch auf den ganz großen Bühnen der Domstadt, lernten Höhner, Bläck Fööss und Paveier ebenso als Kollegen kennen wie den jungen Bernd Stelter oder Gerd Rück, der Nachwuchskräften gegenüber stets besonders offen war.

Heute ist Bierther selbst in der engagierten Nachwuchsförderung aktiv. Die Kajuja Köln, deren Präsident er seit 2001 ist, gilt in der Domstadt als „kölsche Nachwuchs-Schmiede“. Zahlreiche Künstler hatten hier ihre ersten Auftritte.

Bis 1998 ist Bierther selbst mit seiner Schwester aufgetreten, hat sogar eigene Stücke geschrieben. Auch mit renommierten Chören wie dem Bayer-Chor oder dem Deutz-Chor ist der Gladbacher aufgetreten, hat mit Kinderliedermacher Rolf Zuckowski im Bergischen Löwen ein Konzert bestritten und für die Fernsehsendung Li-La-Launebär unter anderem eigene Schallplatten herausgebracht.

Erste Sitzungen im Kinderzimmer

„Eigentlich kannte er sich auf vielen Bühnen bestens aus, als er 2001 gefragt wurde, ob er Präsident der Kajuja in Köln werden wollte“, erinnert sich sein Vater, der früher selbst als Mitglied der „Vier Schwaadlappen“ aufgetreten ist. Zusammen mit Lukas Wachten übernahm Michael Bierther das Kajuja-Präsidentenamt in Köln, wurde zwei Jahre später auch Kajuja-Präsident in Gladbach. Seine Mutter hat zahlreiche Bilder, Videos, Tonträger und Zeitungsausschnitte des jüngsten ihrer drei Kinder gesammelt. Dass Michael das Zeug zum Präsidenten hätte, daran hatten seine Eltern schon in Kindertagen keinen Zweifel. „Seine ersten Sitzungen fanden im Kinderzimmer statt“, erinnert sich sein Vater. „Alle Puppen spielten mit und seine Schwester Jutta, wir beiden waren mit unserer ältesten Tochter das Publikum – und Michael der Präsident.“

Beruflich hatte der Filius nach dem Abitur am Gladbacher Nicolaus-Cusanus-Gymnasium Pläne außerhalb des Karnevals. Er wollte Journalist werden, sammelte in der Radiowerkstatt des Katholischen Bildungsforums, bei Praktika und als freier Mitarbeiter bei der Bergischen Landeszeitung und bei Radio Berg erste journalistische Erfahrungen, bevor er in Dortmund Journalismus studierte. Mittlerweile ist er Nachrichtenredakteur beim Westdeutschen Rundfunk.

Die berufliche Belastung im Schichtdienst, aber auch die Familie, die er zusammen mit seiner Ehefrau Meike gegründet hat, haben dem 34-Jährigen neue Perspektiven eröffnet, ihn aber auch sein Engagement im Karneval noch einmal überdenken lassen. Im Mai erwarten seine Frau und er das zweite Kind. Und im vergangenen Jahr hat sein Spannmann im Kölner Kajuja-Präsidentenamt, Lukas Wachten, aufgehört. Schweren Herzens hat sich Bierther entschlossen, sein Präsidentenamt in Gladbach abzugeben und allein in Köln Kajuja-Präsident zu bleiben. „Es tut mir in der Seele weh, weil mir die Kajuja und die Menschen hier in Gladbach am Herzen liegen. Aber es wird auf Dauer einfach zu viel“, sagt er. Seit Jahren schon lebt er mit seiner Familie in Frechen. „Das bedeutet für jeden Karnevalstermin mindestens eine Dreiviertelstunde mit dem Auto. Und früher oder später wollen die Kinder auch zu Hause mit ihren Freunden Karneval feiern oder am Sonntag im Frechener Zug mitgehen“, sagt der Familienvater,

Jetzt hofft der Präsident aber noch einmal auf eine schöne Abschiedssession: „Der Löwe wird am Karnevalsfreitag hoffentlich voll sein und die Leute gut drauf. Bei meiner letzten Sitzung will ich noch mal so richtig feiern.“

Karten für die Große Kajuja-Sitzung, die am kommenden Freitag wegen der Sperrung des Bocker Saals im Bergischen Löwen stattfindet, gibt es bei Erika Häger, Telefon (0 22 02) 2 12 82, Bestellung im Internet. www.kajuja-gl.de.

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