Ärztin aus Rhein-Erft im InterviewSo kommen Sie besser mit der Zeitumstellung klar

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Die Nacht auf Sonntag ist eine Stunde kürzer. Bis zu einem Drittel der Menschen tut sich schwer mit den Folgen der Zeitumstellung.

Die Nacht auf Sonntag ist eine Stunde kürzer. Bis zu einem Drittel der Menschen tut sich schwer mit den Folgen der Zeitumstellung.

  • Etwa ein Viertel bis ein Drittel der Menschen in Deutschland berichtet, dass sie unter der Zeitumstellung leiden, erklärt Dr. Eva Kalbheim.
  • Sie ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und hat ein Buch über das Schlafen geschrieben.
  • Im Interview erklärt sie, wieso manch einer nicht so gut mit der Zeitumstellung klar kommt und was man dagegen unternehmen kann.

Rhein-Erft – Dr. Eva Kalbheim ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Die stellvertretende Klinikleiterin der Fachklinik Schloss Gracht hat ein Buch über das Schlafen geschrieben. Ulla Jürgensonn hat mir ihr über der Folgen der Zeitumstellung auf den Rhythmus der Menschen gesprochen.

Warum bringt die Zeitumstellung manche Menschen so aus dem Takt?

Die Zeitumstellung bringt den chronobiologischen Rhythmus von Mensch und Tier durcheinander: Die innere Uhr muss sich umstellen, viele Stoffwechselvorgänge geraten aus dem Takt, und der Tag-Nacht-Rhythmus wird um eine Stunde verschoben.

Ärztin Dr. Eva Kalbheim

Ärztin Dr. Eva Kalbheim

Etwa ein Viertel bis ein Drittel der Menschen in Deutschland berichtet, dass sie unter der Zeitumstellung litten. Sie beklagen Müdigkeit, Stimmungsschwankungen, Leistungsknick und Unkonzentriertheit. Diese Menschen sind besonders empfindlich für Abweichungen ihres inneren Taktgebers von der äußeren Zeit, sie brauchen Tage oder Wochen, bis sie sich umgestellt haben.

Und warum leiden andere gar nicht darunter?

Viele Menschen kommen recht gut mit der Zeitumstellung zurecht. Sie sind ein, zwei Tage müder als sonst, fühlen sich aber kaum eingeschränkt. Ihre innere Uhr ist weniger störanfällig und stellt sich schneller um.

Was passiert in unserem Körper, wenn wir schlafen?

Im Schlaf erholen und entspannen sich Körper und Seele. Der Organismus füllt seine Energiereserven nachts wieder auf, das Immunsystem erholt sich, schadhafte Zellen werden repariert oder erneuert, giftige Stoffwechselprodukte werden unschädlich gemacht, neue Blutzellen entstehen, und statt Stresshormonen werden Wachstumshormone ausgeschüttet. Im Gehirn entstehen neue Nervenzellverbindungen, wodurch Eindrücke, Erinnerungen und Lerninhalte im Gedächtnis verankert werden können. In den Nervenzellnetzwerken wird Wichtiges von Unwichtigem getrennt, Emotionen und Fakten werden verarbeitet und abgespeichert.

Schlafentzug ist Folter. Warum brauchen unser Gehirn und unsere Seele den Schlaf so dringend?

Wer mehrere Tage kaum oder schlecht schläft, wird reizbar, unkonzentriert und schlecht gelaunt. Nach mehrtägigem Schlafentzug kann man sogar Wahnvorstellungen entwickeln! Die Seele kommt im Schlaf zur Ruhe, verarbeitet das Tagesgeschehen und tankt neue Kraft.

Sind Schlafstörungen ein neues Phänomen oder gab es sie schon immer?

Schlafstörungen sind schon in der Antike beschrieben worden – vermutlich sind sie so alt wie die Menschheit. Denn der Schlaf ist störanfällig: Wer schläft, ist maximal ungeschützt und verletzbar.

Wie viel „schlecht Schlafen“ ist normal, wann wird es zur Krankheit?

Ärzte sprechen immer dann von einer krankheitswertigen Schlafstörung, wenn der Nachtschlaf mindestens einen Monat lang in drei oder mehr Nächten pro Woche gestört ist und der Betroffene darunter leidet, also verminderte Leistungsfähigkeit oder veränderte Stimmung beklagt. Wer ab und zu schlechter einschläft, nachts mehrfach aufwacht oder längere Zeit wach liegt, aber dies nicht als belastend empfindet, braucht sich zunächst keine Sorgen zu machen. Ein gesunder Körper gleicht das Schlafdefizit nach einigen Tagen von selbst aus – man schläft dann einfach etwas mehr und tiefer.

Gibt es Erkenntnisse darüber, ob die Corona-Krise samt Lockdown Schlafstörungen befördert?

Die Corona-Pandemie belastet viele Menschen stark: Angst, Depression und auch Schlafstörungen nehmen zu, Überforderung oder Existenzängste stören die Nachtruhe, und schon Kinder leiden psychisch sehr unter Lockdown, Homeschooling und Social Distancing. Eine aktuelle Studie aus Berlin zeigt, dass insbesondere Menschen mit seelischen Vorerkrankungen derzeit besonders belastet sind und mehr Therapie, Zuwendung und Kontakt benötigen.

Sind Sie dafür, die Zeitumstellung abzuschaffen?

Ich mag die Sommerzeit gerne, weil es so lange hell ist und ich besonders viel vom Tag habe. Zum Glück habe ich persönlich wenig Probleme mit der Zeitumstellung, und ich freue mich schon jetzt auf den längsten Tag im Jahr. Hoffentlich können wir dann endlich wieder mit mehreren Menschen zusammen feiern und den Sommer genießen.

Zeitumstellung: Tipps für einen besseren Schlaf

Nehmen Sie es locker! Die Zeitumstellung ist zwar eine Belastung für den menschlichen Organismus, aber die innere Einstellung spielt eine wichtige Rolle: Wenn Sie fest davon überzeugt sind, dass Sie Probleme haben werden, dann werden Sie auch Probleme haben. Sind Sie hingegen entspannt und nehmen es, wie es kommt, dann wird es Ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit gut gehen.

Verschieben Sie den Tagesrhythmus langsam. Gehen Sie zwei bis drei Tage jeweils eine halbe Stunde später ins Bett als nach Winterzeit üblich. So kommen Sie sanft in die Sommerzeitzone.

Machen Sie jeden Abend einen etwa halbstündigen Spaziergang. So tanken Sie Sauerstoff, bewegen sich, kommen auf andere Gedanken und können entspannen.

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Trinken Sie abends einen leckeren Kräutertee. Besonders geeignet sind Lavendel, Passionsblume, Hopfen und Baldrian. Diese Pflanzen enthalten schlaffördernde Substanzen.

Verdunkeln Sie Ihr Schlafzimmer, lüften Sie gründlich durch und sorgen Sie für Ruhe. Drehen Sie den Wecker um, damit Sie nachts nicht auf die Uhr schauen können. Wenn Sie nachts wach werden, räkeln Sie sich, kuscheln sich wieder ein und konzentrieren sich auf Ihren Atem. Denken Sie „Ich atme ein, ich atme aus“ und lassen Sie alle anderen Gedanken kommen und gehen wie Wolken am Himmel. Ohne Gedankenkarussell schlafen Sie rasch wieder ein.

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