Nach zehnjähriger SucheRätsel um verschollene Friedhofs-Gruft in Bergheim ist gelöst

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Zum Schutz vor Keimen trugen alle, die das Gewölbe betraten, Ganzkörperanzüge und Atemmasken.

Zum Schutz vor Keimen trugen alle, die das Gewölbe betraten, Ganzkörperanzüge und Atemmasken.

Ehrenamtler hatten im Auftrag des Kirchenvorstands nach dem Eingang der Krypta gesucht.

Am 4. Oktober 2021 durfte sich Peter Dörr ein wenig wie Ägyptologe Howard Carter bei der Entdeckung des Grabs von Pharao Tutanchamun fühlen. Dörr war an jenem Tag der erste, der einen Blick in die jahrzehntelang verschollene Krypta auf dem Oberaußemer Friedhof werfen durfte. „Das war sehr bewegend“, sagt Dörr über den Moment, als seine Stirnlampe zum ersten Mal nach mehr als 50 Jahren wieder Licht in den Gewölbekeller warf. Im Halbdunkel konnte er die Reste von hölzernen Särgen und die Gebeine von sechs Priestern sehen, die hier bestattet worden waren.

Der Öffnung der Krypta war eine zehn Jahre lange Suche vorangegangen. Pfarrer Achim Brennecke hatte bei einem Festakt nach der Neugestaltung des Priestergrabs auf dem Oberaußemer Friedhof im Jahr 2011 den Wunsch geäußert, hier ebenfalls einmal bestattet zu werden.

Als erster begab sich der damalige Kirchenvorstand Rainer Mühle auf die Suche

Das stellte den Kirchenvorstand allerdings vor die Aufgabe, überhaupt erst mal den Eingang in die unterirdische Gruft zu finden. „Die Lage war grob bekannt, aber es war nichts genaues bekannt“, berichtet Hans Griese. Es musste geklärt werden: Wo ist der Einstieg, und ist überhaupt noch Platz für weitere Beisetzungen in der Krypta.

Pensionär Griese gehört zu einer Gruppe von Ehrenamtlern, die im Auftrag des Kirchenvorstands nach dem Eingang der Krypta gesucht haben – in Kooperation mit Denkmalbehörden, der Stadt, einem Bestattungsunternehmen und einem Steinmetz. Als erster auf die Suche hatte sich der damalige Kirchenvorstand Rainer Mühle gemacht – der aber erlebte die Auffindung des Eingangs gar nicht mehr.

Mühle starb wenige Monate vor der Entdeckung. Seine Mitstreiter benannten das Projekt, das auf der Internetseite des Stadtteilforums dokumentiert ist, nach ihm.

Die Krypta auf dem Friedhof Oberaußem wurde nach 50 Jahren wiederentdeckt und die Gebeine von sechs Priestern neu beigesetzt.

Die Krypta auf dem Friedhof Oberaußem wurde nach 50 Jahren wiederentdeckt und die Gebeine von sechs Priestern neu beigesetzt.

Die Gruppe befragte alteingesessene Oberaußemer, die auch noch die letzte Beisetzung in dem Priestergrab im Jahr 1971 erlebt hatten, als Pfarrer Johannes Oehm dort seine Ruhestätte fand. Jedoch: „Alle gaben unterschiedliche Positionen an, wo sich der Eingang auf dem Friedhof befinden sollte“, sagt Griese. „Und wir konnten ja nicht einfach auf gut Glück auf dem Friedhof herumbuddeln.“ Bekannt war: Die Krypta ist ein Überbleibsel der alten Oberaußemer Kirche, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts abgebrochen wurde.

Im Jahr 2017 fand eine Bodenradaruntersuchung statt. Der Eingang zu dem unterirdischen Raum konnte dabei aber nicht exakt ausfindig gemacht werden, auch nicht mit Hilfe eines Lageplans aus dem Jahr 1822.

Der Eingang konnte schließlich geortet werden

Im 2021 schließlich entschloss sich die Gruppe, der Gruft endlich auf die Spur zu kommen: Bei einer Bohrung stießen die Ehrenamtler in 80 Zentimetern auf das Deckengewölbe und konnte bei mehreren Versuchen Kameras einführen und erste Eindrücke aus dem zwei mal zwei Meter großen Raum gewinnen. Auch der Eingang konnte schließlich geortet werden.

Im Oktober 2021 dann erfolgte die erste Öffnung der Krypta, weitere folgten. Grabsteinfundamente wurden entfernt, um den unterirdischen Raum vernünftig begehen zu können. Im Juni vorigen Jahres dann erfolgte die Umbettung der Priester-Knochen, die erst mühsam zugeordnet werden mussten, in neue hölzerne Gebeintruhen, die wieder ihre Platz in der Krypta fanden.

Die Frage, warum die Gruft angelegt wurde, bleibt offen

Zum Schutz vor Keimen trugen alle, die das Gewölbe betraten, Ganzkörperanzüge und Atemmasken. „Wir haben immer in Abstimmung mit den Fachleuten der Behörden gearbeitet, die uns angeleitet haben“, sagt Kirchenvorstand Norbert Schumacher. Erst vor ein paar Wochen wurde die Gruft wieder verschlossen – bis zur nächsten Beisetzung.

„Doch alle Rätsel sind damit noch nicht gelöst“, sagt Griese. So ergab die Untersuchung eines Feldbrandsteins, dass die Krypta etwa aus dem Jahr 1490 stammt und damit über 530 Jahre alt ist. Nun stelle sich zum Beispiel die Frage, warum die Gruft überhaupt zu diesem Zeitpunkt angelegt wurde, denn die Kirche Sankt Vinzenz bestand schon viel länger auf dem Kirchberg und wurde im Jahr 1306 zum ersten Mal erwähnt.

Den Oberaußemer Hobby-Archäologen schwebt nun vor, Kirche und Krypta zu einem wissenschaftlichen Forschungsthema an einer Universität zu machen. „Es ist viel zu wenig darüber bekannt“, findet Griese.

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