Zwei Jahre und sechs MonateJurist erklärt Urteil zum tödlichen Unfall in Pulheim

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Das Foto zeigt einen Polizeieinsatz im Amtsgericht Bergheim. Rund 20 Beamtinnen und Beamte sicherten den Prozess gegen einen Mann, der bei einem Verkehrsunfall zwei Menschen fahrlässig getötet hatte.

Rund 20 Polizisten sicherten den Prozess im Amtsgericht Bergheim. Noch vor der Urteilsverkündung war zu Tumulten im Gerichtssaal gekommen.

Der Direktor des Bergheimer Amtsgerichts erklärt, welche Überlegungen dem Strafmaß gegen den 39-jährigen Verurteilten zugrunde lagen.

Es war ein Unfall, der Entsetzen auslöste. Und auch das Urteil gegen den Unfallfahrer erregte Aufsehen: Zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt das Amtsgericht Bergheim einen 39-Jährigen aus Rommerskirchen, der im vorigen Sommer mit 2,3 Promille auf der B59 bei Pulheim mit einem Lieferwagen nach einem Überholmanöver einen Vater und seinen Sohn auf einem Roller rammte. Der damals 38-Jährige flüchtete, beide Rollerfahrer starben.

Später stellte sich heraus: Der Unfallfahrer war schon früher wegen Trunkenheit am Steuer aufgefallen, eine Fahrerlaubnis hatte er nicht, und er hatte bei einer früheren Kontrolle einen gefälschten Führerschein vorgelegt. Zusätzlich zur Haftstrafe erließ das Schöffengericht noch eine Sperre: Vier Jahre lang darf dem 39-Jährigen keine Fahrerlaubnis ausgehändigt werden.

Bei fahrlässiger Tötung beträgt die Höchststrafe fünf Jahre

Nicht nur Familie und Freunde der beiden Getöteten, die ihren Unmut über das Urteil lautstark im Gerichtssaal äußerten, fragten sich: Zweieinhalb Jahre Haft gegen zwei Menschenleben – ist das gerecht?

„Ich glaube nicht, dass irgendein anderes Gericht zu einem wesentlich anderen Urteil gekommen wäre“, sagt Thomas Ulmer, Direktor des Bergheimer Amtsgerichts. Bei fahrlässiger Tötung wie im vorliegenden Fall sehe das Gesetz eine Höchststrafe von fünf Jahren vor – der Strafrahmen, den ein Amtsgericht ausschöpfen könne, reiche aber lediglich bis zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. „In diesem Rahmen muss sich das bewegen.“

Amtsgerichtsdirektor zieht Vergleiche zu zwei anderen Verfahren

Wären Staatsanwaltschaft oder Gericht davon ausgegangen, dass die Strafe höher sein muss, wäre der Mann bei der Kammer angeklagt worden, vor dem Landgericht in Köln also.

Richter Klaus-Stephan von Danwitz hatte bereits in der Hauptverhandlung klargestellt, dass es aus seiner Sicht keine Bewährungsstrafe geben könne. „Das war kein Augenblicksversagen“, sagte von Danwitz. „Es muss eine Freiheitsstrafe verhängt werden.“

Das sieht auch Ulmer so und zieht Vergleiche zu zwei anderen Prozessen aus jüngster Vergangenheit. In Bergisch Gladbach war einer der Hooligans, die beim FC-Spiel in Nizza randaliert hatten, wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. „Hier ist zwar kein Mensch zu Tode gekommen, aber der Täter hat mit Vorsatz gehandelt“, sagt Ulmer.

Der zweite Fall: Im vorigen August hatte ein Mann ein elfjähriges Mädchen in Erftstadt-Friesheim übersehen und mit seinem Lkw überfahren. Wegen fahrlässiger Tötung war er zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird.

„Hier lag ein Augenblicksversagen vor“, sagt Ulmer. Daher sei die Strafe niedriger gesetzt worden. Beide Fälle, sowohl der des getöteten Mädchens als auch der von Vater (35) und Sohn (18) seien von unfassbaren Emotionen überlagert.

Reaktionsfähigkeit des Fahrers war eingeschränkt, weil er betrunken war

Im Fall des betrunkenen Lieferwagenfahrers seien zudem strafmildernde Umstände anerkannt worden. Dazu zählt das vollumfängliche Geständnis gleich zu Beginn der Verhandlung, wodurch ein längerer Prozess habe vermieden werden können, aber auch die starke Alkoholisierung des Mannes, dessen Reaktionsfähigkeit dadurch eingeschränkt gewesen sein müsste.

„Grundsätzlich muss ein Gericht natürlich die Frage im Blick haben, wie ein Urteil auf die Öffentlichkeit wirkt und ob es abschreckende Wirkung auf andere hat“, sagt Ulmer. Bei Fahrlässigkeit allerdings fehle der Aspekt der Abschreckung.

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