Hilfe vom Erftstädter HospizdienstSo kämpft sich die sterbenskranke Lili durchs Leben

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Sabine Fornfeist, ihre Tochter Lili und Nadine Köllejan vom Hospizverein (v.l.).

Sabine Fornfeist, ihre Tochter Lili und Nadine Köllejan vom Hospizverein (v.l.).

  • Lili ist viereinhalb Jahre alt, als eine neurodegenerative Erkrankung bei ihr festgestellt wird.
  • Die Krankheit zerstört Schritt für Schritt ihre Nervenzellen, doch Lili kämpft weiter.
  • Nadine Köllejan, die ehrenamtlich für den Erftstädter Hospizverein im Einsatz ist, begleitet die heute 20-Jährige.
  • Wir haben die beiden besucht und über ihre besondere Beziehung gesprochen.

Brühl – Lili mag es, wenn Trubel im Haus ist. Davon ist ihre Mutter überzeugt. Für den Besucher ist es schwer zu erkennen. Lili kann ihre Freude nicht artikulieren. Doch auch wenn sie Mühe hat, mit dem Blick den Gästen zu folgen, sieht man in ihren Augen das Interesse an den unbekannten Menschen.

Sabine Fornfeist berichtet, dass ihre Tochter viereinhalb Jahre alt war, als eine neurodegenerative Erkrankung bei ihr festgestellt wurde – eine Krankheit also, die Schritt für Schritt die Nervenzellen zerstört. Es ist ein extrem seltenes Leiden. Deshalb hat es lange gedauert, bis die Ärzte es erkannt haben.

Mittlerweile ist Lili 20 Jahre alt, und die Krankheit hat ihr viele Fähigkeiten genommen. Dennoch hat sie die Montessori-Schule besucht und ist derzeit tagsüber in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Bornheim-Hersel.

„Lili ist sehr sozial, sie braucht Kontakte“

„Lili ist sehr sozial, sie braucht Kontakte“, sagt ihre Mutter. Einen Kontakt braucht sie ganz besonders: den zu Nadine Köllejan, die ehrenamtlich für den Erftstädter Hospizverein im Einsatz ist. „Nadine ist hereingekommen und hat die Persönlichkeit hinter dem beraubten Körper sofort erkannt“, erinnert sich Sabine Fornfeist an die erste Begegnung.

Nur eine stationäre Einrichtung

Das Motto des Welthospiztags am Samstag, 10. Oktober, lautet „Solidarität bis zuletzt“. Seit 2005 wird am zweiten Samstag im Oktober die Arbeit der Männer und Frauen gewürdigt, die haupt- oder ehrenamtlich in den Hospizen mitarbeiten. Gleichzeitig soll dieser Tag dazu beitragen, dass Themen wie Krankheit, Sterben und Tod aus der Tabuzone geholt werden.

Die acht Hospizvereine im Rhein-Erft-Kreis haben sich 1999 zu einer gemeinnützigen Gesellschaft zusammengeschlossen. Ihre Mitarbeiter begleiten Menschen mit lebensverkürzenden Krankheiten zu Hause. Im Haus Erftaue in Erftstadt betreibt die gGmbH auch eine stationäre Einrichtung. Ziel ist es, dass die Menschen bis zum Lebensende Selbstständigkeit und Würde bewahren. Der Hospizverein Erftstadt bietet auch einen Kinder- und Jugendhospizdienst an mit vier Koordinatorinnen und 56 Ehrenamtlichen. (uj)

Dass zwischen den beiden jungen Frauen etwas ganz Besonderes vorgeht, ist nicht zu übersehen. Lili scheint zu strahlen, die beiden sind einander zugewandt, kommunizieren auf einer Ebene jenseits der Sprache. „Sie hat mich direkt erkannt“, sagt Nadine Köllejan über Lili. Im Januar des vergangenen Jahres hat Köllejan, die in der Immobilienverwaltung einer Firma arbeitet, ihre Ausbildung beim Hospizverein abgeschlossen. Lili ist der erste Mensch, den sie begleitet. Sie stellt aber lachend klar: „Lili ist meine Begleiterin.“ Von ihr habe sie eine dankbare, demütige Haltung gegenüber dem Leben gelernt.

Sabine Fornfeist ist begeistert von Köllejans Zugang zu ihrer Tochter: „Sie spornt Lili zu Hochleistungen an.“ Zum Malen beispielsweise. Spaß haben die beiden jungen Frauen auch beim Nägellackieren.

Nadine Köllejan: „Ich lerne unfassbar viel von ihr“

Nadine Köllejan pflegt Lilis Fingernägel, und dann darf Lili ihr bunte „Nägel“ auf die Gummihandschuhe malen, die sie coronabedingt trägt. „Ich lerne unfassbar viel von ihr“, beschreibt Nadine Köllejan das Verhältnis zu Lili. Sie rücke vieles ins rechte Licht.

Lilis Eltern sind beide berufstätig. Der Lockdown im Frühjahr hat ihr Leben radikal verändert. „Das war, wie wenn ein Schnellzug eine Vollbremsung macht, und man dann Zeit hat, sich die Landschaft anzusehen“, beschreibt es Sabine Fornfeist. Sie habe in den Wochen Kraft getankt, aber für ihre Tochter sei die Zeit nicht gut gewesen. „Man merkt, dass die Degeneration schneller fortschreitet, wenn Lili vereinsamt“, sagt die Mutter.

Es gibt keine stationäre Einrichtung im Rhein-Erft-Kreis

Lili ist rundherum versorgt, von ihren Eltern, in der Werkstatt, vom Hospizverein. Auch eine Mitarbeiterin der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) kommt jeden Tag vorbei. Julia Mauersberger und Susanne Leibig, Koordinatorinnen beim Hospizverein, beklagen allerdings, dass es für junge Erwachsene keine stationäre Einrichtung im Kreis gibt. Ein solches Haus könnte mancher der 13 Familien, die sie begleiten, spürbare Entlastung verschaffen.

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Sabine Fornfeist hat ein anderes Anliegen. Sie wünscht sich mehr Akzeptanz, sie ärgert sich, wenn Menschen ihre Tochter auf der Straße anstarren. Kinder seien da oft unbefangener, fragten einfach, was mit Lili los sei. Damit könne sie umgehen.

„Ich bin stolz auf meine Tochter“, stellt die Mutter energisch klar. „Genauso stolz wie andere Mütter, deren Kinder mit 20 gerade ein Auslandssemester in Amerika machen.“

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