Zweifel an der StatikEigentümer dürfen ihren Laden in Hürth-Gleuel nicht eröffnen

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Weder das Schlafzimmer noch den Laden dürfen die Hausbesitzer nutzen.

Weder das Schlafzimmer noch den Laden dürfen die Hausbesitzer nutzen.

Hürth – Seit mehr als 280 Jahren steht das Häuschen an der Ernst-Reuter-Straße, es ist das älteste Gebäude neben der Burg in Gleuel. Der Eigentümer Stefan Huropp (45) und seine Lebensgefährtin Katharina Kloft (39) wollen hinter der auffallend weinroten Fassade einen kleinen Feinkostladen eröffnen und „Obs’, Jemöss & Gedööns“ – so der Name – verkaufen.

Doch kurz vor der geplanten Eröffnung im Oktober kam der Schreck: Das Bauordnungsamt untersagte die Nutzung des Ladens. Auch das Schlafzimmer im Dachgeschoss des Hinterhauses darf das Paar, das dort mit seinem 14-jährigen Sohn lebt, nicht mehr betreten. Der Grund: Es gibt Zweifel an der Standfestigkeit des Gebäudes und Mängel beim Brandschutz.

Zum Verhängnis wurde den Hauseigentümern die Großbaustelle auf dem Grundstück nebenan. Bei Abbrucharbeiten krachte ein Stück des Fußbodens des Nachbarhauses durch die Wand des Anbaus. Die Mieterin, die dort ein kleines Blumengeschäft betreibt, schlug Alarm bei der Bauaufsicht, auch, weil bei den Ausschachtungsarbeiten das ganze Haus gewackelt habe. Die Mitarbeiter des Bauordnungsamts aber sahen sich bei mehreren Ortsterminen nicht nur das Loch in der Mauer genau an, sie notierten auch zahlreiche weitere Mängel in dem Gebäude, die sonst wohl niemals aufgefallen wären.

Keine Baugenehmigung für das Haus von 1740

Dass es für das Fachwerkhaus aus dem Jahr 1740 keine Baugenehmigung gibt, war noch kein Problem. „Im 18. Jahrhundert brauchte man keine Genehmigung“, erklärt Rechtsanwältin Anneliese Quack, die Huropps Interessen vertritt. Doch in den vergangenen 100 Jahren haben die verschiedenen Eigentümer etliche An- und Umbauten vorgenommen, für die es ebenfalls keine Genehmigungen gibt – und die so nach Ansicht des Bauordnungsamts auch nicht genehmigungsfähig gewesen wären.

Auch Stefan Huropp, der die Immobilie 2007 gekauft hat, werkelte selbst an seinen damals schwer sanierungsbedürftigen Häusern herum. Er überdachte die Flucht zwischen dem Wohn- und dem Geschäftshaus und nutzte den Raum als Lager. Außerdem zimmerte er einen kleinen Vorbau vor dem Wohnhaus, das von der Schnellermaarstraße aus zugänglich ist. „Ich war vielleicht ein bisschen blauäugig“, gibt der Veranstaltungstechniker zu, der zehn Jahre lang auf dem Bau gearbeitet hat.

Er ließ sich von den Vorbesitzern weder Bau- noch Nutzungsgenehmigungen vorlegen. „Das wissen viele gar nicht, dass man sowas braucht“, sagt Anwältin Quack. So erfuhr auch Stefan Huropp erst jetzt vom Bauordnungsamt, dass es für sein Wohnhaus lediglich eine Genehmigung zur Nutzung als Lager und Luftschutzraum gibt. Auch für die beiden Läden gibt es keine Nutzungserlaubnis – obwohl sie, wie Huropp betont, in den vergangenen 100 Jahren schon als Schuhladen, Änderungsschneiderei, Versicherungsbüro und Malergeschäft genutzt wurden. Für den bestehenden Blumenladen erteilte das Bauordnungsamt immerhin eine Duldung, den neuen Laden wollte die Bauaufsicht aber so nicht genehmigen.

Allein die Planung kostet 15.000 Euro

Um ihr Häuschen, ihren Laden und am Ende ihre Existenz zu retten, muss Stefan Huropp, der das Haus noch nicht abbezahlt hat, jetzt wohl noch einmal eine ordentliche Summe in die Hand nehmen – wie viel, ist noch unklar. Allein die Planung koste 15 000 Euro, sagt Huropp, „und dann ist noch kein Stein bewegt“. Das Bauordnungsamt stellte nachträgliche Bau- und Nutzungsgenehmigungen in Aussicht, dafür sind aber einige Umbauten erforderlich, vor allem, was den Brandschutz betrifft.

„Für uns ist das eine finanzielle doppelte Belastung“, sagt Katharina Kloft, die als Kellnerin jobbt und sich mit dem Laden selbstständig machen will. „Wir müssen für Statiker, Architekten und Handwerker bezahlen, gleichzeitig fehlen die Einnahmen aus dem Laden.“

Unterdessen zeigt sich das Bauordnungsamt kompromissbereit. Die Bauaufsicht stellte den Eigentümern eine vorläufige Nutzungserlaubnis in Aussicht unter der Voraussetzung, dass die Standfestigkeit nachgewiesen und beim Brandschutz nachgebessert werde. So sei zwischen den beiden Läden eine Brandschutzmauer vorgeschrieben, sagt Manfred Siry, Fachbereichsleiter Planen, Bauen und Umwelt in der Hürther Stadtverwaltung. Alternativ könne aus den beiden Läden mit Durchbrüchen in der vorhandenen Wand auch einer gemacht werden. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass die Rettungswege für die Feuerwehr frei seien.

„Wir haben dem Eigentümer eine Brücke gebaut, damit er den Laden so schnell wie möglich eröffnen kann“, betont Siry. „Es ist natürlich nicht unser Ziel, das Paar in den Ruin zu treiben.“ Aber die Bauverwaltung sei eben an Gesetze gebunden. Einen ordentlichen Bauantrag müsse Huropp aber dennoch stellen, um den Bau nachträglich zu legalisieren.

Stefan Huropp sieht indes kein großes Entgegenkommen bei der Hürther Stadtverwaltung – im Gegenteil. Die Brandschutzauflagen seien viel zu hoch, sagt er. Außerdem habe man ihm inzwischen auch verboten, sein Schaufenster zu dekorieren und dort Werbung für den Online-Verkauf seiner Produkte zu machen, weil auch das eine Nutzung sei. „Ich habe jetzt die Rollladen heruntergelassen“, sagt Huropp. Für ihn habe sich nicht viel verändert: „Ich darf immer noch nicht in meinem Bett schlafen und auch den Laden nicht aufmachen.“

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