Die Bürgermeisterkandidatin der Grünen möchte die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft in Pulheim prüfen.
KommunalwahlAnke Lundborg (Grüne) sieht in Pulheim großes Potenzial für wirtschaftliche Stärke

Anke Lundborg (Grüne) geht bei der Kommunalwahl für die Grünen ins Rennen.
Copyright: Anselm Jungeblodt
Frau Lundborg, Sie möchten Bürgermeisterin von Pulheim werden. Was motiviert Sie?
Als Lehrerin am Geschwister-Scholl-Gymnasium und als Ratsmitglied habe ich persönlich den vielfachen Stillstand in der Stadt erlebt. Mich motiviert, als Bürgermeisterin Pulheim gestalten zu können – mit Herz, Verstand und dem Anspruch, gute Bildungsstandorte, eine bürgernahe, moderne Verwaltung und eine zukunftsorientierte Klimapolitik auf den Weg zu bringen.
Warum braucht es einen Wechsel an der Verwaltungsspitze?
Die Rolle der Bürgermeisterin umfasst für mich nicht nur Schönwetterfotos bei Veranstaltungen, sondern den Anspruch, mit Initiative, Haltung und klaren Entscheidungen Themen voranzubringen. Ich möchte nicht auf Druck von außen reagieren, sondern selbst Akzente setzen. Meine Projekte werden sichtbar meine Handschrift tragen und mit erkennbarer Leidenschaft verfolgt werden. Zweitens muss das Arbeitsklima in der Stadtverwaltung verbessert werden – denn eine motivierte Verwaltung ist Grundvoraussetzung für wirksames kommunales Handeln.
Welche Ihrer Fähigkeiten werden Sie nutzen, um die Stadtverwaltung mit 824 Beschäftigten zu führen?
Ich bringe Führungserfahrung, Menschenkenntnis und Klarheit mit. Vertrauen, Anerkennung und Verlässlichkeit sind Grundlage guter Zusammenarbeit. Ich bin lösungsorientiert, analytisch, kann zuhören, Verantwortung übernehmen – und auch kritische Gespräche führen. Ich sehe das große Ganze, stelle Zusammenhänge her und möchte deshalb die Strukturen, Schnittstellen und Zuständigkeiten in der Verwaltung neu auf den Prüfstand stellen. Dabei ist mir wichtig, Mitarbeitende ernst zu nehmen, Potenziale zu heben und gemeinsam Verbesserungen umzusetzen.
Sie möchten Pulheim bis 2026 zur „Modellkommune für nachhaltiges Wirtschaften“ und zu einem „attraktiven Zukunftsstandort“ machen. Was genau haben Sie vor?
Das neue Gewerbegebiet BP 99 wurde ursprünglich als nachhaltiges Projekt geplant, doch die ökologische Ausrichtung droht zunehmend verwässert zu werden. Ich setze mich für kluge, ressourcenschonende Lösungen ein: erneuerbare Energien, Synergien zwischen Unternehmen, energieeffizientes Bauen. Innovation und Arbeitsplätze schließen Nachhaltigkeit nicht aus – im Gegenteil. Die Stadt sollte Gründerinnen und Gründer sowie Nachfolgeprozesse gezielt unterstützen. Gerade im Mittelstand liegt großes Potenzial für wirtschaftliche Stärke, aber auch für soziale Verantwortung.
Bildung hat für Sie als Lehrerin hohe Priorität. Die Masterplanung Schulen ist beschlossene Sache und wird teils schon umgesetzt. Nun schreiben Sie auf Ihrer Homepage, dass Sie „gesunde und sichere Lernräume schaffen wollen, indem Sie Schulen sanieren“. Geht Ihnen die Masterplanung, die unter anderem neue Klassenräume und Neubauten an sieben Standorten vorsieht, nicht weit genug?
Ich bin sehr froh, dass im Rat mit großer Mehrheit die Masterplanung und der – hoffentlich realisierbare – Neubau des Schulzentrums Mitte beschlossen wurde. Entscheidend ist für mich, dass bei allen Schulbauprojekten die Betroffenen – Schulleitung, Lehrkräfte, Eltern, Schülerschaft – frühzeitig einbezogen werden. Diese sogenannte „Phase 0“ wird in anderen Kommunen wie Dormagen mit großem Erfolg durchgeführt. Zweitens verbringen Kinder und Jugendliche heute mehr Zeit in Kita und Schule als irgendwo sonst – diese Orte müssen deshalb zu ansprechenden Lern- und Lebensräumen weiterentwickelt werden. „Gesunde Lernräume“ heißt auch: Belastungen wie PCB müssen ernst genommen und zügig bearbeitet werden.
Laut dem Hitze-Check 2025 der Deutschen Umwelthilfe ist Pulheim die drittwärmste Stadt in NRW, weil es in der Stadt zu wenig Grün gibt. Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für Klimaschutz und Klimaanpassung?
Wir brauchen endlich eine konsequente Klimaschutzpolitik. Symbolpolitik wie das Ausleihen eines Lastenrads reicht nicht aus. Ich möchte den Klimabeirat reaktivieren, die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude beschleunigen, das Gebäudemanagement stärken und Ressourcenverschwendung systematisch vermeiden. Zur Klimaanpassung gehört die Begrünung der Innenstadt ebenso wie die Entsiegelung von Schulhöfen. Auch Dach- und Fassadenbegrünung ist ein wirksamer Beitrag – dafür gibt es städtische Förderprogramme, die aber kaum abgerufen werden. Ich arbeite an einer Informationskampagne, damit Eigentümerinnen und Eigentümer wissen, wie sie von diesen Mitteln profitieren können.
Es ist ein zentrales Thema, da Wohnraum in Pulheim begehrt, aber auch knapp und teuer ist: Wie möchten Sie bezahlbare, auch öffentlich geförderte Wohnungen schaffen?
Pulheim hat beim sozialen Wohnungsbau jahrzehntelang versäumt, Verantwortung zu übernehmen. Die neue Baulandrichtlinie ist ein erster Schritt, aber nicht ausreichend. Ich möchte die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft prüfen – Städte wie Marl oder Ratingen zeigen, dass dies erfolgreich sein kann. Wir brauchen kleinere, bezahlbare Wohnungen, idealerweise auch in Mehrgenerationenhäusern. Viele ältere Menschen würden gerne in kleinere Wohnungen umziehen, doch es fehlt an Alternativen. Hier möchte ich Impulse setzen – für sozialen Ausgleich und bezahlbares Wohnen.
In der Stadt mangelt es an stationären Pflegeplätzen, an Plätzen in der Tages- und der Kurzzeitpflege. Die Stadt kann sie nicht schaffen, aber sie kann entsprechende Institutionen ansiedeln oder Ansiedlungen unterstützten. Steht das Thema „Wohnen im Alter“ auf Ihrer Agenda und wie wollen Sie es angehen?
Selbstverständlich – jede vierte Person in Pulheim ist über 65 Jahre alt. Der demografische Wandel ist Realität, und wir müssen jetzt vorsorgen. Ich setze mich für die Ansiedlung weiterer Pflegeeinrichtungen ein, ebenso für Stadtteil-Angebote, die ein selbstständiges Leben im Alter ermöglichen: ambulante Versorgung, Begegnungsräume, Mobilitätsangebote. Wohnen im Alter muss vielfältig gedacht werden.
Die Stadt steht finanziell gut da. Was auch daran liegt, dass geplante Bauprojekte immer wieder verschoben werden. Meist, weil Personal fehlt. Wie wollen Sie das ändern?
Der Fachkräftemangel betrifft viele Verwaltungen – aber es gibt Handlungsmöglichkeiten. Wir müssen Pulheim zu einem attraktiven Arbeitgeber machen: mit Homeoffice, flexiblen Arbeitszeiten, Karrierechancen, Digitalisierung und mehr Vertrauen in die Mitarbeitenden. Viele neue Kräfte verlassen die Stadt schnell wieder. Das hat auch mit dem Führungsstil zu tun. Ich setze auf mehr Eigenverantwortung, gute Kommunikation und ein wertschätzendes Miteinander.
Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Ich trete an, um zu gewinnen. Viele Menschen spüren: Es ist Zeit für einen Wechsel. Ob ich das Vertrauen bekomme, liegt in den Händen der Bürgerinnen und Bürger.
Wo sehen Sie Pulheim im Jahr 2030?
Pulheim ist dann eine Stadt mit starker Bildungslandschaft, mehr Wohnraum, lebendigen Ortsteilen und entschlossener Klimapolitik. Eine Stadt, in der Beteiligung gelebt wird, Verwaltung partnerschaftlich mit der Bürgerschaft zusammenarbeitet und Mut zur positiven Veränderung zum Markenzeichen geworden ist.
Zum Werdegang
Anke Lundborg (57) stammt aus Rönsahl im Märkischen Kreis. Sie ist verheiratet und Mutter von zwei Söhnen. Nach dem Abitur hat sie Politik, Wirtschaft, Soziologie und Geschichte an der Universität Münster studiert. Seit 2007 unterrichtet sie Sozialwissenschaften und Geschichte am Geschwister-Scholl-Gymnasium ist. Anke Lundborg ist Mitbegründerin des Pulheimer Flüchtlingsnetzwerks, seit 2016 ist sie Mitglied bei den Grünen, für die sie im Stadtrat sitzt.