LandesarbeitsgerichtStadtwerke Bad Honnef fordern Millionen von Ex-Mitarbeiter zurück

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In einem Gerichtssaal stehen eine Richterin und zwei ehrenamtliche Richter sowie die Beklagten-Vertreter

Vor dem Landesarbeitsgericht unter Vorsitz vom Richterin Dr. Anne Babette Goebel trafen die Stadtwerke Bad Honnef (links Geschäftsführer Kersten Kerl) und ein früherer Vertriebsleiter aufeinander.

Um eine Millionenklage geht es vor dem Landesarbeitsgericht. Die Stadtwerke Bad Honnef wollen Schadensersatz von einem leitenden Angestellten.

3,5 Millionen Euro soll ein leitender Angestellter der Stadtwerke Bad Honnef zahlen. Er hatte beim Handel mit Strom Fehler gemacht, wurde fristlos entlassen und auf Schadensersatz verklagt. Das Arbeitsgericht Siegburg gab dem Arbeitgeber Recht, der Arbeitnehmer ging in Berufung. Die Kündigung sei wohl rechtens, sagte die Vorsitzende Richterin Dr. Anne Babette Goebel beim ersten Berufungstermin am Donnerstag.

Dem Arbeitgeber, der unter Bad Honnef AG firmiert, sei eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten. Der genaue Schaden, laut Stadtwerken etwa 3,5 Millionen Euro, müsse indes genauer beziffert werden. Dass der Vertriebsleiter das Unternehmen geschädigt habe, stehe außer Zweifel. „Sie haben in gewisser Weise gezockt“, sagte die Richterin zum Berufungskläger.

Der Vertriebsleiter der Bad Honnef AG hoffte auf sinkende Preise

Zum Hintergrund: Die Bad Honnef AG war in einer Mittlerrolle, sie kaufte Strom bei der Rheinenergie ein und verkaufte diesen wieder an Privat- und Gewerbekunden. Der bei der Rheinenergie angefragte Preis galt nur in einer kurzen Frist.

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Der Vertriebsleiter, der unter anderem mit zwei Großkunden Ende 2021 Verträge zu diesem Preis abschloss, versäumte aber diese Frist. Danach stieg der Preis. In der Hoffnung, dass der Strom wieder billiger würde, wartete er ab. Zu lange: Im Februar 2022 brach der Ukrainekrieg aus, und die Energiepreise stiegen stark.

Die Firma hätte über die Wupper gehen können. Ich sitze hier auch für die 120 Beschäftigten.
Kersten Kerl, Geschäftsführer der Bad Honnef AG

Die Bad Honnef AG musste teuer einkaufen und billig verkaufen. „Die Firma hätte über die Wupper gehen können“, sagte Geschäftsführer Kersten Kerl in der Verhandlung. Er sitze hier auch stellvertretend für die 120 Beschäftigten: „Es geht um Existenzen von Familien. Und um Steuergelder.“

Die Stadtwerke befinden sich in kommunaler Trägerschaft. Die Richterin gab zu bedenken, dass der 59-jährige frühere Vertriebsleiter wohl kaum in der Lage sein werde, einen Millionenschaden wieder gut zu machen. Als Basis für die weitere Verhandlung muss dieser nun einen Vermögensnachweis erbringen, und die Bad Honnef AG muss alle betreffenden Preisabsprachen und Verträge nachreichen. Auch der Vorgesetzte des Vertriebsleiters, der diesen kontrollieren sollte, wurde mittlerweile verurteilt.

Der Fall liege auf der Grenze zwischen grober Fahrlässigkeit und Vorsatz, sagte Goebel. Leider habe weder das Bundesarbeitsgericht noch der Gesetzesgeber Leitlinien für solche Fälle vorgegeben, wo eine „Existenzvernichtung“ drohe.

Die Parteien sollten ausloten, wie ein Schadensersatz funktionieren könne. Bei einer Privatinsolvenz, wo sieben Jahre lang bis zum Existenzminimum gepfändet werde und danach eine Restschuldbefreiung wirksam werde, bliebe voraussichtlich nur ein kleiner Teilbetrag für den Gläubiger übrig.

Auf dem Wohnhaus des Ex-Angestellten hat die Bad Honnef AG bereits eine Zwangshypothek eintragen lassen und die Zwangsvollstreckung eingeleitet. Die Eigenversicherung der Firma zahle höchstens 500 000 Euro, so Kersten. „Dafür brauchen wir ein Urteil.“ Die Verhandlung wird fortgesetzt.

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