Gleichgeschlechtliche PartnerschaftUngewöhnlich gewöhnliche Familie
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Zu lachen gibt es immer viel im Haus von Ellen Schiller (Mitte links) und Martha Wassen (Mitte rechts) - vor allem, wenn die Kinder Samira und Julian zu Besuch sind.
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Ruppichteroth – 19 Uhr, Zeit fürs Abendbrot. Es gibt Schnittchen – Ziegenkäse, Salami, Schinken. Die Auswahl ist groß, die Eltern haben ordentlich aufgetischt. Und die jüngste Generation langt gerne zu. Am Tisch wird viel gelacht, man erzählt sich Geschichten von früher. Doch das Leben von Ellen Schiller und Martha Wassen war nicht immer lustig, oftmals ist den beiden Frauen das Lachen vergangen. „Aber nicht hier in Hatterscheid“, betont die Psychotherapeutin Wassen (64). „Hier sind uns die Nachbarn mit Offenheit und Respekt begegnet, selbst die Ältesten.“ Seit 22 Jahren lebt das Frauenpaar in dem kleinen Ort mit rund 270 Einwohnern. Und Samira (25) und Julian (22) stehen auf eigenen Beinen, längst haben die Kinder der Künstlerin Ellen Schiller (58) das Elternhaus verlassen.
„Für mich war das ein großer Schritt, eine Beziehung einzugehen, in der es Sohn und Tochter gab“, erinnert sich Martha Wassen. „Dass ich mit Frauen zusammenlebte, war für mich – und auch für meine Umgebung – nichts Neues.“ Die Therapeutin wohnt bereits einige Jahre in Hatterscheid, als Ellen Schiller und die Kinder zu ihr ziehen. „Es ging sehr schnell, wir waren erst ein halbes Jahr zusammen, als wir Drei in Göttingen die Koffer packten und nach Ruppichteroth zu Martha kamen“, blickt Ellen Schiller zurück.
Seit zwei Jahren "verpartnert"
Vor zwei Jahren haben sich die beiden Frauen das Ja-Wort gegeben, seither sind sie „verpartnert“, seither führen sie eine „eingetragene Partnerschaft“, wie es im korrekten Juristen-Deutsch heißt, um diese Form der staatlich legitimierten Zweisamkeit von der „gleichgeschlechtlichen Ehe“ abzugrenzen. Denn diese sieht die völlige Gleichstellung von Ehegemeinschaften vor – egal, ob ein Mann mit einer Frau, ein Mann mit einem Mann oder eben eine Frau mit einer Frau lebt. Eine Vision, ein Traum sei das, findet das Paar. „Wir hoffen, dass in der Zukunft nicht mehr die Rede von solchen Unterschieden sein muss.“
Natürlich verfolgen Ellen Schiller und Martha Wassen die Diskussionen um die „Homo-Ehe“, wie diese Gemeinschaft im Volksmund heißt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe für das Ehegattensplitting bei der Steuerberechnung halten sie für überfällig. Jetzt hoffen sie auf die Zustimmung durch den Bundestag: Als Punkt 13 steht die Entscheidung über die steuerliche Gleichstellung der „Homo-Ehe“ in Berlin auf der Tagesordnung der Sitzung am heutigen Donnerstag. Das gleichberechtigte Adoptionsrecht bleibt dagegen einer der strittigsten Themen in der Politik.
„Die Regierung hat mir da etwas geraubt“, urteilt Martha Wassen. „Ich hätte Ellens Kinder sehr gern adoptiert.“ Julian ist etwas älter als ein Jahr, als Martha Wassen in das Leben der Familie tritt, Samira ist damals dreieinhalb. „Julian hat Martha sofort abgöttisch geliebt“, sagt Ellen Schiller. Zu Samira habe es indes viele Spannungen gegeben, die sich erst im Teenager-Alter gelegt hätten. „Irgendwann haben wir dann beschlossen, auf die Politik zu pfeifen, weil unsere Belange nicht interessieren.“ Die Verpartnerung diene übrigens allein der rechtlichen Absicherung des Partners bei Krankheit oder im Todesfall, betonen die beiden Frauen. „Sie war eine Vernunftentscheidung. Für unsere Liebe brauchen wir so etwas nicht.“
Für die Kinder ist die ungewöhnlich gewöhnliche Familiensituation nur selten ein Problem, nur in der Schule gibt es früher Ärger. „Ein Schulfreund wollte nicht zu meiner Geburtstagsfeier kommen“, erinnert sich Julian, heute Zimmerer von Beruf. „Außerdem sagte er hässliche Dinge über meine Eltern.“ Am Ende habe der Klassenkamerad die Einladung aber angenommen, „und alles andere war schnell vergessen“. Hinter dem Ende einer Freundschaft zu Samira, Kinderkrankenschwester und heute Studentin, vermuten Ellen Schiller und Martha Wassen derweil die Vorbehalte der Eltern.
Der Blitz schlug ein
In Hatterscheid gibt es die nicht, im Gegenteil. „Wir wollen es den anderen Menschen so leicht wie möglich machen, indem wir einfach offen leben und keine Geheimnisse haben“, erklärt Ellen Schiller und erzählt von einem alten Landwirt, der den Frauen eine Fuhre Holz schenkt, als diese ihr neues gemeinsames Heim renovieren. „Man hat gesehen, dass wir kräftig zupacken können“, sagt Martha Wassen. Sie glaubt, dass die Wertschätzung von Frauen im ländlichen Hatterscheid ohnehin sehr hoch sei. „Frauen sind hier in die landwirtschaftliche Arbeit eingebunden. Ohne sie geht nichts.“ Der Offenheit in Hatterscheid steht eben jene Verschwiegenheit in der Schule gegenüber. Tochter Samira: „So haben wir über unsere Eltern eigentlich nur dann gesprochen, wir nach ihnen gefragt wurden, nach dem Beruf oder so.“
Heute können alle Vier über vieles lachen – auch darüber, wie alles begann. „Wir haben uns ausgerechnet bei einem Selbstfindungsseminar auf Sardinien kennen gelernt“, erzählt Ellen Schiller. Sie habe damals der Blitz getroffen, in jeder Hinsicht. Denn nie zuvor habe sie daran gedacht, dass sie einmal mit einer Frau zusammenleben würde. „Aber letztlich ist das alles Zufall, denn ich habe mich einfach in einen anderen Menschen verliebt, da spielt das Geschlecht keine Rolle.“
Und wenn Ellen Schiller und Martha Wassen jenes Politiker-Argument hören, die Familie müsse geschützt werden, läuft es ihnen eiskalt den Rücken herunter. Wovor eine Familie geschützt werden müsse, fragen sich die Eltern dann. „Denn wir sind seit vielen Jahren eine glückliche Familie.“