Mit Lyrik, Kunst und MusikAusstellung in Ruppichteroth gleicht einem Musiktheater

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Zwei weitere Veranstaltungen zu der Ausstellung „Porträt“ gibt es an den Sonntagen 12. September und 10. Oktober. 

Ruppichteroth – Zur Ausstellung „Das Porträt . . . der alte Mensch im Augen-Blick“ hatten Ellen Schiller und Martha Wassen in ihr beschauliches Zuhause nach Hatterscheid eingeladen. Wobei sich das Paar mit dem Begriff Ausstellung in Bescheidenheit übte. Denn die Präsentation aus Wort, Bild und überleitender Flötenmusik avancierte eher zu einem Musiktheater als ambitioniertes Gesamtwerk. Die Veranstaltung wird noch zwei weitere Male stattfinden. 

30 Porträts von alten Frauen und Männern hatte die Malerin und Bildhauerin Schiller gefertigt. Drei Jahre lang habe sie „bekannte und unbekannte Personen“ in Öl oder als Aquarell auf Leinwand und Papier gebannt. Wobei sie meist Fotografien das Modellsitzen überließ. „Sie kriegen heute niemanden mehr dazu, sich stundenlang hinzusetzen“, erläuterte Schiller, die seit 20 Jahren erfolgreich kunstschaffend und -lehrend tätig ist.

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Von den Gastgeberinnen Ellen Schiller (links) und Martha Wassen wird die Flötistin Lucia Messe eingerahmt. 

Faszinierend lebendig zeigten sich die porträtierten Menschen: lachend, sinnierend, feixend, melancholisch verharrend, abwesend, fatalistisch, stolz. Sie wirkten authentisch und verblüffend realistisch und zeigten, wie Freude und Leid die Lach- respektive Sorgenfältchen als Spuren in ihrer Haut verewigt haben, ungeschminkt und ohne chirurgische Korrektur.

Als „unverhüllte Gesichter eines lang gelebten Lebens“ beschrieb Martha Wassen die Porträts und würdigte die Ausdrucksstärke und den hohen Detaillierungsgrad: „In den Falten ist große Vielfalt zu finden.“ Die Psychotherapeutin sezierte mit der Erfahrung aus vielen Berufsjahren und mit wohldosierten gerontologischen Fakten das Phänomen der Angst vorm Altwerden.

Optimistische Botschaften machen den Besuchern Mut

Wie Pausengespräche verrieten, dürfte vielen Gästen die Beklemmung genommen worden sein angesichts solcher optimistischen Botschaften: „Wir alle gestalten die Lebensbilder mit, lebendig und realitätsgerecht.“ Die Therapeutin machte Mut, „unsere Anschauungen infrage zu stellen“ und „weg von selbstentwertenden Formen“ zu finden. „Wir müssen uns ohne Masken zeigen“, betonte Wassen, schließlich sei auch „der alte Mensch Teil eines Weltgeschehens und Teil einer wiederkehrenden Zeitgeschichte“.

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Für die Interpretation der Werke hatten die Hausherrinnen die Kölner Schriftstellerin und Essayistin Myriane Angelowski gewonnen, die sich ihrem Bekunden nach „sehr lange Zeit“ vor die stummen Leinwand-Gesichter setzte und „deren Emotionen erfasste“. Die Erkenntnisse flossen ein in 30 individuelle, die jeweiligen Charaktere deutende Prosagedichte von selten zu hörender Sprachgewalt und voller lyrischer Schönheit. Dabei reflektierte sie die Nachkriegsgeschichte mit farbenglühenden oder tiefgrauen Bildern. Etwa mit Hippies, die im einst offenen Afghanistan ihren Rausch suchten oder mit der Hausfrau, „die Stoßgebete zum Himmel schickte“, dass er die Lohntüte nach Hause und nicht an die Theke trage. Das stieß im Auditorium auf hohe Wiedererkennung, wie häufiges Kopfnicken verriet.

Den musikalischen Rahmen steckte Lucia Mense mit subtilem Spiel und korrespondierenden Stücken auf diversen Flöten. Etwa mit einer Improvisation auf der Kontrabassflöte oder der Adaption einer romantischen mittelalterlichen Weise von Hildegard von Bingen.

Zwei weitere Veranstaltungen gibt es an den Sonntagen 12. September und 10. Oktober, 14 Uhr, in Hatterscheid, Am Hofgarten 5a.

Lyrische Geschichte zum Bild

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Den Frauen mit dem „Schalk im Nacken“ widmete Myriane Angelowski ein Gedicht.  

Und ihr? Ich sehe euch und frage mich: Wer seid ihr zwei? Sitzt euch unlängst der Schalk im Nacken, während weißer Qualm die Lücken zwischen Euch stopft? Wisst ihr, dass eure Stimmen immer noch glockenklar klingen, genau wie in Kindertagen, als euch sämtliche Sing-Klatsch-Spiele gehörten . . . 

Freudestrahlend, mit Blumenkränzen im Haar und Fewa-weißen Strümpfen, die bis über die Knie reichten, seid ihr in Täler gelaufen, die kein Sonnenstrahl je küsst. Niederknien und zu Willen sein.

Kinder, Küche, und gehorcht habt ihr, im lieb Vaterland – und den Stürmen getrotzt wie knorrige Eichen. Langlebig tickt ihr wie Kuckucksuhren, gießt triumphierend die Gräber eurer Goldhaarmänner an Allerheiligen und esst freitags kichernd Fleisch unter dem Herrgottswinkel. 

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