Rhein-Sieg-Kreis – Eine lange Tradition, ein ungewöhnliches Ambiente oder ein besonderes Programm: Das können drei Kinos in Mülldorf, Siegburg und Hennef vorweisen, in denen sich nicht nur Cineasten gerne zurücklehnen und genießen.
Studio-Kino in Sankt Augustin
Dick gepolstert sind die 28 Sitze, auf jedem prangt ein orangerotes Kissen. Gemütlichkeit strahlt das wohl kleinste Kino der Region, das Studio Kino, aus, in dem sich viele Zuschauer mehr als einmal begegnen.
„Ich habe tolle Gäste“, schwärmt Ulrich Henke, der recht zufällig zum Besitzer eines Filmtheaters in Sankt Augustin-Mülldorf wurde. Das war vor 22 Jahren – und Henke stand als Realschullehrer voll im Berufsleben.
Er hatte zuvor einige Male mit Gleichgesinnten ein Trickfilmfestival an der Bonner Straße auf die Beine gestellt, durchaus mit dem pädagogischen Anspruch, Menschen und Technik hinter den Tricks zu zeigen. Als der Vorbesitzer des Arthousekinos aus persönlichen Gründen aufgab und auch eine Zwischenlösung mit einer Schülergruppe nicht funktionierte, erhielt Henke einen Anruf des städtischen Kulturamts: Ob er denn nicht . . .?
Und er konnte, wurde aber zunächst mehr Kneipier als Filmvorführer: Die kleine Restauration war am Wochenende Treffpunkt für die Oberstufe der beiden Gymnasien, „Zum Vorglühen“, so Henke, bevor es dann in die Diskotheken und Clubs ging.
Mit der Zeit rückten die Filme mehr in den Blickpunkt, sein ambitioniertes Programm wurde mehrfach ausgezeichnet.
An die ganz großen Blockbuster, wie den neuen James Bond, die so richtig Umsatz brächten, komme er ohnehin nicht ran, erzählt der heute 69-Jährige.
Er wendet sich aber nicht nur an Cineasten, sondern zeigt auch gut gemachte, leichte Feierabendunterhaltung wie zuletzt „Monsieur Claude und seine Töchter“, der ein halbes Jahr lang lief. Henke schaut sich jeden Streifen an, schon damit die Gäste bezüglich Bildausschnitt, Helligkeit und Ton keine Überraschungen erlebten.
Die moderne Technik, in die er 40 000 Euro investierte, erlaube es leider nicht mehr, während der Vorführung mit im Mini-Saal zu sitzen: „Das hat doch mehr Atmosphäre.“
Der Stadt lag das Nischenkino stets am Herzen. Die stützte anfangs offensiv das Filmkulturprogramm und halte heute als Besitzerin der Immobilie die Mietkosten erschwinglich, so der pensionierte „Alleinunterhalter“. Tipptopp sind auch Theke und Gastraum, in dem ein kinotypischer Duft allerdings fehlt: Popcorn gibt es im Studiokino nicht.
Capitol in Siegburg
Früher ein Tanzsaal, lockt das Capitol mit plüschigem Flair. Das Lichtspieltheater in Siegburg ist seit 65 Jahren im Familienbesitz und kann neben der starken, modernen Konkurrenz am Bahnhof, nur wenige hundert Meter von der Augustastraße entfernt, existieren.
Denn das zweite, kleinere Kino am Ort darf auch die Kassenschlager zeigen, wie „Spectre“, den neuen James Bond. Der füllt dann auch den großen Saal „Capitol“ mit 340 Plätzen, in dem seit 1950 die Streifen über die Leinwand flimmern. Das „Filmstudio“ (100 Plätze) wurde 1972 eröffnet, „Movie“ (109 Plätze) 1979.
Christina Neff führt das Kino in dritter Generation, unterstützt von ihrer Mutter Maria Schulte-Bisping. Vor der Schließung des Kinos in der Marktpassage seien die Zeiten schwerer gewesen, so Schulte-Bisping. Die Publikumsmagneten habe immer abwechselnd mal der eine und mal der andere bekommen von den Verleihern. Auch wenn’s im Capitol nur die 2D-Technik gibt, kommt das treue Publikum. Das schätzt neben der Nostalgie die verhältnismäßig niedrigen Preise – und das Popcorn.
Kurtheater in Hennef
Denkmalgeschützt ist das Gebäude des Kurtheaters an der Königstraße in Hennef. Die Familie Bellinghausen hat es 1938 erbaut. 600 Sitzplätze gab es damals, das Gebäude war so groß, dass in den 50er-Jahren, zu Zeiten der Kurstadt Hennef, eine Drehbühne für die Kölner Oper aufgebaut werden konnte. Noch heute ist das Haus in Familienbesitz.
Doch den Filmbetrieb hat ein Verein übernommen, an dessen Spitze Ingo Teusch steht. Brigitte König und Daniel Huys zeichnen für das Programm verantwortlich. Sie zeigen ebenso ambitionierte wie kommerziell erfolgreiche Streifen. „Spectre“ lief zum Deutschlandstart im Kurtheater. Diese Bemühungen werden regelmäßig mit Programmfilmprämien der Filmstiftung NRW belohnt. Mit dem Geld hat die digitale Technik Einzug gehalten im altehrwürdigen Bau. 3-D-Projektionen sind ebenso möglich wie exzellenter Sound.
Seit 2003 ist der Verein am Werk. Damals wollte Richard Bellinghausen das Kino schließen, die Leinwand sollte dunkel bleiben. Die Bürger der Stadt waren damit nicht einverstanden und schlossen sich zur Rettung des Lichtspieltheaters zusammen. Zu viele hatten auf dem Balkon im Dunkeln das erste Mal geknutscht oder auch nur Händchen gehalten. Die Bläck Fööss drehten hier ihren Video-Clip für „Wenn et Leech usjing em Roxy“.
Einige von ihnen kehrten später zurück auf die Bühne, die eigens eingebaut wurde von den Vereinsmitgliedern. Denn das Kurtheater ist inzwischen eine Topadresse für Kleinkunst. Ob Jürgen Becker oder Wilfried Schmickler, Gerd Köster, Frank Hocker oder Konrad Beikircher – sie alle fühlen sich wohl im nostalgischen Ambiente, mit der Garderobe, die nur durch die Toilette zu erreichen ist.
Im Mittelpunkt aber steht der Kinobetrieb, den junge Leute mit viel Spaß realisieren – zu günstigen Preisen, mit Bistro und natürlich, aber erst seit 2003, mit Popcorn.