Für Ukraine-GeflüchteteMeckenheimer Unterkunft in nur vier Wochen fertiggestellt

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 Holger Jung (r.) und Joachim Neienhuis-Wibel stellten die Sammelunterkunft vor.

Meckenheim – Die Zwei- bis Vierbettzimmer sind hell und zweckmäßig eingerichtet. Zum Teil ist schon Sternchenwäsche aufgezogen auf die Betten, die noch aus der Zeit stammen, als die Fronhofhalle 2015 Flüchtlingsunterkunft war. Tische, Stühle und Schränke haben Mitarbeiter des Meckenheimer Verwaltung geduldig in Kleinarbeit zusammengeschraubt. Küche, Badezimmer, Waschküche – alles da. Innerhalb von vier Wochen wurde das ehemalige Bürogebäude der Arbeitsagentur am Neuen Markt 36, das der Stadt gehört und das seit einiger Zeit leer steht, in eine Sammelunterkunft für Flüchtende aus der Ukraine umgestaltet.

24 Wohneinheiten für rund 70 Personen

24 Wohneinheiten stehen für rund 70 Menschen bereit. Bei der Vorstellung schlugen Bürgermeister Holger Jung nach eigenem Bekunden „zwei Herzen in der Brust“, denn zum einen präsentiere er die Räume mit Freude, zum anderen „hätten wir sie lieber nicht gebraucht“. Aber man könne nicht davon ausgehen, dass der Krieg in der Ukraine in kurzer Zeit zu Ende sei, sagte Jung. 220 Kriegsvertriebene leben bereits in Meckenheim, zum größten Teil sind sie privat untergekommen. Bis auf eine Gruppe, die in einem Hotel untergebracht ist und die ab Montag am Neuen Markt einziehen soll. „Wir haben einen anderen Ansatz als 2015“, erklärt Jung, der damals Erster Beigeordneter und für die Flüchtlingsunterbringung zuständig war. Seinerzeit war die Turnhalle am Fronhof das Übergangsquartier.

„Meckenheim hilft“ versorgt Boryslaw

Zweimal in die Ukraine

Zweimal schon hatte das Freiwilligenteam von „Meckenheim hilft“ Güter zur Unterstützung ukrainischer Zivilisten an die polnische Grenze oder sogar ins Kriegsland hinein transportiert (wir berichteten). Die dritte Tour lief zunächst unter dem Radar, weil die Helfer um Gründungsmitglied Stefan Pohl im wahren Sinne Neuland betraten: Sie haben mit Boryslaw oder Borislau eine Stadt im Nordwesten der Ukraine gefunden, die sie jetzt gezielt unterstützen möchten. Die nächste Tour in die 1440 Kilometer entfernte Mittelstadt steht in der dritten Maiwoche bevor.

Nächster Konwoi geplant

„Wir haben jetzt schon Material für sechs oder sieben Fahrzeuge“, erklärt Stefan Pohl, Unternehmer und mit Brigitte Kuchta Gründer von „Meckenheim hilft“. Mit ebenso vielen Transportern und Hilfsgütern, die die im Lager an der Meckenheimer Buschstraße gesammelt werden, war die Gruppe vor Monatsfrist an die polnische Grenze aufgebrochen, um dort ein Kinderheim zu unterstützen. Allein 30 unbegleitete Kinder sind laut Pohl dort untergebracht, ebenso eine Mutter mit ihren neun Kindern.

Borislau ist nun Partnerstadt

Bei Tour Nummer drei war auch ein 40-Tonner dabei, gesponsert von der Bonner Firma Haribo mit Sitz in der Grafschaft. Die Stadt sei ein bisschen vergleichbar mit Meckenheim, sagt Pohl. Boryslaw hat etwas mehr als 38 000 Einwohner, zurzeit wird eine Schule als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Bürgermeister Oleh Iwanyzkyj habe ihnen die Stadt und die Schule gezeigt, sagt Stefan Pohl. Sie hätten sich vor Ort anschauen wollen, ob die Stadt passt – jetzt ist Borislau die Partnerstadt von „Meckenheim hilft“.

Babynahrung immer noch gefragt

 Ganz gezielt werden jetzt Hilfsgüter gesammelt. Bekleidung ist in ausreichendem Maße vorhanden, ebenso Kuscheltiere, unterstreicht Stefan Pohl. Gebraucht werden neben haltbaren Lebensmitteln und Babynahrung auch Haushaltsgeräte wie Mikrowellen, Töpfe und Pfannen, Reinigungsmittel, Medikamente oder auch einfache Etagenbetten; „sie schlafen alle auf dem Boden“, erzählt Pohl. Technik für den Zivilschutz werde benötigt. „Sie geben sich alle Mühe, mit dem Wenigen, das sie haben, alle irgendwie zu versorgen“, so Pohl. Die Meckenheimer wollen ihren neuen Partnern gerne dabei helfen, Notunterkünfte zu bauen. (jr)

Zwischenzeitlich sind bei der Jahrhundertflut vier Turnhallen im Mitleidenschaft gezogen worden, nur eine steht zurzeit für den Schul- und Vereinssport zur Verfügung. „Außerdem wollen diese Menschen wieder zurück in ihr Heimatland“, so Jung. Es sei für sie eine große Belastung, dass die Familien auseinandergerissen worden sind. In den abschließbaren kleinen Einheiten des Hauses finden sie Rückzugsräume. Als zweites mögliches Gebäude stehe auch das ehemalige Jugendamt im Ruhrfeld zur Verfügung, nachdem die zuletzt dort untergebrachte Impfstelle in die Heroldpassage umgezogen ist. Für insgesamt 150 Menschen bieten beide Einrichtungen Platz. Denn Jung rechnet nicht nur mit Zuweisungen über das Land, sondern auch damit, dass Privatleute, die Geflüchtete aufgenommen haben, langfristig an ihre Grenzen stoßen.

Pensionär untersucht Ankommende freiwillig

Damit die Unterkunft am Neuen Markt ein geschützter Raum bleibt, passt dort fortan ein Sicherheitsdienst rund um die Uhr auf. Er kontrolliert auch die Einhaltung der Covid-Bestimmungen. Und die sind streng in einer Sammelunterkunft, zumal jetzt die Stadt für die Erstuntersuchungen zuständig ist, wenn die Menschen nicht aus Einrichtungen des Landes hierher kommen. Joachim Neienhuis-Wibel aus dem Fachbereich Ordnungsangelegenheiten koordiniert zurzeit nicht nur die Arbeiten in der Unterkunft, sondern auch Termine für Tests und TBC-Screenings mit örtlichen Praxen. Ein pensionierter Arzt aus Meckenheim hat sich als Freiwilliger gemeldet, Ankommende zu untersuchen.

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Zwei Duschen stehen im Haus zur Verfügung, außerdem können die Bewohner bestimmte Zeitfenster im benachbarten Hallenbad nutzen. Der Meckenheimer Sport-Verein stellt die Sanitäranlagen in seinem Sportstudio zu Verfügung. Insgesamt sei die Hilfsbereitschaft in der Stadtsehr groß, sagte Jung, darauf sei er auch stolz. All dies sei innerhalb von vier Wochen aus dem Boden gestampft worden, so Jung. Schließlich wolle man auch, dass die Menschen sich hier wohlfühlen können.

Wer Sachspenden abgeben möchte: Das Depot von „Meckenheim hilft" befindet sich an der Buschstraße 13 im Meckenheimer Gewerbegebiet.

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