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ErntezeitAuf den Äckern im Rhein-Sieg-Kreis sind jetzt die Rübenroder unterwegs

5 min
Der Rübenroder gräbt die Zuckerrüben aus, putzt sie und sammelt sie in seinem Bunker.

Der Rübenroder gräbt die Zuckerrüben aus, putzt sie und sammelt sie in seinem Bunker.

Der Niederkasseler Landwirt Stefan Werres erntet jetzt die Zuckerrüben. Bei Pfeifer & Langen in Euskirchen werden die Rüben weiter verarbeitet.

Auf den Feldern im Rhein-Sieg-Kreis wächst nicht nur Getreide. Einige Landwirte bauen auch Zuckerrüben an, die in der Region verarbeitet werden. Im Oktober beginnt die Erntezeit: Dann setzt sich Stefan Werres aus Niederkassel ans Steuer seines riesigen Rübenroders, der die Zuckerrüben aus der Erde holt und zu tonnenschweren Haufen aufschichtet.

Wahrscheinlich wird es eine Durchschnittsernte.
Stefan Werres, Landwirt

Werres hat einen reinen Ackerbaubetrieb, Tiere gibt es auf seinem Hof nicht. In vierter Generation baut die Familie Weizen, Gerste, Kartoffeln, Futtererben und Mais an – und Zuckerrüben. „Je nach Wetter werden sie zwischen März und April gesät“, sagt der 36-Jährige. Das Saatgut besteht aus kleinen, blauen Kügelchen. 100.000 davon setzt der Landwirt auf einem Hektar, im Abstand von 20 Zentimetern. „Das ergibt 70.000 bis 80.000 Rüben.“ Die Erntezeit sei dieses Jahr schwer einzuschätzen: „Wir hatten viel Trockenheit im Sommer, es hat aber immer genau zum richtigen Zeitpunkt geregnet – wahrscheinlich wird es eine Durchschnittsernte.“

Landwirt Stefan Werres zeigt eine „Prachtrübe“, genau so sollen die Ackerfrüchte zur Erntezeit aussehen.

Landwirt Stefan Werres zeigt eine „Prachtrübe“, genau so sollen die Ackerfrüchte zur Erntezeit aussehen.

Zur Jahresmitte versprüht er regelmäßig Pflanzenschutzmittel. „Da wüchse sonst ein Wald von Unkraut“, sagt Werres und zeigt ein Foto eines unbehandelten Ackerstreifens. Die Gräser stehen einen halben Meter hoch und die dort gewachsenen Zuckerrüben sehen aus wie weiße Möhren. „Unkraut nimmt den Rüben Wasser, Licht und Nährstoffe. Und ohne Blatt kann sich kein Zucker bilden, das funktioniert über Photosynthese“, erklärt Werres. Natürlich könne man Unkraut und Pilze auch ohne Herbizide beseitigen, doch das koste Zeit und bedeute Aufwand.

Maschine erledigt vieles, was früher von Hand gemacht wurde

Mitte September beginne die sogenannte Rübenkampagne, die bis Mitte Januar andauere. „Das ist der Erntezeitraum. Die Zuckerfabriken teilen uns Landwirten mit, wann wir ernten müssen und wann sie unsere Rüben abholen. Die können auch problemlos einige Wochen auf dem Feld bleiben, abgedeckt mit Vlies, das macht ihnen nichts“, weiß der studierte Landwirt. Fast täglich ist er im Herbst mit dem Rübenroder unterwegs, einem gelben Ungetüm, das alles kann, was man früher von Hand machen musste.

In dem Bunker werden die frisch geernteten Rüben gesammelt.

In dem Bunker werden die frisch geernteten Rüben gesammelt.

„Früher mussten Rüben vereinzelt werden. Das heißt, die Setzlinge wurden in bestimmten Abständen wieder herausgerissen, damit die anderen Pflanzen genug Platz haben. Meistens haben das Frauen gemacht“, erzählt Stefan Werres. „Bei der Ernte kam ein Pflug zum Einsatz, gezogen von einem Pferd.“ Heute erkennt Werres' Maschine automatisch die Spur, in der die Rüben wachsen und versetzt ihr Hinterteil, damit die mächtigen Reifen nicht alle über dieselbe Stelle rollen. „Das würde den Boden unnötig verdichten.“

Der Rübenroder gräbt die Rüben aus, rupft das Grün und klopft den Dreck ab. Über Förderbänder laufen die Rüben in den Bunker, in dem eine rotierende Schnecke den Nachschub verteilt. Nach einer Runde über den Acker ist der Bunker voll, Werres muss abladen. Über ein Förderband kippt er die Rüben zu den anderen auf den Haufen, nicht mal eine Minute dauert das.

Die geernteten Rüben werden auf großen Haufen gesammelt.

Die geernteten Rüben werden auf großen Haufen gesammelt.

„So ein Hektar Acker wirft etwa 70 Tonnen ab. Rüben sind sehr voluminös: Bei Getreide reicht eine Runde mit dem Mähdrescher, obwohl man das Zehnfache erntet“, sagt Werres. Insgesamt 35 Hektar ernte er in diesem Jahr ab, fährt mit dem Koloss auch nach Bornheim, Linz oder Köln, weil nicht jeder Landwirt einen Rübenroder besitzt. „Dann fahre ich mit dem Gerät über den Bertha-von-Suttner-Platz in Bonn – 40 km/h schafft er“, sagt der Niederkasseler.

Zuckerfabriken zahlen zwischen 35 und 40 Euro pro Tonne

Wie viel Geld er für die Ernte bekommt, weiß er im Herbst noch nicht. „Der Preis hängt am Erlös der Fabrik. Aktuell ist die Lage schwierig. Normalerweise gibt es 35 bis 40 Euro pro Tonne. Das ist dann eine knappe Sache mit der Wirtschaftlichkeit. Es gab aber auch schon Jahre, wo es 28 oder 55 Euro gab.“ Zucker sei ein sehr regionales Erzeugnis: „Er wird ja nicht nur in Packungen verkauft, sondern geht auch an die Hersteller von Softdrinks, Keksen und Marmelade.“ Zugleich produzierten die Pflanzen viel Sauerstoff und holten durch ihre tiefen Wurzeln zahlreiche Nährstoffe aus der Erde. „Für ein Kilo Zucker braucht man sieben Rüben.“

Werres' Rüben werden in die Fabrik von Pfeifer & Langen gebracht. In deren Werk in Euskirchen werden die Rüben zunächst gewaschen und in Streifen geschnitten. In großen Türmen wird der Zucker mit heißem Wasser herausgelöst und als Rohsaft weiterverarbeitet. Dieser enthält 15 Prozent Zucker, aber auch andere Stoffe, die man durch Zugabe von Kalk und Kohlensäure entfernt.

Durch weitere Filtrationen entsteht ein Dicksaft mit 70 Prozent Zuckeranteil, dem weiter Flüssigkeit entzogen wird – es entsteht Zuckersirup. Dieser wird mit Zuckerkristallen angereichert, die weiter anwachsen. In einer Zentrifuge werden die Kristalle schließlich vom Sirup getrennt und es bleibt Zucker, wie man ihn kennt.

Spannend, was aus ein paar kleinen Kügelchen wird: Sieben Rüben sind für ein Kilo Zucker notwendig.

Spannend, was aus ein paar kleinen Kügelchen wird: Sieben Rüben sind für ein Kilo Zucker notwendig.

Pro Jahr produziere die Firma an ihren Standorten in 25 europäischen Ländern 2,3 Millionen Tonnen Zucker, teilt Unternehmenssprecherin Britta Schumacher mit. Er werde auch zu Kandis, Gelierzucker oder Puderzucker weiterverarbeitet. „Zur langjährigen Kundschaft zählen sowohl die Lebensmittelindustrie als auch der Lebensmitteleinzelhandel. Darüber hinaus stellt das Unternehmen Futtermittel aus Zuckerrüben her und entwickelt Produkte für die weiterverarbeitende Non-Food-Industrie.“

Abnehmer wie Lieferanten kämen aus der Region, was Transportwege reduziere und zur Nachhaltigkeit beitrage. „Es ist auch ein Statement für die heimische Landwirtschaft, mit der sich das Unternehmen eng verbunden fühlt“, sagt Schumacher.