Launischer RheinHoch- und Niedrigwasser stellt Evonik und Shell vor Herausforderungen

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Evonik_Niederkassel

Das Evonik-Werk in Niederkassel.

Niederkassel – Launisch – mal mit Hochwasser, immer öfter aber auch mit extremem Niedrigwasser stellt der Rhein die angrenzende Industrie auch in Niederkassel vor immer neue Herausforderungen.

„Erst im vergangenen Jahr wurde uns bei dem außerordentlichen Niedrigwasser vor Augen geführt, wie wichtig der Rhein für uns ist“, erklärt Arndt Selbach (49). Er leitet die Evonik-Standorte in Lülsdorf und Wesseling. „Der Rhein ist eine Lebensader“, sagt Selbach. Auch Evonik profitiere von ihrem Standort unmittelbar am Strom. Unter normalen Bedingungen könnten bis zu 2000 Tonnen der chemischen Substanzen für die Produktion pro Schiff anliefert werden.

Weniger Wasser heißt für Evonik weniger Fracht

„Beim Niedrigwasser 2018 wurden uns allerdings die Grenzen aufgezeigt“, berichtet Selbach. Nur sehr begrenzt sei damals noch eine Anlieferung mit dem Schiff möglich gewesen. Um jedoch die 2000 Tonnen über die Straße oder Schienen anzuliefern, seien 100 Lkw beziehungsweise 31 Kesselwaggons nötig.

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Je weniger Wasser der Rhein führt, desto weniger Fracht könne auf den Schiffen transportiert werden. „Wir mussten uns im vergangenen Jahr sogar Personal aus anderen Niederlassungen ausleihen, die uns beim Entladen der erhöhten Zulieferungen durch Lkw und Kesselwaggons halfen“, erklärt der Werksleiter. An mehreren Anlegestellen in Wesseling und im Hafen Lülsdorf würden jährlich bis zu 400 Schiffe entladen. Selbach möchte sich gar nicht vorstellen, wenn Niedrigwasserstände so wie im Sommer 2018 Standard würden.

Evonik_Rhein

An den Anlegestellen bei Evonik im Werk Wesseling (Bild) und im Hafen Lülsdorf werden jährlich rund 500 Schiffe entladen. Der Rhein ist Lebensader und Schifffahrtsstraße für die Industrie.

„Langfristig müssen auf jeden Fall die Infrastrukturpläne geändert werden“, erklärt er. Auch bei Evonik sei der Bau der geplanten Rheinbrücke deswegen ein zentrales Thema. „Die Straßen, aber auch das Schienennetz speziell im Eisenbahnknotenpunkt Köln sind ja jetzt schon total überlastet“, sagt Selbach.

Shell erhöhte bereits Verkehr über die Schienen

Wie abhängig die Industrie vom Rhein ist, bekam auch die Shell Oil Raffinerie im vergangenen Sommer deutlich zu spüren. Entscheidend für den Betrieb der Rheinlandraffinerie ist laut Cornelia Wolber, Pressesprecherin der Shell Deutschland, Österreich und Schweiz, dass bestimmte Produkte zur Herstellung von Kraftstoff aus Rohöl angeliefert und fertige Mineralölprodukte (Diesel, Benzin, Heizöl) sowie Nebenprodukte, die während des Produktionsprozesses anfallen, abtransportiert werden können.

„Weil dies im vergangenen Jahr wegen des extremen Niedrigwassers nicht mehr in gewohntem Ausmaß möglich war, musste die Produktion der Raffinerie insgesamt gedrosselt werden“, erklärt sie. Um sich weniger abhängig vom Schiffstransport zu machen, habe die Raffinerie bereits 2016 die Kesselwagenverladung, also den Transport per Schiene, erhöht. „Zudem haben wir flexiblere und zusätzliche Lagermöglichkeiten auf dem Raffineriegelände geschaffen, um Engpässe besser abpuffern zu können“, erläutert Wolber.

500 Schiffe jährlich

Bei Evonik an den Anlegestellen im Werk Wesseling und im Hafen Lülsdorf werden jährlich rund 500 Schiffe entladen. Der Abtransport der Produkte erfolgt per Lkw und Bahn.

Bei Shell Rheinland wurden 2017 in Wesseling und Godorf rund 34 Prozent der Produkte zur Herstellung von Treibstoffen aus Rohöl per Schiff angeliefert und Produkte abtransportiert. 28 Prozent erfolgt über die Straße, 22 Prozent über Produktpipeline, elf Prozent über Rohrleitungen zur chemischen Industrie in der Nachbarschaft und fünf Prozent über die Schienen.

Mit dem Hoch- und Niedrigwasser des großen Stroms lebt auch Reiner Weisbarth, Eigentümer der Rheinfähre Rheinschwan, die die Verbindung zwischen Lülsdorf und Wesseling sicherstellt. (mkl)

Trotzdem sei der Rhein aufgrund seiner großen logistischen Bedeutung als Versorgungsweg nicht vollständig zu ersetzen. „Und bestehende Engpässe im Schienenverkehr und bei Gefahrguttransporten per Lkw auf der Straße stellen die Versorgung weiterhin vor große Herausforderungen.“

Standort am Rhein für Notfälle wichtig

Nicht nur als Transportmittel wissen die Unternehmen den Rhein zu schätzen. „Wir können im Ernstfall auch Löschwasser aus dem Rhein ziehen – bis zu 1500 Kubikmeter in der Stunde“, erklärt Selbach. Dafür habe Evonik am Rheinufer ein eigenes Pumpwerk mit Tauchpumpen. „Und das funktioniert auch bei Niedrigwasser.“

Beim Tiefstand von 0,69 Zentimeter Kölner Pegel im vergangenen Jahr habe man es bei einer Übung getestet. An anderen Standorten des Unternehmens werde das Rheinwasser zudem als Kühlwasser genutzt. Selbach: „Wir haben hier am Standort in Wesseling allerdings Brunnen zur Kühlung.“

Schutz vor Hochwasser am Rhein

Auch Hochwasser kann die gesamte Schifffahrt einschränken oder ausbremsen. So gilt ab einem Wasserstand von 6,20 Meter Kölner Pegel die Hochwassermarke I. Schiffe dürfen dann nur noch mit verminderter Geschwindigkeit und in der Mitte des Flusses fahren, um Beschädigungen des Ufers zu vermeiden. Sobald der Wasserstand am Kölner Pegel 8,30 Meter erreicht, gilt laut der Stadtentwässerungsbetriebe Köln die Hochwassermarke II. Die Schifffahrt muss dann komplett eingestellt werden.

Damit der Rhein am Ende nicht ins Werksgelände schwappt, müssen sich auch die Betriebe gegen Hochwasser schützen. „Um das tiefer gelegene Werksgelände vor Überflutungen zu schützen, haben wir hier seit ein paar Jahren eine neue Hochwasserschutzwand“, erklärt Selbach.

Ähnlich wie die Spundwände in Köln können sie mittels Stahlpfeiler und Zwischenwänden sehr schnell aufgebaut werden. Selbach: „Sie sind angelegt für ein 200-jährliches Hochwasser und schützen bis zu 11,81 Meter Kölner Pegel.“

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