Rhein Sieg-Kreis14-jährige Fußballerin steht zur Wahl als Sportlerin des Jahres 2020

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Estrella Merino Gonzalez schlägt Haken, Mit- und Gegenspielerinnen schauen verblüfft zu.

Estrella Merino Gonzalez schlägt Haken, Mit- und Gegenspielerinnen schauen verblüfft zu.

Rhein-Sieg-Kreis – Kurz, aber knackig – so könnte man das Sportjahr 2020 wohl treffend zusammenfassen. Obwohl Saisons abgebrochen und Großevents wie die Olympischen Spiele Corona-bedingt abgesagt werden mussten, blieben genügend Lichtblicke übrig. Demnach haben Mitarbeiter des Rhein-Sieg-Anzeiger, der Rhein-Sieg Rundschau und Bonner Rundschau sowie der Kreissportbund-Präsident Wolfgang Müller erneut eine bunte Kandidatenauswahl für die Sportlerwahl 2020 treffen können. Für die drei Kategorien wurden je 20 Sportler, Sportlerinnen und Teams aus dem Rhein-Sieg-Kreis nominiert. Bevor unsere Leser  abstimmen dürfen, werfen wir einen Blick auf die Kandidatenliste.

Estrella Merino Gonzalez (14): Das wohl schönste Geschenk erhielt Estrella Merino Gonzalez kurz vor ihrem 14. Geburtstag. Kein Geringerer als Reiner Calmund wandte sich unlängst in einem persönlichen Video an die Spielerin von Bayer 04 Leverkusen. Dabei gewährte der Ex-Fußballfunktionär dem Teenager aus Dattenfeld ganz private Einblicke. „Ich war schon immer Fan des Frauenfußballs“, erklärt Calmund in seiner Grußbotschaft. Wie zum Beweis berichtet er von seinem Engagement als Trauzeuge 2009 auf der Hochzeit von Martina Voss-Tecklenburg (seit 2018 Trainerin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft).

Entschlossener Blick, feine Technik: Estrella Merino Gonzalez im Bayer-Dress.

Entschlossener Blick, feine Technik: Estrella Merino Gonzalez im Bayer-Dress.

Dann bringt Calmund – gewohnt gestenreich – seine Anerkennung für Estrella zum Ausdruck: Mit erst 13 Jahren U-16-Kapitänin zu sein und am U-17-Bundesliga-Kader zu schnuppern, sei eine „tolle Leistung. Ich wünsche dir ganz viel Glück für deine weitere Laufbahn – toi, toi, toi, dein Cali.“ Der langjährige Klubchef der 04er ist Estrella zwar nie persönlich begegnet, dafür aber ihren Eltern. „Mich kennt er noch aus meiner Zeit in der Bayer-Jugend“, erklärt Marcus Voike. „Meine Frau Dalila ist im TV-Geschäft tätig und hat sich daher schon ein paar Mal mit ihm unterhalten.“

U-17-Verantwortliche haben längst ein Auge auf dem Ausnahmetalent

Voike hat seine Tochter lange Zeit selbst gecoacht – beim TSV Germania Windeck, wo er mittlerweile nur noch die erste Herren-Mannschaft betreut. Er ernannte Estrella zur U-11-Spielführerin – und das, obwohl sie das einzige Mädchen im Team war. „Das lag nicht am Tochterbonus“, so Voike. „Ihre Leistung hat es einfach hergegeben.“

Seit 2017 spielt Estrella nun in einer reinen Mädchenmannschaft für Bayer. Auch dort sticht sie heraus. In der Vorsaison führte sie ihr Team zum Regionalliga-Aufstieg; zum Zeitpunkt des Corona-bedingten Abbruchs lag man in der U-16-Mittelrheinliga ganz vorne. In der derzeit unterbrochenen Spielzeit stehen nach vier Einsätzen vier Tore zu Buche. Sowohl im Duell bei Alemannia Aachen (6:4) als auch im Spiel gegen den SV Menden (5:3) schnürte die Nummer zehn einen Doppelpack.

Estrella zog die Fäden im zentralen defensiven Mittelfeld und verblüffte nicht zuletzt mit einer direkt verwandelten Ecke. Kein Wunder, dass die U-17-Verantwortlichen längst ein Auge auf sie geworfen haben. „Vielleicht klappt es ja schon in dieser Saison mit einem Bundesliga-Einsatz“, sagt Estrella. „Den Sprung traue ich mir auf jeden Fall zu. Ansonsten würde ich den ganzen Aufwand ja gar nicht betreiben.“

„Estrella hat das Zeug zum Profi“

Drei Einheiten und bis zu zwei Spiele stehen in Leverkusen für gewöhnlich auf dem Wochenplan. Abwechslung bieten Lehrgänge mit der U-16-Mittelrheinauswahl oder das DFB-Stützpunkttraining in Hennef. Bei letzterer Fördermaßnahme ist Estrella neben einer Spielerin des 1. FC Köln allein unter Jungs (2006er-Jahrgang). „Sie steht ihnen in nichts nach“, sagt ihr Stützpunkttrainer Roland Brieskorn. Beim Sichtungsturnier in den Herbstferien war Estrella dennoch außen vor. „Es war nur für Jungs vorgesehen“, so der Coach. „Ansonsten hätte Estrella gespielt – und zwar von Beginn an.“

Denn was in Windeck galt, gilt noch heute: Estrella scheut nicht den Vergleich mit dem anderen Geschlecht. „Sie zieht keinen Zentimeter zurück“, sagt Brieskorn. Der Übungsleiter lobt den Zug zum Tor und „eine Professionalität, die ich in ihrem Alter nur selten gesehen habe. Sie will unbedingt besser werden – und zwar mit jeder Faser ihres Körpers.“ Brieskorn traut dem Teenager daher auch den nächsten Schritt zu, den Sprung in eine der Juniorinnen-Nationalmannschaften. Und nicht nur das: „Estrella hat das Zeug zum Profi. Mich würde es nicht wundern, wenn wir sie eines Tages in der 1. Bundesliga sehen.“

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Vorerst ist die Bayer-Akteurin auf sich allein gestellt, denn Corona-bedingt ruhen das Vereins- und Auswahltraining. „Sie macht jeden Tag Stabilisationsübungen oder geht an der Sieg laufen“, sagt Voike. „Sie ist einfach nicht kaputtzukriegen.“ Schon als Kind träumte seine Tochter von einer Nationalmannschaftskarriere. Für welches Land sie lieber auflaufen würde, kann sie bis heute nicht beantworten. „Irgendwen würde ich enttäuschen – entweder Papa oder Mama“, sagt Estrella angesichts der Tatsache, dass ihre Mutter aus Südspanien (Marbella) stammt.

Sollte sie tatsächlich mal die Wahl haben zwischen der spanischen und deutschen Equipe, hätte sich das Daumendrücken von Calmund jedenfalls bezahlt gemacht.

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