Lotsenpunkte sind erste Anlaufstellen für Menschen in Krisensituationen. Ehrenamtliche befassen sich hier mit den unterschiedlichsten Herausforderungen.
In Krisen und NotlagenEhrenamtliche Lotsen vermitteln Hilfe im Rhein-Sieg-Kreis

V.l.n.r. Helga Bogdanski, Franz Burger, Udo Richert (Lotsenpunkt Königswinter), Hedi Lückerath (Siegburg), Petra Röger (Lohmar), Judith Haneke (Siegburg), Claudia Gabriel (Rhein-Sieg-Kreis), Barbara Köllmann (Sankt Augustin), Detlev Cosler (Bad Honnef) und Maria Coenen (Lohmar).
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Für Menschen in Notlagen unterschiedlichster Art gibt es idealerweise Hilfe, durch beispielsweise öffentliche Beratungsstellen. Nicht selten aber sind die Themen, bei denen Menschen Unterstützung benötigen, schambehaftet - oder die Betroffenen wissen nicht, an wen sie sich mit ihren Problemen wenden können oder dass es überhaupt Hilfsstrukturen für sie gibt. Die Lotsenpunkte des Caritasverbandes Rhein-Sieg bieten genau diesen Menschen ein niedrigschwelliges Unterstützungsangebot.
„Das Kerngeschäft, ist eine Anlaufstelle mit einer regelmäßigen Sprechzeit zu sein, wo Menschen aller Art sich hinwenden können“, erklärt Claudia Gabriel, die die Lotsenpunkte kreisweit begleitet. „Ehrenamtliche haben hier erstmal einfach ein offenes Ohr, sind aber geschult und wissen, für welches Anliegen es welche Anlaufstellen gibt.“ Vor allem in ländlichen Gegenden sei der Zugang zu professionellen Beratungsstellen oft schwierig.
15 Lotsenteams sind im ganzen Rhein-Sieg-Kreis verteilt
Im Rhein-Sieg-Kreis sind 15 verschiedene Teams von je fünf bis 18 größtenteils ehrenamtlichen Lotsinnen und Lotsen im Einsatz. An den verschiedenen Adressen gibt es regelmäßige persönliche sowie telefonische Sprechstunden, die auf der Webseite des Caritasverbandes zu finden sind. „Ein Standardfall ist, dass Leute vorbeikommen und Hilfe beim Ausfüllen von Formularen benötigen – oft werden sie auch von Ämtern zu uns geschickt“, sagt Udo Richert vom Lotsenpunkt Königswinter.
Ein Beispiel aus der Praxis: Zwei Plastiktüten voller ungeöffneter Briefe.
Durch ihre verschiedenen beruflichen Hintergründe bringen die Ehrenamtlichen verschiedene Expertisen mit, die sie bei ihrer Arbeit nutzen können. „Wichtig ist aber, dass wir unsere Grenzen kennen - wir machen keine Fachberatung zu Fragen wie, ‚wie finde ich einen Job‘, ‚wie finde ich eine Wohnung‘ oder auch bei psychischen Schwierigkeiten“, stellt Richerts Kollege Franz Burger klar. Zentral für die Arbeit als Lotse sei vor allem, zu wissen, an wen man verweisen kann.
Es gebe aber auch Fälle, in denen Menschen Hilfe bei Dingen benötigen, für die kein Fachdienst Zeit und Kapazitäten hat. „Ein Beispiel aus der Praxis: Zwei Plastiktüten voller ungeöffneter Briefe“, beschreibt Maria Coenen, Ehrenamtliche beim Lohmarer Lotsenpunkt. Oft kommen Betroffene nicht mit einer Frage, sondern einer Bündelung von Problemen, sodass erstmal das drängendste davon gefunden werden muss.

Ein neuer Lotsenpunkt in der Kirche St. Elisabeth Siegburg-Deichhaus wurde erst im März 2025 eingeweiht.
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Das Setzen zeitlicher Grenzen in einem Gespräch ist für die Ehrenamtlichen oft nicht leicht. „In der Sprechstunde planen wir pro Person erstmal 20 bis 30 Minuten ein. Die Leute brauchen aber die Zeit, die sie brauchen - das kann auch 'ne Stunde sein“, sagt Helga Bogdanski vom Lotsenpunkt Königswinter. Oft kommen Hilfesuchende mehrfach in die Beratungen.
Ehrenamtliche Lotsinnen und Lotsen werden immer gebraucht. Dabei solle jede und jeder selbst entscheiden, in welchem zeitlichen Umgang und bei welchen Themen er oder sie sich einbringen kann, betont Claudia Gabriel. Wichtig sei vor allem „Interesse an Menschen und Aufgeschlossenheit für andere Lebenswelten“. Auch eine gewisse Distanz im Umgang mit teilweise belastenden, schweren Themen sei wichtig.
Oft genügt schon ein Telefonat, in seltenen Fällen besuche ich die Menschen zu Hause.
Zu Beginn ihres Engagements bekommen die Ehrenamtlichen eine Ausbildung in vier Modulen - dabei geht es um die Rolle und Aufgabe der Lotsenpunkte, um Kommunikation und Gesprächsführung, Strategien zum Umgang mit Krisensituationen und den Aufbau des Sozialsystems. Während ihres Engagements können sie sich durch Angebote der Caritas weiterbilden, zu Themen wie beispielsweise Einsamkeit oder Arbeitssuche.
Um möglichst niedrigschwellig zu sein: Bad Honnefer Lotsenpunkt ist an kostenfreies Café angegliedert
Ab und zu nehme man auch Themen mit nach Hause, sagt Petra Röger vom Lotsenpunkt Lohmar: „Was sich auch mal ergibt, ist eine Begleitung zu Ämtern, zum Anwalt, Jobcenter.“ Die Siegburger Ehrenamtlichen sind teilweise rund um die Uhr erreichbar, da sie Anrufe auch auf ihre privaten Festnetznummern weiterleiten lassen, erzählt die Ehrenamtliche Judith Haneke. „Oft genügt schon ein Telefonat, in seltenen Fällen besuche ich die Menschen zu Hause, wenn das notwendig ist“, sagt Haneke.
Es sei immer wichtig, zuerst zu schauen, was die Betroffenen selbst mit ihren Ressourcen erreichen können, sagt Detlev Cosler vom Lotsenpunkt Bad Honnef. Oft gebe man den Ratssuchenden einen kleinen Zettel mit „Hausaufgaben“ mit, wenn sie diese nicht erledigen können, übernehmen das die Ehrenamtlichen. Generell sei das Angebot alles andere als starr - die Lotsinnen und Lotsen achten stets auf sich verändernde Themen und Bedarfe und passen ihre Angebote dementsprechend an.
Ein großes Problem sei, dass die Lotsenpunkte zu unbekannt seien, so die Ehrenamtlichen. Viele Menschen stoßen so nicht auf die Hilfe, die sie bekommen könnten. Der Lotsenpunkt Sankt Augustin versucht sich vor allem durch Flyer bekannter zu machen, sagt Barbara Köllmann, die Lohmarer setzen vor allem auf Mund-zu-Mund-Propaganda.
In Bad Honnef gibt es noch einen anderen Ansatz. „Wenn die Hürde zu groß ist, um bei einer professionellen Beratungsstelle anzuklopfen, dann kommen die Leute auch nicht zu uns in die Sprechstunde“, sagt Detlev Cosler. Um das Angebot noch zugänglicher zu gestalten, ist der Lotsenpunkt Bad Honnef an ein kostenfreies Café angegliedert, das zeitgleich zur Tafelausgabe der AWO im Pfarrheim von St. Johann Baptist, Kirchplatz 2, öffnet. Hilfesuchende können ungezwungen ins Gespräch kommen und bei Bedarf gemeinsam mit Lotsinnen und Lotsen einen Nebenraum aufsuchen.

