Weil er dringend Fachkräfte und Auszubildende braucht, startete der Caritasverband Rhein-Sieg 2023 ein Projekt, um Kräfte aus Marokko zu gewinnen.
„Wollen hier unsere Zukunft aufbauen“Caritas bildet in Rhein-Sieg Pflegekräfte aus Marokko aus

Die beiden Auszubildenden Abderrahim Boudra (links) und Reda Gannour (rechts) helfen einer Bewohnerin im Haus Elisabeth mit ihrem Rollator.
Copyright: Anica Tischler
Der Fachkräftemangel macht sich überall in Deutschland bemerkbar. Vor allem soziale und technische Berufe sind betroffen, ebenso wie Berufe im Gesundheitswesen. Darunter fallen auch Pflegekräfte. Dieses Fachpersonal fehlt in vielen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Altenheimen. Um dem entgegenzuwirken und neue Fachkräfte zu finden und auszubilden, hat die Caritas Rhein-Sieg vor zwei Jahren ein besonderes Projekt gestartet.
„Unsere Bewerbungsquote ging in den vergangenen Jahren immer weiter zurück“, sagt Dennis Böhnke. Er ist Einrichtungsleiter des Altenheims Haus Elisabeth in Niederkassel. „Wir hatten teilweise sogar Jahrgänge ohne Auszubildende.“ Das ist jetzt anders: Derzeit gibt es insgesamt 28 Auszubildende in den beiden Senioreneinrichtungen des Verbands in Niederkassel und in Hennef sowie in der ambulanten Pflege. 18 von ihnen kommen im Zuge einer besonderen Projektkooperation aus Marokko.
Caritas Rhein-Sieg gewinnt Pflege-Auszubildende aus dem Ausland
Es entstanden Zusammenarbeiten mit Sprachschulen in Marokko, Anfang 2023 reiste eine Delegation der Caritas in das nordafrikanische Land und führte Bewerbungsgespräche. Etwa 50 bis 60 Gespräche innerhalb von zwei Tagen seien das gewesen, sagt Böhnke.
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Acht Auszubildende seien anschließend im ersten Jahrgang des Projekts aus Marokko nach Deutschland gekommen. Nicht ohne Schwierigkeiten: Ein B2-Sprachzertifikat muss vorliegen, bevor die Auszubildenden nach Deutschland kommen, und natürlich muss auch ein Visum beantragt werden. „Jetzt sind wir im dritten Schwung“, betont Dennis Böhnke. Dabei sind auch der 24-jährige Reda Gannour und der 25-jährige Abderrahim Boudra. Sie haben vor etwa vier Monaten ihre Ausbildung bei der Caritas begonnen.
Die Arbeitschancen waren in Marokko für meinen Bereich nicht so gut.
„Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt Reda Gannour. „Die Menschen sind sehr freundlich, aber mit der Sprache habe ich Schwierigkeiten.“ Davon ist im Gespräch allerdings wenig bemerkbar. Reda Gannour und Abderrahim Boudra können sich fließend ausdrücken. Nur Fragen müssen manchmal zur Sicherheit wiederholt werden, und sie legen sich ihre Worte sehr gewissenhaft zurecht, bevor sie antworten.
Beide kennen sich aus der Heimat, dort waren sie Nachbarn. „Oft haben unsere Bewerberinnen und Bewerber schon Freunde und Bekannte hier, die ihnen den Schritt hierher empfehlen“, sagt Jennifer Kuhl, die als Ausbildungskoordinatorin bei der Caritas tätig ist.
Gannour und Boudra hatten in Marokko eigentlich Wege in andere berufliche Richtungen einschlagen wollen. Boudra studierte Jura, Gannour hatte ein naturwissenschaftliches Studium begonnen. „Doch die Arbeitschancen waren in Marokko für meinen Bereich nicht so gut“, erzählt Reda Gannour. Auch die Sicherheit sei in Deutschland wesentlich besser gewährleistet.

v.l.n.r.: Abderrahim Boudra, Reda Gannour, Einrichtungsleitung Dennis Böhnke und Ausbildungskoordinatorin Jennifer Kuhl.
Copyright: Anica Tischler
„Das Gehalt ist hier besser“, sagt Abderrahim Boudra. „In Marokko bekommt man in der Pflege umgerechnet nur etwa 500 bis 600 Euro. Und es ist gut, Menschen zu helfen.“ In Deutschland erhalten ausgebildete Pflegefachpersonen im Tarif der Caritas im ersten Berufsjahr nach der Ausbildung rund 3550 Euro brutto, während der Ausbildung zwischen 1524 und 1687 Euro brutto.
Erhalten die Auszubildenden nach der Ausbildung eine Festanstellung, stehen die Chancen gut, dass sie auch eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bekommen. „Unser erster Schwung Auszubildender kommt im Oktober 2025 ins dritte Jahr, und wir sind in Gesprächen für Arbeitsverträge danach“, sagt Dennis Böhnke.
Auszubildende in Niederkassel können in der Regel festangestellt werden
Die Auszubildenden im Haus Elisabeth könnten nach der Ausbildung alle bleiben, betont er. „Wir bilden nur so viele aus, wie wir auch behalten können, und natürlich hoffen wir auch, dass viele bleiben wollen.“ Wenn das Projekt so erfolgreich weiterlaufe wie jetzt, habe er in fünf Jahren keine Probleme, die offenen Stellen für Fachkräfte zu besetzen, sagt Böhnke.
Für die beiden neuen Auszubildenden ist schon klar, dass sie bleiben wollen. Allein wegen der Perspektive. „Wir wollen hier auch unsere Zukunft aufbauen“, sagt Abderrahim Boudra. Zwar müssten sie sich noch weiter an die Sprache gewöhnen, aber das funktioniere immer besser.
Dass das mit der Zeit kein Problem sei, bestätigt auch Jennifer Kuhl. „Unsere ersten marokkanischen Auszubildenden sind inzwischen auch schon sehr selbstständig geworden und aus der zur Verfügung gestellten Unterkunft ausgezogen. Sie haben sich eigene Wohnungen gesucht.“