Archiv in Swisttal vollgelaufenWie Helfer versuchen nach der Flut die Akten zu retten

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Auf einer Wiese breiteten Hanna Albers und ihre Unterstützer großformatige Pläne zum Trocknen aus. 

Rhein-Sieg-Kreis – Die Regale verschoben und umgeworfen, der Inhalt komplett durchnässt, der Boden knöcheltief mit Schlamm bedeckt: So sieht der Albtraum für Archivarinnen und ihre Kollegen aus. Hanna Albers, Gemeindearchivarin von Swisttal, hat ihn erleben müssen: Der komplette Keller im Ludendorfer Rathaus war vor drei Wochen vollgelaufen, eine schmutzige Flut hatte sich über die Bauamtsakten und die Altregistratur der vorherigen Gebietskörperschaften ergossen. Zu denen, die halfen, zu retten, was zu retten war, gehörten Michael Harms, Mitarbeiter im Siegburger Kreisarchiv, und ein Kollege aus dem Kulturamt.

„Als ich ankam, war da ein Vorhof voll mit Pappe und Müll“, erinnert sich Harms an den Freitag in der Woche nach der Katastrophe. Nebenan lagerten auf Paletten die geborgenen Akten, die folgende Prüfung „nach Gehalt und Beschädigung“ bestand hier nur wenig. „Manches war so zerrissen und verschlammt, dass man es nur noch wegwerfen konnte.“

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Das Bauamtarchiv der Gemeinde Swisttal wurde hart getroffen. 

Wo Hoffnung auf eine Rettung besteht, führte der Weg in die Spül- und Arbeitsstraße: Mit Brauseschläuchen und sanftem Schwamm wurden Akten vom Schlamm befreit, an der nächsten Station wurde vorsichtig das überschüssige Wasser abgetupft. In Frischhaltefolie gepackt, lagern die Bestände nun in einem Troisdorfer Tiefkühlhaus.

An anderer Stelle wurden großformatige Pläne abgespült und zum Trocknen auf die Wiese gelegt. Fast 500 laufende Meter Archivregale hatte Gemeindearchivarin Hanna Albers im Rathaus betreut, geblieben sind etwa 50. Kreuz und quer standen einzelne Regale im Archivkeller, als Albers mit Helfern der Feuerwehr aus Hennef und Söven eintraf. „Man musste schnell bergen“, im Wettlauf mit dem Schimmel blieb Albers und den Helfern, die befreundete Archive und der Landschaftsverband entsandt hatten, nicht viel Zeit zum Sichten. „Wegen der schieren Menge des betroffenen Archivguts mussten wir streng priorisieren.“

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Mit der Gartenbrause entfernten die Archivare den Schlamm. 

Rund 1000 Akten wurden gesichert, für die es andernorts keine Duplikate gibt. Die Unterlagen der meisten Hoch- und Tiefbau- sowie Erschließungsvorhaben sind verloren, die Bebauungspläne, so hofft sie, wurden gerettet. „Es ist der größte Aktenverlust nach dem Zweiten Weltkrieg“, sagt Albers. „Wir werden jetzt ein bisschen gesichts- und geschichtslos.“ Immerhin seien aber keine historischen Schätze von der Flut betroffen gewesen: Die lagerten im Alten Pastorat etwas höher.

Bei einer Firma in Troisdorf lagern die Akten im Tiefkühllager

Vieles von dem, was vor mittlerweile vier Wochen die Flut in Archiven und Aktenkellern beschädigt hat, lagert an der Brüsseler Straße in Troisdorf-Spich. Dort hat die Nagel Group ein Tiefkühllager; heruntergekühlt auf minus 25 Grad warten hier bereits 1000 Paletten geborgenes Material auf eine weitere Bearbeitung.

„Die ersten Anrufe von Archiven kamen schon am Freitag nach dem Unglück“, berichtet Standortleiter Axel Zielonka; seit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs vor zwölf Jahren ist die Troisdorfer Adresse in Fachkreisen ein Begriff. Bereits am 16. Juli rollten die ersten vier Paletten an den zugewiesenen Lagerstellplatz. Inzwischen haben auch der Nationalpark Eifel, das Bischöfliche Archiv Köln oder Privatpersonen durchnässtes Archivgut hier eingelagert. Sogar aus Holland haben sich Kunden gemeldet. Zu eng werde es aber nicht werden, sagt Axel Zielonka. 400 bis 500 weitere Paletten seien angekündigt, das könne man noch aufnehmen.

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„Das Tiefkühlen unterbricht den Prozess des Schimmelns“ und die weitere Zersetzung von durchnässtem Papier, bis die eigentliche Restaurierung beginnen kann, erläutert Zielonka. Entweder einzeln oder palettenweise in Folie gewickelt, kommen dafür die beschädigten Akten in Troisdorf an: Mit dem Privatwagen lieferten Archivarinnen zu Anfang ihre nassen Schätze an, die Stadt Stolberg hatte eine Spedition beauftragt, „bei vielen haben wir auch abgeholt“, schildert Zielonka.

Wie lange die gefrorenen Zeugnisse der Vergangenheit in Spich lagern, kann Zielonka nicht sagen. Vertreter des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) werden ins Haus kommen und die weitere Vorgehensweise festlegen. „Da muss eine Bewertung gemacht werden“, weiß Zielonka. Schließlich koste die Restaurierung in den entsprechenden Facheinrichtungen nicht nur Zeit, sondern auch Geld. 

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